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Spätpubertierende Vierziger

Meike Dinklages „Der Zeugungsstreik“ zeigt, dass oft zögerliche Männer Kinderlosigkeit verursachen. Und nicht deren „egoistische“ Partnerinnen. Lesung im Literaturzentrum

Männer hinken den gleichaltrigen Frauen hinterher

2004 erschien ein Buch mit dem Titel Frau ohne Kind. Viola Roggenkamp ließ darin Frauen über ihre Kinderlosigkeit sprechen und offenbarte eine Leerstelle im öffentlichen Bewusstsein: Dass es nie um den „Mann ohne Kind“ gehe, er aber in den Biographien der vorgestellten Frauen eine wichtige Rolle spielte. Dass sein Anteil in den vergleichbaren Altersgruppen höher ist als der der kinderlosen Frauen: Auch darauf wurde verwiesen.

Die Journalistin Meike Dinklage beleuchtet in ihrem Buch Der Zeugungsstreik, das sie jetzt im Literaturzentrum vorstellt, diesen Aspekt; dass sie das Thema als Erste in die Debatte einbringe, wie oft behauptet, stimmt jedoch nicht. Das Buch ist aber das längst fällige Pendant zu Frau ohne Kind. Auch Dinklage lässt diejenigen, um die es geht, selbst zu Wort kommen.

Sie versucht, den „Mann ohne Kind“ aus dem gesellschaftlichen Dunkel hervorzulocken, in dem er nach wie vor verharrt: Immer noch gelte in der öffentlichen Meinung: „Wer die Gebärmutter hat, hat die Verantwortung“, so Dinklage. In den aktuellen Debatten gerät die Verantwortung leicht zur Schuldfrage, insbesondere den Akademikerinnen wirft man gern Egoismus und Karrieredenken vor.

Dinklage hat mit acht Männern, manchmal auch mit deren Partnerinnen und mit einigen Frauen allein gesprochen. Ihre zentrale Erkenntnis und These: Indem die Männer die Entscheidung über ein Kind immer weiter hinauszögern – Dinklage spricht von den „Später-vielleicht-Männern“ – sind letztlich sie es, die über die Kinderfrage in den Biographien ihrer Partnerinnen entscheiden. Die wünschen sich oft genug Kinder, hoffen auf das „vielleicht“ – und sind dann unversehens doch da angelangt, wo die „biologische Uhr“ aufgehört hat zu ticken.

Gründe für die Zögerlichkeit gibt es viele. Auffällig aber ist diese schwammige Unsicherheit: Manche der Männer, meist zwischen Mitte 30 und Anfang 40, wirken wie Spätpubertierende. Viele seien durch die Emanzipation der Frauen in ihrem Rollenverständnis verunsichert, so ein Psychologe; viele hinkten den Frauen ihrer Generation hinterher, konstatiert Dinklage. Diese Kluft und ihre Wirkungen sichtbar zu machen, ohne dafür – wie gerade en vogue – die Frauenbewegung verantwortlich zu machen, nicht zuletzt darin liegt ein wesentlicher Verdienst des Buches. Carola Ebeling

Lesung: So, 13.11., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38

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