piwik no script img

Geld für GazaHilfe unter Ausschluss der Hamas

Fast 3 Milliarden Euro will die internationale Gemeinschaft für den Wiederaufbau im Gazastreifen ausgeben. Geht das ohne die Hamas, die die Region nach wie vor regiert?

"Wenn es keinen Zement und kein Baumaterial gibt, wie sollen die Menschen wieder ein normales Leben aufnehmen?", fragt EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner. Bild: ap

Viel Geld und viele Reden: Das war das Ergebnis der Gaza-Wiederaufbau-Konferenz, die gestern im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich stattfand. Fast 80 Länder waren präsent, um zu beraten, wie die von der palästinensischen Regierung für den Wiederaufbau bezifferten 2,8 Milliarden Dollar aufgebracht werden können.

US-Außenministerin Hillary Clinton versprach bei ihrem ersten großen Auftritt im Nahen Osten 900 Milliarden Dollar, davon 300 Millionen Soforthilfe. Das Geld dürfe aber nicht "in die falschen Hände" gelangen. Gemeint ist die palästinensische Hamas, die den Gazastreifen regiert. "Indem wir humanitäre Hilfe für Gaza anbieten, wollen wir die Voraussetzungen für einen palästinensischen Staat schaffen; einen Staat als verantwortlichen Partner, der in Frieden mit Israel und den arabischen Nachbarn lebt und der gegenüber seinem eigenen Volk rechenschaftspflichtig ist", sagte sie. Clinton plädierte für eine Zweistaatenlösung. Anders als viele andere Konferenzteilnehmer forderte sie aber Israel nicht auf, die Grenzen zu öffnen und die Wirtschaftsblockade gegen den Gazastreifen zu beenden.

Andere Geldgeber betonten hingegen, die Grenzen des Gazastreifens müssten künftig passierbar sein, um den Wiederaufbau voranzutreiben: "Gaza kann kein Freiluftgefängnis bleiben", sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Auch die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte der taz: "Die Grenzen müssen geöffnet werden, das ist die wichtigste Forderung der Konferenz." Das gelte nicht nur für humanitäre Güter, sondern auch für erste Wiederaufbaumaßnahmen. "Wenn es keinen Zement und kein Baumaterial gibt, wie sollen die Menschen in Gaza dann wieder eine normales Leben aufnehmen?", fragt sie.

Die Europäische Union hat versprochen, 436 Millionen Euro Aufbauhilfe zu überweisen. "Das sind Gelder für das, was die Menschen unbedingt brauchen, um den Schutt wegzuräumen, nicht explodierte Munition aufzusammeln, sauberes Trinkwasser zu haben und Abwasser zu klären", erläuterte Ferrero-Waldner.

"Wir haben auch die Hoffnung, dass das, was jetzt wieder aufgebaut wird, nicht erneut zerstört wird", sagte auch der deutsche Außenminister Walter Steinmeier auf der Konferenz. Dafür seien eine dauerhafte Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Israel und allen Palästinensergruppen sowie die Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche notwendig. Steinmeier kündigte an, dass sich die Bundesregierung mit 150 Millionen Euro am Wiederaufbau im Gazastreifen beteiligen will.

Die beiden eigentlichen Protagonisten des Konflikts kommentierten die Konferenz aus der Ferne. "Wir wollen Unterstützung für die Menschen in Gaza sehen", sagte der israelische Regierungssprecher Mark Regev. "Wir wollen, dass der gute Wille der internationalen Gemeinschaft nicht von der Hamas ausgenutzt wird." Diese Aussage warf bei arabischen Fernsehkommentatoren die Frage auf, warum nicht der Schadensverursacher, also Israel, zur Kasse gebeten werde.

Die Hamas denkt nicht daran, von dem Wiederaufbauprozess ausgeschlossen zu bleiben. Das betonte der Hamas-Vertreter Osama Hamdan aus Beirut gegenüber dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira. "Wir heißen jeden willkommen, der Gaza wieder aufbauen will, wenn der Hamas oder den Palästinensern nicht irgendwelche politischen Bedingungen gestellt werden." Zugleich warf Hamas-Sprecher Fausi Barhum den internationalen Geberländern vor, sie behinderten mit ihrem Boykott der Hamas den Wiederaufbau im Gazastreifen. Die Hamas war nicht zu der Hilfskonferenz für die Palästinenser eingeladen worden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • A
    aso

    @ t.s.:

     

    „Und gilt das auch für arabische Zivilisten?“

     

    Ja , so ist es, die Raketen der Hamas zielen auch auf arabische Zivilisten, und haben bereits viele von ihnen getötet. Denn die TerroristInnen haben keine Hemmungen ihre eigenen Leute umzubringen. Dies ist ebenso bei Selbstmordattentaten zu beobachten, daß eine große Zahl der Opfer doch eigentlich muslimische Brüder sind.

    Artikel 13 und 14 der Hamas-Charta enthält die zynische Begründung und

    in westlichen Augen schockierende Aufforderung, gerade Unbeteiligte durch die Kampfhandlungen leiden zu lassen, etwa palästinensische Zivilisten, die nicht der Hamas angehören, da Nichtbeteiligung am Kampf bereits Abtrünnigkeit und „Heuchelei“ bedeutet und daher strafwürdig ist.

     

    Wer so rücksichtslos gegen Zivil- und eigene Bevölkerung vorgeht verfolgt natürlich anspruchsvolle humanitäre Ziele und hat den moralischen Bonus dafür redlich verdient.

     

    Wer behauptet, Israel halte 1,5 Millionen Menschen in Gaza gefangen, ist ein Opfer der Paliwood-Propaganda oder einfach nur naiv:

     

    Auf den seit Jahren anhaltenden Beschuss seines Territoriums und die ständigen Versuche von Hamas-Kämpfern, nach Israel einzudringen, um Juden zu entführen oder Terroranschläge zu verüben, Waffen zu schmuggeln, etc., reagierte Israel mit der Schließung aller Grenzübergänge. Eigentlich eine zwingend logische Reaktion.

     

    Aus Sicht der gefilterten Paliwood-Wahrnehmung wird übersehen:

     

    Auch Ägypten, der andere Nachbar und muslimische Bruderstaat, schloss seine Grenze nach Gaza. Und baute eine 3 Meter hohe Mauer.

    Warum bloß?

     

    Was den moralischen Unterschied angeht: Israel hat gezielt die Hamas bekämpft (was schwierig ist, da sie sich feige hinter Zivilisten verstecken).

    Hamas beschießt bewußt Zivilisten, auch arabische...

     

    Was hier moralisch wie politisch korrekt ist, und was nicht dürfte klar sein.

  • T
    t.s.

    Zitat:

    "Jede einzelne Rakete ist ein Kriegsverbrechen, da sie auf Zivilisten abzielt ..."

     

    Und gilt das auch für arabische Zivilisten?

     

    Sind nicht die 1,5 Millionen Menschen, die Israel in Gaza gefangen hält, vermutlich zu über 95% Zivilisten?

     

    Gibt es nicht einen klaren moralischen wie auch politischen Unterschied zwischen der Gewalt die von einem Gefangenen ausgeübt wird und der Gewalt dessen, der ihn gefangen hält?

  • DG
    Don Genaro

    Liebe taz

    Bitte, bitte - bei Summen wie Millionen und Milliarden genau hinschauen! 900 Milliarden gibt Clinton sicher nicht an die Palästinenser - das wäre mehr als Obamas Rettungsschirm in den USA. 300 Millionen schon eher....

  • A
    aso

    @ t.s.:

     

    Welches Problem läßt sich denn mit den Beschuss von tausenden Mörsergranaten und Kasssam-Raketen lösen? Jede einzelne Rakete ist ein Kriegsverbrechen, da sie auf Zivilisten abzielt, und mit der israelischen Bevölkerung Russisches Roulette spielt, und sie damit terrorisiert.

     

    Die mittelalterliche Rechtsnorm der Scharia steht natürlich voll im Einklang mit den internationalen Menschenrechten und ist von humanistischen Werten geprägt, daher auch absolut kein Aufreger.

     

    Auch Mord und Totschlag ist bei der Hamas kein Problem, sogar, wenn es um die Bekämpfung der eigenen Bevölkerung geht, wie der Umgang mit der Fatah, oder anderen die nicht ins Konzept passen zeigt.

  • T
    t.s.

    Zitat: "Wer in diesem Forum weiß eigentlch, dass seit Dezember 08 das Gesetz der Sharia in Gaza herrscht?"

     

    Ein weiteres Problem, das sich sicher durch ein wenig mehr Phosphor- und Flechette-Granaten auf die Bewohner Gazas lösen lässt.

     

    Westliche Werte und Humanismus durch Mord und Totschlag. Ich bin zutiefst beeindruckt.

  • B
    Bene

    Wer in diesem Forum weiss eigentlch, dass seit Dezember 08 das Gesetz der Sharia in Gaza herrescht? Wer hat von der brutal verfolgung der Fatah-Mitglieder waehrend des Gaza-Krieges gehoert? Wer kennt die echten Zahlen ueber Tote und Verletzte?

  • A
    aso

    Es ist wieder soweit:

    Das Faß ohne Boden hat den Deckel aufgemacht.

    Nie gab es bisher eine vergleichbare finanzielle Hilfe. Die bisherigen Milliarden betragen bereits das vierfache des Mashall-Plans für Europäer.

     

    Was haben die bisher mit den Milliarden gemacht? In welchen Kanälen sind die Gelder versickert?

     

    Und warum kommen die Gelder nicht von den reichen Ländern der Arabischen Liga?

    Warum zahlt Europa, das doch als dekadenter und verhaßter Westen gilt?

    Al Quaida hatte keinen Erfolg bei Hamas, weil die wissen, das würden dann selbst die europäischen Deppen merken daß dann was nicht stimmt. Und den Geldstrom zum versiegen bringen. Also beschränken sie ihre terroristischen Ziele zunächst auf den lokalen Raum.

     

    Vielleicht hofft die EU ja auch, das Geld würde eh irgendwie durch Waffeneinkäufe wieder reinkommen...

     

    @: puzygalore:

     

    "Wer das eigentlich bezahlen sollte, müsste jeden klar sein."

     

    Genau, wer über den Tellerrand blickt, müßte den Iran als Kriegtreiber zahlen lassen, da er seine Hamas-Marionette scheinbar ausreichend motiviert hat, Israel zu nötigen sich zu verteidigen.

  • FM
    Frank Merkel

    Ich finde es gut, dass wenigstens ein paar Staatshaupte die Gefangenschaft in Gaza nicht leugnen. Doch wie kann man Menschen helfen, die nichts mit der Politik zutun haben, sondern nur unter ihnen Leiden. Es ist nicht die Hamas, sondern allg. die paläst. Regierung die Falsch ist, wieso sorgt man nicht dafür, dass politische Gefangene aus den isra. Gefängnissen frei kommen, Politiker die Frieden wollen, Politiker den Menschen helfen wollen und es schaffen können Frieden in der Region zu bringen. Schließlich hat auch vieles mit dem gegenseitigem Respekt zutun!

    Wir sprechen hier von Menschen, und wer möchte schon in so einem Haus leben (siehe Foto)... Sie bestimmt nicht oder ?

  • P
    puzygalore

    Wer das eigentlich bezahlen sollte, müsste jeden klar sein.

     

    Und das im Gaza-Streifen immer mehr meinen, Israel müsste mit seinem Leben zahlen, wundert micht nicht.

    Mach weiter so Israel und züchte weiter Verzweiflung und Hass.

    Aber die neue Qualition in Israel wird schon zur Deeskalation beitragen, heul.

  • P
    Peter

    Irgendwie gespenstisch, diese Geberkonferenz. Zwar kommen Milliarden zusammen, aber zwei Grundvoraussetzungen sind nicht erfüllt - die Grenzen zu Gaza sind zu, und Hamas, die ja von einem großen Teil der Bevölkerung gewählt wurde, soll außen vor bleiben.

    Und wie schon mehrfach betont - warum bittet niemand Israel zur Kasse? Schließlich hat Israel den Gazastreifen zerbombt, auch Einrichtungen und Gebäude, deren Aufbau von UN und EU finanziert wurde. Wenn die "Geberländer" wenigstens mal in dieser Hinsicht Tacheles reden würden.

  • V
    vic

    Hilfe unter Ausschluss der Hamas.

    Also keine Hilfe!

  • L
    Luk

    Mir kommt es manchmal so vor, als ob die Europäer Schutzgeld zahlen, damit wir ruhig schlafen können während die radikalen Islamisten ihren Kampf gegen Israel finanzieren können.

     

    Mit den Milliarden Euro/Dollar die in den letzten Jahrzehnten immer wieder gezahlt wurden, hätten die arabischen Palästinenser schon längst in Wohlstand leben können wenn da viele Gruppen nicht ständig "Dschihad" spielen würden.

  • T
    Tiziano

    Kann mir jemand erklären, wieso Israel nicht an die Kasse kommt?

    Die Geldgebenden Länder find ich dafür sehr heuchlerisch. Geben jetzt Geld anstatt sich zur gegeben Zeit vehement gegen die israelische Offensive zu wehren?

    Und die Hamas draussen lassen: Irgendwie dachte ich, dass es nun alle eingesehen haben, dass das DER Fehler war, der zur Eskalation geführt hat..

    auch da hab ich mich getäuscht..