piwik no script img

Konzern ExxonMobilDie Supermacht vom Ölfeld

ExxonMobil ist das reichste und mächtigste Privatunternehmen der Welt. Zugleich ist der Konzern der größte Feind des Klimaschutzes - selbst in der Ölindustrie gilt er als skrupellos.

Herz der amerikanischen Ölindustrie: ExxonMobil in Baytown, Texas. Bild: reuters

Die riesige Werbetafel rechts neben dem Highway 330 ist nicht zu übersehen: "We buy ugly houses!". Fünf Minuten später biegt die Erhart Road rechts ab, eine holperige Seitenstraße. Jetzt versteht man das Geschäftsmodell. Unter breiten Bäumen ducken sich an der linken Seite armselige Holzhäuser und ausgeschlachtete Autos. Rechts erheben sich hinter einem Maschendrahtzaun die silbernen Türme der Raffinerie von Baytown, 30 Kilometer östlich der texanischen Metropole Houston. Baytown, Texas, ist die größte Erdölraffinerie der Welt und Grundstein dafür, dass der Ölkonzern Exxon das größte, profitabelste und mächtigste Privatunternehmen der Welt ist. Zwölf Quadratkilometer voller Türme, Pipelines, Kessel und Silos. Dutzende von weißen Tanks im Turnhallenformat lagern Rohöl, Benzin, Plastik oder Kunststoffe, Schlote stoßen dicken weißen Qualm in die tiefhängenden grauen Wolken.

Das Unternehmen

Die Geschichte: Exxons Wurzeln gehen zurück auf den ersten Ölkonzern der Welt: Standard Oil, gegründet 1870, den sein Gründer John Rockefeller durch Tricks und Täuschung so reich und gefährlich machte, dass die US-Regierung den Konzern 1911 zerschlug. Aus "S-O" wurde Esso und später Exxon,

als das Unternehmen 1998 mit der ehemals abgespaltenen Tochter Mobil wieder zu ExxonMobil fusionierte.

Die Bilanz: ExxonMobil ist das reichste Privatunternehmen der Welt. Die weltweit 85.000 Mitarbeiter erwirtschafteten 2007 mit einem Umsatz von 404 Milliarden US-Dollar einen Rekordprofit von 40 Milliarden - jeden Tag mehr als 100 Millionen US-Dollar.

Der Ölkonzern ist eine Klasse für sich: Gemessen an seinem Budget steht er auf Platz 19 der Liste der reichsten Länder der Welt. Er besitzt direkte Pipelines in die politischen Machtzentralen der USA und bremst im Alleingang den internationalen Klimaschutz. Wenn die USA "abhängig vom Öl" sind, wie US-Präsident Bush sagt, dann ist ExxonMobil der größte Dealer. Die Firma ist das Hassobjekt von Umweltschützern auf der ganzen Welt, eine ökonomische, ökologische und politische Supermacht und für die New York Times sogar ein "Feind des Planeten".

Cliff Clements kennt ein ganz anderes ExxonMobil: Einen ausgezeichneten "corporate citizen", ein Unternehmen mit Verantwortung für seine Mitarbeiter, von denen manche Malocher als Millionäre in Rente gehen. Clements ist Herausgeber der Lokalzeitung The Baytown Sun und er ist extra ins lokale "Starbucks"-Café gekommen, um ExxonMobil zu verteidigen, das er kennt und mit dessen Pressesprecher er Golf spielt. 70 Millionen US-Dollar zahlt der Weltkonzern der Gemeinde jedes Jahr an Steuern, "unsere Junior High School gehört zu den besten im Staat" und die Leiterin der Schulbehörde bekommt ein Traumgehalt. Klimawandel? "Das interessiert die Leute hier nicht. Hier geht es um Luftverschmutzung, die man riechen kann. Alles andere ist Sache der Konzernleitung in Dallas."

"Exxon ist einfach anders", sagt Kenneth Medlock, Wirtschaftsprofessor und Energieexperte an der Rice University in Houston "immer der Big Guy, der erste und älteste Ölkonzern und der Klassenbeste." Als Venezuela 2007 die Ölquellen im Land verstaatlichte, hätten die anderen Konzerne klein beigegeben - nicht so ExxonMobil, das vor den internationalen Gerichtshof zog, um Venezuelas Auslandskonten einzufrieren. "So verhält sich kein Unternehmen, auch kein globaler Konzern", sagt Medlock, "so verhält sich ein Staat."

In der Klimadebatte haben sich die Texaner ihren schlechten Ruf hart erarbeitet: 16 Millionen US-Dollar zahlte das Unternehmen für eine Strategie, die reputierte Wissenschaftler in die Defensive drängte und eigene "Spezialisten" in die Welt setzte, die den Klimawandel in Zweifel zogen. Der Ölgigant regierte bis in die Personalpolitik des Weißen Hauses unter George W.Bush hinein. Diese "erfolgreichste Desinformationskampagne seit den Täuschungen der Tabakindustrie" ist nachzulesen in dem Bericht "Smoke, Mirrors and Hot Air" der US-Organisation Union of Concerned Scientists, der 2007 veröffentlicht wurde und sich auf interne Papiere, Memos und E-Mails der Bush-Regierung stützt.

Was sagt ExxonMobil zu diesen Vorwürfen? Nichts - obwohl der Konzern auf seiner Homepage verspricht, die "Transparenz gegenüber Unternehmen und Kunden zu maximieren". Interview- und Besuchsanfragen werden verschleppt und nicht beantwortet, E-Mails sind offiziell nie angekommen. Nach beharrlichem Nachhaken im Sekretariat der Pressestelle lautet das Urteil nach wochenlanger Prüfung: "Sorry, leider ist niemand für ein Gespräch verfügbar." Der Besuch in Baytown, den der Pressesprecher der Raffinerie organisieren wollte, wird aus der Zentrale verhindert. Das gleiche Vorgehen beim "American Petroleum Institute" in Washington, der Lobbyorganisation der Ölindustrie, laut Selbstverständnis eigentlich angelegt als "Forum für die Diskussion von Energiefragen": "Ich kann Ihnen keinen Ansprechpartner nennen". Und selbst in Buchhandlungen sucht man vergeblich nach einem umfassenden und unabhängigen Buch über das reichste und einflussreichste Unternehmen der Welt. Was bleibt, ist das Werk der investigativen Journalistin Ida Tarbell über "The History of Standard Oil" - aus dem Jahre 1904.

Selbst die schärfsten Kritiker preisen allerdings die Sicherheitskultur und wirtschaftliche Effizienz im Unternehmen: Weniger Unfälle und Störfälle als der Durchschnitt der Ölindustrie, effektives Krisenmanagement, exzellente Forschungsarbeit und sehr vorsichtige Investitionsentscheidungen garantieren den Erfolg. Selbst Greenpeace-Experte Kert Davies gesteht ExxonMobil "intellektuelle Ehrlichkeit" zu: "Sie sagen: Wir sind eine Ölgesellschaft, und das ist es, was wir machen. Sie würden niemals mit einem Marketing-Konzept wie ,Jenseits des Öls' kommen, wie BP es versucht hat."

Auch in Houston hat ExxonMobil eine Sonderposition: Baytown sitzt auf der Ostseite der Bucht, auf der anderen Seite qualmen die petrochemischen Werke der anderen: DuPont, Shell, Valero, Lyondale, Chemiewerke, Raffinerien, Zementwerke, sogar eine Budweiser-Brauerei mitten darunter. Bis zum Horizont, an dem die Hochhaustürme von Houston im schwülen Dunst zerfließen, drängen sich riesige Schornsteine neben Kugelsilos von den Ausmaßen einer mittleren Kathedrale. Diese Herzkammer der US-Energieversorgung pumpt ein Drittel des amerikanischen Öls in die Tankstellen und Heizkessel der Nation. Und mitten durch das ausgedehnte Chemiequartier führt der Highway 225, inoffiziell "Refinery Row" genannt, offiziell "Texas Independence Highway". Er zeigt das genaue Gegenteil: Die Abhängigkeit des US-Staates vom Öl. Und seine Verwundbarkeit für den Klimawandel."

Eine große Flutwelle im Houston Ship Channel könnte das Chemiequartier verwüsten und eine massive Umweltkatastrophe auslösen", warnt Robert Harriss. Er ist der Präsident des Houston Advanced Research Center (HARC) und zitiert eine Studie des texanischen Emergency Operations Center. Neben stärkeren Hurrikans sei das südliche Texas vor allem durch Trockenheit und Sturzregen gefährdet: "Bei der letzten Überschwemmung 1996 hatten wir hier Milliardenschäden." Bei einem ähnlichen Hurrikan wie "Katrina", der 2005 das benachbarte New Orleans verwüstete, "wären die Schäden hier viel größer, weil es mehr Werte hier gibt und die Ölversorgung der gesamten USA betroffen wäre." Haben die Texaner also Respekt vor dem Klimawandel? Harriss schüttelt den Kopf. "Die eine Hälfte der Menschen in Houston ist zu arm, um sich um den Klimawandel zu kümmern, die andere Hälfte ist zu reich - sie leben vom Öl." Auch Harriss übrigens: HARC wurde vom Millionär George Mitchell gegründet, der seinen Reichtum auf den texanischen Ölfeldern gemacht hat.

2006 schien die Zeit reif für einen Ölwechsel an der Spitze von ExxonMobil: Lee Raymond, der das Unternehmen 16 Jahre lang mit eiserner Hand geführt hatte, übergab den Chefsessel an den konzilianteren Rex Tillerson. Der Ölkonzern gestand nun öffentlich ein, dass es wohl so etwas wie Klimawandel gebe. Das habe man auch "niemals bestritten". Heimlich trafen sich Topmanager mit ausgewählten Umweltgruppen, der Konzern stellte die Zahlungen an Klimaskeptiker ein. Hatte ExxonMobil seine Rolle als böser Bube in der Klimapolitik und Blitzableiter für die Branche satt?

Die Papiere, die Kert Davis in seinem fensterlosen Büro in Washington auf den Tisch wuchtet, legen einen anderen Schluss nahe. Davies recherchiert seit Jahren für die Website von Greenpeace USA "exxonsecrets.org" die Hintergründe des Klimakriegs von ExxonMobil. Die internen Memos, E-Mails, Presseerklärungen und Zeitungsartikel zeigen nichts von einer Kursänderung, sondern ein Unternehmen, das sich alle Optionen offen hält. "Sie geben sich zahm, weil sie wissen, dass mit dem nächsten Präsidenten ein Klimagesetz kommen wird", ist Davies Analyse. "Und wenn das geschrieben wird, wollen sie unbedingt am Tisch sitzen. Aber dafür brauchen sie Glaubwürdigkeit."

Haben die Ölbarone keine Angst vor dem Ende des Ölbooms? Kenneth Medlock muss lachen: "Bei Preisen von 100 US-Dollar für das Fass Öl lohnt sich doch die Ausbeutung noch der letzten Reserven." Mit diesen Riesengewinnen können sie es sich sogar leisten, nicht in die teure Forschung und Entwicklung von Energien der Zukunft zu investieren - sondern einfach auf einen technischen Durchbruch zu warten und dann die entsprechenden Firmen zu übernehmen. "Probleme bekommen sie nur, wenn dieser Durchbruch BP gelingt", sagt Medlock. "Die kann selbst ExxonMobil nicht einfach schlucken."

In ein paar Jahrzehnten wird aber auch für die Supermacht aus Texas die Zeit "Beyond oil" kommen, ist sich der Experte sicher. Denn die größten Öl- und Gasreserven liegen in Arabien und Russland, wo die Staatskonzerne die privaten Unternehmen nicht zum Zuge kommen lassen. Die Folge: Alle großen privaten Ölfirmen werden früher oder später nach alternativen Brennstoffen suchen. Die stolzen texanischen Ölbarone also doch auf der Suche nach Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse, was die Konzernleitung nach einem fehlgeschlagenen Investment in den Achtzigerjahren vehement ablehnt? "Alternativ heißt nicht regenerativ", bremst Medlock die Erwartungen. Seine Prognose ist deshalb auch keine gute Nachricht für das Weltklima. ExxonMobil werde sich auf die heimischen fossilen Brennstoffe konzentrieren: In Utah und Kanada lagerten riesige Bestände an Ölsänden. Schwer zu gewinnen und extrem dreckig zu verbrennen.

Auszug aus Bernhard Pötter, "Tatort Klimawandel: Täter, Opfer und Profiteure einer globalen Revolution", Oekom Verlag, 261 Seiten, 19,90 €

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen