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Internetsperren gegen KinderpornosKoalition will löschen und sperren

Kritiker halten das Sperren von illegalen Internet-Seiten für ineffizient und fordern die direkte Information der Provider. Jetzt geben Union und SPD ein wenig nach.

Kritiker der Internetsperren haben sich im AK Zensur zusammengeschlossen. Bild: screenshot ak-zensur.de

Die Koalition geht im Kampf gegen Kinderpornografie auf ihre Kritiker zu. Künftig soll verstärkt versucht werden, kinderpornografische Webseiten direkt an der Quelle zu löschen. "Löschen geht vor Sperren" sei die neue Maßgabe, so die CDU-Verhandlungsführerin Martina Krogmann zur taz. Auf Internetsperren will die Koalition aber weiterhin nicht verzichten.

Ein umstrittener Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Internetfirmen künftig den Zugang zu ausländischen Kinderporno-Seiten sperren oder zumindest erschweren müssen. Das Bundeskriminalamt soll täglich eine Liste der zu sperrenden Seiten zusammenstellen. Wer als Internetsurfer in Deutschland versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, wird zu einer erläuternden Stopp-Seite weitergeleitet.

Die im AK Zensur zusammengeschlossenen Kritiker von Internetsperren befürchten, dass dies nur der Einstieg in eine allgemeine Internetzensur sei. Die neue Infrastruktur des BKA werde bald auch gegen illegale Musiktauschbörsen und andere missliebige Inhalte eingesetzt.

Zuletzt haben die Gegner aber vor allem die Ineffizienz der Sperren angeprangert. Diese seien leicht zu umgehen und versteckten die Bilder von missbrauchten Kindern nur, statt sie ganz aus dem Netz zu entfernen. Sie fordern deshalb vehement, die Sperrpläne aufzugeben. Stattdessen solle das Bundeskriminalamt direkt die ausländischen Provider informieren, auf deren Servern Kinderporno-Seiten lagern. Diese Provider würden dann sofort und freiwillig die Seiten löschen, um sich nicht selbst strafbar zu machen, erklären die Kritiker.

Wie effizient die direkte Ansprache von Providern sein kann, zeigt eine Studie der Uni Cambridge. Wenn Banken sich gegen Phishing-Betrugsseiten wehren, werden diese von den informierten Providern im Schnitt nach vier Stunden vom Netz genommen. Bei ausländischen Kinderporno-Seiten dauert es dagegen im Schnitt rund drei Wochen, bis die Provider reagieren. Als Grund haben die Forscher Tyler Moore und Richard Clayton ausgemacht, dass die private englische Internet Watch Foundation nicht direkt die Provider anspreche, sondern ihre Information nur an ausländische Polizeidienststellen und Beschwerde-Hotlines weitergebe.

Den gleichen Fehler plane nun auch das Bundeskriminalamt, so Alvar Freude vom AK Zensur. Auch das BKA wolle nur ausländische Polizeidienststellen über gefundene Kinderporno-Seiten informieren. "Offenbar sind für das BKA bürokratische Abläufe ein höheres Gut als die Menschenwürde missbrauchter Kinder", so Freude.

Die Kritik ist in der Koalition angekommen. Künftig soll das BKA auch die ausländischen Host-Provider informieren, so die CDU-Abgeordnete Krogmann zur taz. Geplant sei aber nur eine Information über die Sperre - und kein Verzicht auf derartige Zugangsblockaden. Die Sperren seien weiterhin erforderlich, so Krogmann, falls Provider die Information aus Deutschland einfach ignorierten. Das BKA habe im Ausland schließlich keine Hoheitsrechte.

Bei einer Anhörung im Bundestag hatte das BKA vor allem Provider in Russland, Osteuropa und in der Karibik als unkooperativ dargestellt.

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14 Kommentare

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  • A
    Anna

    jahrelang hat es niemanden interessiert,was mit den vielen Kindern die tagtäglich missbraucht und gequält werden passiert.Nun wo die Politik endlich einmal aktiv dagegen vor gehen will,kommen die Gegner und schreien auf.

    Zitat:: Zensur ist eine seit Jahren etablierte Täterargumentation und so etwas sollte man nicht übernehmen.

    Die Präsentation statt gefundener Misshandlungen an Kindern hat nichts mit Meinungs- und Pressefreiheit zu tun.Falsche Baustelle!

    Die Gegner werfen der Politik vor,sie würden nichts machen,dabei haben die Gegner selbst jahrelang nichts gemacht und zugeschaut!!!

    Es ist einfach immer mit dem Finger auf andere zu zeigen,aber nicht mal bei sich selber zu schauen.

  • MN
    Michael Noack

    @Michael Reinhold

     

    Und genau ihre Aussage ist das Problem. Internetsperren sorgen eben NICHT dafür, dass die Inhalte verschwinden, sie sorgen eben NICHT dafür, dass auch nur ein Kind weniger leiden muss und sie taugen schon gar NICHT dafür der Polizei Beine zu machen. Bestes Beispiel sind die skandinavischen Sperrliste. Mehrfach wurden Listeneinträge von verschiedenen Organisationen untersucht und die betreffenden Provider damit konfrontiert. Die Erfolgsquote betrug in allen Fällen 100%. Da fragt man sich, was die schwedische, dänische oder deutsche Polizei den ganzen Tag machen, wenn Privatpersonen die Inhalte binnen Tagen aus dem Netz bekommen, die sich seit Monaten, teilweisen Jahren, auf obskuren Sperrlisten befinden.

     

    Sperrlisten fördern Kinderpornographie. Das muss man ganz klar so sagen. Bei Kinderpornographie besteht Handlungspflicht. Sobald Seiten in eine Sperrliste eingetragen wurde, haben die Polizeibehörden diese Pflicht erfüllt und können den Fall abhaken. Wer Kinderpornographie bekämpfen will, muss also gegen Sperrlisten sein. Sperrlisten sorgen dafür, dass die Inhalte zugänglich bleiben, statt diese zu entfernen!

  • MR
    Micha Reinhold

    Ich versteh die ganze Aufregung der Internet-Benutzer nicht, die sich vor Zensur fürchten. In jedem Medium gibt es zu Recht eine gewisse Art von Zensur - damit etwa ekelhafte Verbrechen wie die Vergewaltigung von Kindern nicht noch durch eine Zurschaustellung für Voyere gefördert werden. In keinem anderen Medium sind solche Bilder denkbar. Warum soll es sie im Netz geben? Das Internet ist doch kein rechtsfreier Raum, in dem jeder machen kann, was er will. Und wenn es so wäre, so sähe man daran, wie wichtig es ist, das zu ändern. Ob die Gegenmaßnahmen erfolgversprechend sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Morde und Vergewaltigungen sind auch verboten und werden verfolgt, und doch können niemals ganz verhindert werden.

  • MM
    Max Maier

    Wenn das so ist wundert mich dass monatelang deutsche Adressen auf den Sperrlisten drauf sind.

  • BV
    Brian von Nazareth

    Ich erwarte eigentlich täglich, dass mir das rote Stopp-Schild beim Aufruf von www.taz.de aufspringt und mir der schwäbische DonRollo, assistiert von seiner schlanken Zypries, entgegenruft: "Deine IP-Nummer ist jetzt gespeichert, du Terrorist!"

  • LH
    Leon Hartner

    Von wegen "geben nach" bis jetzt ist die Sorge der Kritiker gewesen, dass auf den geheimen Sperrlisten auch Websiten auftauchen, die keinerlei KiPo präsentieren.

    Jetzt werden zwar die Listen wahrscheinlich noch von einem Richter oder Gremium geprüft... aber dafür tönt ein so prominenter Innenpolotiker wie Dieter Wiefelspütz man sollte doch gleich noch politisch mißliebige Websites in den Gesetzestext integrieren...

  • AS
    Andreas Schmidt

    Ich habe leichte Zweifel an der angeblichen Unwilligkeit auf russischer Seite. Mein Eindruck aus Unterhaltungen mit russischen CERT-Experten und solchen aus westeuropäischen Ländern war, dass nach den massiven Vorwürfen gegen die russische Regierung aufgrund der Estland-Cyberattacken ein Richtungswechsel der russischen Internetpolitik angegestrebt ist. Man will weg aus der Ecke der halbseidenen Viren-, Spam-, Malware- und Crackware-Schleudern. Diese Inititive wurde wohl aus dem russischen Außenministerium (!) gesteuert, wenn ich micht recht entsinne, auf Staatssekretärsebene. Wie nachhaltig dieser Wandel der russischen Internetpolitik ist, wäre zu prüfen. Wenn er es ist, sollte sich eine Kooperationsbereitschaft russischer Internetprovider und Hoster über die russische Regierung herbeiführen lassen. Die Argumentation des BKA muss man daher einmal mehr und einstweilen für substantlos halten.

  • DE
    Dr. E. Schreck

    Interessant bleibt, welchen vehement öffentlich debattierten Stellenwert die Internetzensur seitens der Politik hat, die genaugenommen nur ein Symptom behandelt, anstatt diese Energie gegen den tatsächlichen Kindesmissbrauch zu richten, für Aufklärung, für den Schutz der Kinder, für das Aufspüren der Kinderpornoringe, für deren Bestrafung und die Therapie (und evtl., je nach "Gestörtheitsgrad" auch die Bestrafung) Pädophiler, sprich: diese Energie an den Wurzeln anzusetzen anstatt sich mit sinnlosen Stoppschildern abzumühen. Wenn man sich dieses Missverhältnis mal genauer anguckt, muss man doch annehmen, dass es tatsächlich nicht um die Kinder, sondern um die Kontrolle des Netzes geht. Das ist doch so offensichtlich, dass sich entsprechende "Kinderschützer" eigentlich dafür schämen müssten, wie sehr sie die Kinder im Stich lassen und sich um Freiheitsbeschneidungen bemühen.

  • FM
    Filip Moritz

    Endlich! Der Weltfrieden ist greifbar!

     

    Wir machen einfach unsere Grenzen für böse Bilder und schlechte Nachrichten dicht und leben glücklich bis an unser Lebensende.

  • J
    Joe

    mit polizeilichen Mitteln alleine wird man den Angriffen aus dem Netz nicht Herr. Das Militär sollte ausgebildet und ermächtigt sein, bestimmte Anbieter im anarchischen Web anzugreifen. OK-Angriffe laufen unter Beteiligung von Parteien in mehreren Ländern, die Polizei alleine ist bei solchen Modi-Operandi machtlos und nicht in der Lage das Volk zu schützen.

  • K
    kalle

    Ich hoffe, dass sich der "Löschen vor Sperren"-Plan durchsetzt. Ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, wie man über eine Alternative auch nur nachdenken kann...

  • H
    hitd

    Dann kann doch das Löschen sofort losgehen. Die INHOPE-hotline jugendschutz.net verfügt aus § 18 JMStV über die notwendigen Befugnisse. Das BKA muß nur die Liste übergeben, es gibt keinen Grund zu warten.

     

    Außerdem haben die INHOPE-Leute wohl auch die notwendige Erfahrung, wer in welcher Reihenfolge anzusprechen ist. In der Anhörung hat das BKA diesbezüglich eine Menge Bedarf an Nachschulung in Internetfragen erkennen lassen.

  • KK
    Kurzer Kommentar

    Kuhdung lässt sich bekanntlich nicht polieren und hier wurde vermutlich nur Kosmetik betrieben, die Gefahr der Internetzensur besteht weiterhin. Art5 GG darf nicht angerührt werden!

    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

     

    Jeder hat das Recht, (...) sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (...).Eine Zensur findet nicht statt.

  • J
    Julian

    Wenn weltweit Webhoster (auch in Russland!) Phishing-Sites innerhalb von Stunden bereitwillig runternehmen, warum sollten sie es dann bei KiPo nicht tun wollen?! Und warum hat das BKA bisher noch nicht einmal versucht, die Provider zu kontaktieren?

     

    Überhaupt: Das BKA liefert Zahlen, die einen Anstieg von KiPo belegen sollen. Das BKA soll ermächtigt werden, ohne Gegenkontrolle das Internet zu filtern. Fällt jemandem was auf?