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Obdachlose FlüchtlingeRoma bleiben Hausbesetzer

Im Bethanien leben mehr Roma als bisher angenommen, das erschwert die Wohnungssuche der Familien. Sozialstadtrat will Lösung bis Pfingsten.

Die Herbergssuche der Roma-Familien aus dem Kreuzberger Bethanien zieht sich weiter in die Länge. Eine Unterbringung der Rumänen in Obdachlosen-Wohnplätze platzte am Dienstag - weil sich mehr Roma als bisher angenommen im Bethanien aufhalten. Statt der bisher 50 Personen seien dort 90 Roma gezählt worden, die eine Unterkunft benötigten, sagte Franz Allert vom Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo). "Wir können aber maximal 83 Plätze stellen."

Man wolle bis Pfingsten eine Lösung finden, sagte der Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Knut Mildner-Spindler (Linke). "Werden unsere Angebote aber weiterhin nicht angenommen, stehen wir am Ende der Möglichkeiten", so der Stadtrat zur taz. Laut der LaGeSo könnte zumindest ein Teil der Roma auf die Obdachlosen-Unterkünfte verteilt werden. Auch stünde weiterhin das Flüchtlingsheim in der Spandauer Motardstraße zur Verfügung. Das lehnten die Roma nach einem Besuch am Dienstag ab. "Sie waren schockiert und wollen nicht hinter Stacheldraht leben", sagte Sozialarbeiter Miman Jasarovski, der die Roma betreut. Stattdessen baten die Roma um Wohnungen in der Innenstadt. Darauf konnte Allert allerdings kaum Hoffnung machen: "Die meisten Obdachlosen-Wohnplätze befinden sich in den Außenbezirken." Auch sei die Unterbringung nur als Übergangslösung möglich.

Seit einer Woche werden die Roma-Familien von den Bewohnern des "New Yorck" im Bethanien versorgt. Zuvor hatten sie über zwei Wochen im Görlitzer Park kampiert. Die "New Yorcker" fordern eine schnelle Entscheidung. "Wir stoßen hier an die Grenzen der Belastung", so Sprecherin Ina Behtke.

Auch Dieter Ruhnke von der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die das Bethanien verwaltet, plädierte für eine "schnelle Lösung". Seit Freitag hatten die Roma auch Räume im Bethanien bezogen, die von einer Kita genutzt werden sollen. Um das Hausrecht zu wahren, werde man eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch stellen, so Ruhnke. Von einer Räumung will die GSE aber absehen.

Karin Rietz, Sprecherin der Senatssozialverwaltung, bezeichnete das Engagement von Senat und Bezirk bei der Wohnungssuche als "humanitären Akt". Man sei eingeschritten, um das Kindeswohl der Roma zu prüfen und die medizinische Versorgung der beiden Schwangeren zu gewährleisten. "Die Roma sind aber keine Flüchtlinge, sondern EU-Bürger, die als Touristen eingereist sind und sich eigentlich selbst versorgen müssten", so Rietz. Die Familien hätten sich als rumänische Staatsbürger ausweisen können.

Damit genießen sie innerhalb der EU Freizügigkeit. Laut EU-Recht können Unionsbürger bis zu drei Monate uneingeschränkt im Ausland verbringen. Die Roma kündigten aber an, dauerhaft in Berlin bleiben zu wollen. Dafür müssten sie einen Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt nachweisen, so Rietz. Laut Mildner-Spindler wäre es auch möglich, den Roma die Rückfahrt zu finanzieren - wenn sie dies wünschten.

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11 Kommentare

 / 
  • BA
    bin aber besser zu Fuß

    "caro" läuft also "erstmal eine halbe Stunde durch ein trostloses Industrieviertel", um die 450 Meter von der U-Bahnstation Paulsternstraße zum Haus Motardstraße 101a zu kommen. Oh je, natürlich hat in Berlin vor jedem Asyl eine Haltestelle zu sein (SCNR).

    Was soll ich armes Schwein aus Ruhleben da nur sagen, die nächste U-Bahn ist 2 Kilometer weg und ich muss noch dazu meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Bin ich jetzt Rassist oder nur Sozialneider? (SCNR)

  • D
    denninger

    Hey "caro", da hast Du etwas falsch verstanden.

    Die "arrogant klingenden Argumente" bezogen sich auf die Aussage, die Unterkunft sein "zu abgelegen" und die "konkreten Ansprüche" meinten die Forderung nach "Wohnungen im Innenstadtbereich".

    Was "ungereinigte Sanitäranlagen" und den "siffigen Baderaum" betrifft sollten die Bewohner doch besser selbst Verständnis für Hygiene entwickeln. Oder wurden die Sänitäranlagen etwa von Dritten versaut? Aber klar, der "Staat" hat gefälligst auch die "Sch..e" wegzuputzen, nicht? (SCNR)

    Dio "Menschen sind hoch erfreut über Besuch aus der normalen Welt" schreibst Du weiter. Ach so, aus dem von Dir so genannten "Lager" dürfen sie ja nicht raus, oder etwa doch?

    Natürlich ist die Motardstraße kein trendiges Loft am Potsdamer Platz. Aber dass dort Platz für sie ist ist realistischer als dass der Bezirk oder die Stadt Wohnungen für fast hundert Leute findet und finanziert.

    Zumal, wie gesagt, die Menschen keine Flüchtlinge sondern "Touristen" sind. Wären sie Flüchtlinge, hätten sie bereits (je nach Route)in mindestens zwei anderen Staaten der EU bzw. gleich nach Grenzübertritt um Asyl bitten können und nicht erst als ihr "Sommercamp" im Park untersagt wurde.

    Das sind halt alles so Dinge welche micht etwas stutzig machen.

  • G
    grafinger

    Interessantes Video, das "trine" da ins Netz stellt.

    Die Bestroofenen selbst äussern sich gar nicht zu ihrer Situation, das wird von den "Unterstützern" erledigt. Die übliche Rasissmusunterstellung gegen (rote und grüne!) Politiker darf natürlich auch nicht fehlen und klar hat sich jetzt die Kirche darum zu kümmern.

    Dass wird auch noch die Hoffnung geäussert, das Beispiel werde Schule machen wird und es zu Aktionen in anderen Städten kommt.

    Wollen die Unterstützer wirklich den Roma helfen oder ist das Ganze für sie nur eine medienwirksame Aktion?

    PS: Wie wäre es denn, wenn die "New Yorcker" endlich mal ihre fast 400.000€ Mietschulden begleichen würden? (SCNR)

  • T
    trine

    video zur situation der roma:

     

    http://kanalb.org/clip.php?clipId=2316

  • MM
    Max Müller

    Wie amüsant, die Besetzer werden besetzt ...

     

     

    und haben nach zwei Tagen schon die Schnauze voll von den neuen Mitmenschen ...

     

    die setzen sich wohl in den den "Freiräumen" fest oder wie?

  • TW
    Tobias Wacke

    Die Roma wurden aus dem Bethanien abgeschoben und haben nun die Kirche in der Wrangelstraße 50 besetzt.

    sry, aber das ist mehr als peinlich für das Bethanien.

    So sieht also "wir bleiben alle" und internationale solidarität aus.ist klar.

  • H
    Hatem

    Wer instrumentalisiert hier wen? Die Roma die Bethanienbesetzer? Oder die Besthanienbesetzer die Roma?

    Egal. Jedenfalls ist die Handlungsweise beider Gruppen super geeignet um alle gängigen Vorurteile zu schüren - sowohl gegen Roma als auch gegen Hausbesetzer.

    Wenn das das Ziel war - herzlichen Glückwunsch.

  • C
    Caro

    Ich find's gut, dass über die menschenfreundlichen Taten der "New Yorker" berichtet wird. Warum kommen aber im Artikel die Betroffenen nicht zu Wort? Ok, der Sozialarbeiter wird zitiert.

     

    Und passend zum Thema Flüchtlingsheim in der Motardstraße in Spandau. Liebe geneigte Leser_innen und "denninger", wer von Euch war schonmal in, oder vor diesem Gebäude?

     

    Ich war da einmal auf einer kleinen Solidaritäts-Demo vor 2 Jahren, weil die Insassen sich mehrfach über die katastrophalen Zustände beschwert haben. Durch den circa 2m hohen Zaun mit Stacheldraht drauf (weil wir nicht reindurften), berichteten sie von ungereinigten, kaputten sanitären Anlagen, schlechtem und ungesundem Essen (das wird übrigens von Dussmann geliefert - ja, die machen wirklich noch einiges mehr als Bücher und "Kulturhaus"!!!!), täglichen unwürdigen Schikanen, die oft auch rassisitische Züge annähmen,... Es gab im Hof ein paar Kinder, jemand hat ihnen einen Ball über den Zaun zugeworfen und sie eingeladen nach draußen zu kommen...der Eingangswächter in Uniform hat es ihnen verwehrt. Also befand sich damals schon das "Lager" in einem äußerst schlechtem Zustand. Die Lage hat sich seitdem sicher nicht verbessert. Wenn man bedenkt, dass das deutsche System darauf ausgerichtet ist, etwas über 99% der Migrant_innen, die in einer solchen Unterkunft, wie zB der in der Motardstraße, wieder loszuwerden (nur etwas unter 1% der gestellten Asylanträge wird stattgegeben), dann ist es doch aus bürokratischer Logik nachvollziehbar, dass sie es den Menschen dort möglichst ungemütlich machen!

     

    Ja, zurück zur konkreten Situation heute: Wenn ich mir vorstelle, man verspräche mir, eine Unterkunft für mich und meine Familie zu besorgen und wir fahren etwa eine Stunde U-Bahn nach Spandau raus, dann laufen wir erstmal eine halbe Stunde durch ein trostloses Industrieviertel mit ziemlich giftig und wuchtig aussehenden Abgasen, die aus riesigen Schornsteinen in die Luft gestoßen werden, dann laufen wir eine Weile an einer hohen Mauer entlang und kommen schließlich an ein Metalltor. Ein Wächter in Uniform blökt unwirsch, dass wir irgendetwas nicht richtig gemacht haben, schließlich werden wir einzeln durch das metallene Drehkreuz gelassen. Dann gucken wir uns die Räumlichkeiten an: kaputte Kacheln im siffigen Baderaum, überfüllte Räume mit Hochbetten (und in Gedanken: werde ich mit meiner Familie in einem Zimmer untergebracht werden? Wie werde ich mit meinen Nachbarn kommunizieren? Komme ich hier jemals raus, wenn die Politiker nicht mehr hier sind? Warum sehen alle Leute hier so deprimiert aus?) und beschließe: NEIN, hier will ich unter keinen Umständen noch länger als 2 min bleiben, geschweige denn hausen! Dann lieber doch im Görli kampieren.

     

    Und wenn ich dann einen solchen Kommentar, wie den von "denninger" lese ["Andererseits finde ich es auch sehr befremdlich, dass angebotene Unterkünfte mit doch sehr arrogant klingenden Argumenten abgelehnt werden und konkrete Ansprüche angemeldet werden. Es steht jedem frei, Forderungen aufzustellen. Wenn diese jedoch nicht erfüllt werden (können oder müssen) sollte dann aber auch nicht über den "Sch...staat" lamentiert werden."]

    ....dann könnt ich kotzen. Lieber Denninger, mach Dich doch mal auf den Weg zur Motardstraße und überzeug Dich selbst. Du wirst sehen, ALLES dort ist hässlich, und die Menschen sind hoch erfreut über Besuch aus der normalen Welt, denn ihr täglicher Umgang mit "den Deutschen" beschränkt sich auf die langen Finger der Abschiebe-Bürokratie und auf die Gefängnis-like-Aufseher!

     

    Mit solidarischen Grüßen an alle AntiRa-Aktivist_innen auf der Welt und an alle Menschen, die sich gerade in den Mühlen der rassisitischen deuschen Ausländergesetzgebung befinden,

    Caro.

  • D
    denninger

    Zunächst einmal möchte ich ein großes Lob an die "New Yorcker" aussprechen. Das ist toll was Ihr da macht. Hier braucht auch keiner blöde herumzupolitisieren, es ist einfach ein wirklich soziales Verhalten.

    Dass Roma in manchen EU-Ländern auch oder gerade von staatlichen Stellen massiv diskriminiert werden ist leider traurige Realität. Dass sie stattdessen lieber in Deutschland leben möchten ist verständlich. So gesehen, "Volker", sind das auch Flüchtlinge. Ob sich dieser Status auch auf ein Recht auf Aufenthalt in Deutschland ausweiten lässt wage ich zu bezweifeln. Das hat weniger mit "Faschostaat" zu tun als mit der EU-Freizügigkeit. Diese ist an sich eine wirkliche Freiheit, jedoch nehmen sich die EU-Staaten das Recht heraus, EU-Migranten nicht zu unterstützen. Darüber kann man jetzt lange diskutieren, aber darum geht es hier erst einmal nicht.

    Andererseits finde ich es auch sehr befremdlich, dass angebotene Unterkünfte mit doch sehr arrogant klingenden Argumenten abgelehnt werden und konkrete Ansprüche angemeldet werden. Es steht jedem frei, Forderungen aufzustellen. Wenn diese jedoch nicht erfüllt werden (können oder müssen) sollte dann aber auch nicht über den "Sch...staat" lamentiert werden.

  • VV
    Volker Vonssen

    Warum fragt eigentlich keiner der Reporter mal bei der rumänischen Botschaft nach, wie die das Problem lösen wollen. Ist doch schliesslich deren Problem, da es sich um rumänische Bürger handelt. Den Begriff "Flüchtling" verstehe ich in diesem Zusammenhang eigentlich auch nicht, aber vermutlich bin ich zu schlicht im Geiste :-)

  • E
    Erwin

    Spitzenklasse! Erst 50 oder 60 Menschen, nun 90, kommende Woche 200, im kommenden Jahr 2000. Die Roma haben es echt drauf, die "KleinenFingerGeber" am Nasenring durch die Manege zu ziehen.