Kommentar T-Mobile: Logische Folge des Erfolgszynismus
Der Telekom-Ausstieg könnte heilsam sein für den Radsport - und ist zumindest positiv im Sinne des Jugendschutzes.
E s war eine unternehmerische Entscheidung. Mit Anti-Doping-Aktivismus - ob ehrlich gemeint oder nicht - kann ein Sponsor in der Öffentlichkeit nicht punkten. Die Telekom sieht keinen Sinn mehr im Engagement für den Radsport. 12 Millionen Euro pro Jahr in einen Rennstall zu stecken, der sportlich nicht mehr erste Sahne ist, vielleicht auch weil nicht mehr ganz so viele Pillen geschluckt und Infusionen gesetzt wurden wie ehedem, bringt zu wenig Ertrag für die globale Marke T-Mobile auf dem weltweiten Imagemarkt.
ANDREAS RÜTTENAUER ist Sportredakteur der taz.
Eine Ära im Radsport geht zu Ende. Und wenn Bilanz gezogen wird in der Bonner Telekom-Zentrale, dann werden sich die derzeit so ernsten Gesichter schnell wieder aufhellen. Denn die Bonner Radler, sie waren lange eine ganz große Nummer. Epo sei Dank konnten zwei Tour-Siege gefeiert werden. Jan Ullrich ist im Telekom-Trikot ein ganz Großer geworden, wurde gestreichelt von den Medien. Dass der Radsport verseucht ist, gesteuert von einer mafiösen Szene dubioser Dopingdealer, unterstützt von einer miesen Clique sinistrer Sportmediziner, das hätte man schon immer wissen können. Doch dafür wollte sich niemand interessieren. Im Gegenteil, der ungeliebte Serviceverweigerungskonzern Telekom konnte sich über positive Schlagzeilen freuen. Das wird den Zynikern in der Unternehmensleitung, die immer schon wussten, mit welcher Szene sie sich im Radsport gemeinmachten, für immer im Gedächtnis bleiben - als Erfolg.
Was die Telekom mit ihrem Engagement wirklich angerichtet hat, kann von außen betrachtet jedoch kaum als Erfolg gewertet werden: Etliche junge Männer wurden angefixt durch die Erfolge der Radler in Magenta, fanden und finden es bisweilen immer noch normal, sich mit Pharmaerzeugnissen, eigenem aufbereitetem oder gar fremdem Blut regelrecht zu entmenschlichen, um mitrollen zu können im Peloton der Radsportjunkies. Wenn nun der deutsche Profiradsport in eine dauerhafte Krise schlittern sollte, weil sich sein Hauptgeldgeber verabschiedet, im Sinne des Jugendschutzes wäre das eine positive Wirkung.
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