piwik no script img

Kampf gegen KinderpornoseitenSperrlisten werden kommen

Die große Koalition verständigt sich auf ein unabhängiges Kontrollgremium beim Datenschutzbeauftragten, das BKA-Sperrlisten regelmäßig prüfen soll.

In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Änderungen am Gesetzentwurf für Internetsperren. Bild: dpa

Jetzt wird es ernst mit den Internetsperren. Am Donnerstag soll der Bundestag das entsprechende Gesetz beschließen. In den vergangenen zwei Wochen hat eine Koalitionsarbeitsgruppe zahlreiche Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen. Und am Wochenende hat der SPD-Parteivorstand weitere grundsätzliche Änderungen gefordert. Die im Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur zusammengeschlossenen Gegner lehnen den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur ab.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Internetfirmen künftig den Zugang zu Kinderpornoseiten sperren oder zumindest erschweren müssen. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll täglich eine Liste der zu sperrenden Seiten zusammenstellen. Wer als Internetsurfer in Deutschland versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, wird zu einer erläuternden Stoppseite geleitet.

Die Verhandlungsführer der Koalition, Martina Krogmann (CDU) und Martin Dörmann (SPD), haben nun zumindest die Kontrolle der Sperrliste verbessert. Ein unabhängiges Kontrollgremium soll mindestens alle drei Monate die Liste anhand von Stichproben überprüfen. Das Gremium kann die Liste auch "jederzeit" einsehen, wie es in einer der taz vorliegenden aktuellen Arbeitsfassung des Gesetzentwurfs heißt. Das Kontrollgremium soll aus fünf Experte bestehen, die vom Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar ausgewählt werden.

Um zu verhindern, dass legale oder andere verbotene Inhalte auf der Kinderporno-Sperrliste landen, steht Betroffenen aber auch der Rechtsweg offen. Gegen eine Falschlistung ihrer Seiten können sie beim Verwaltungsgericht klagen.

Auch der Datenschutz wird verbessert. "Verkehrs- und Nutzungsdaten, die bei der Umleitung auf die Stoppseite anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden", heißt es im neuesten Gesetzentwurf. So soll verhindert werden, dass man, versehentlich auf einer Kinderpornoseite gelandet, mit einem Ermittlungsverfahren rechnen muss. Eine zeitweise Speicherung der IP-Adressen von Surfern, die auf einer Stoppseite landen, wird aber ausdrücklich erlaubt.

So weit sind sich Union und SPD bereits einig. Dissens besteht aber noch in drei Punkten, über die die Koalitionsarbeitsgruppe am Montagabend beraten will. Die SPD will die Sperrlisten nicht im Telemediengesetz regeln, sondern in einem speziellen "Zugangserschwerungsgesetz". Dies soll symbolisch deutlich machen, dass es bei den Sperrlisten nur um Kinderpornografie geht - und nicht um illegale Musiktauschbörsen, verfassungsfeindliche Inhalte oder Killerspiele. Hieran wird das Gesetz sicher nicht scheitern, zumal ein spezielles Gesetz später auch problemlos für andere Zwecke erweitert werden kann.

Außerdem will die SPD das Gesetz über Internetsperren auf drei Jahre befristen. Das könnte für die CDU eine höhere Hürde sein. Denn in einer derzeit erwarteten schwarz-gelben Koalition müsste sie die FDP davon überzeugen, das Gesetz zu verlängern. Und die FDP ist eher noch skeptischer als die SPD.

Die größte Hürde dürfte die SPD-Forderung "Löschen vor Sperren" darstellen. Im Forderungskatalog des SPD-Parteivorstands heißt es dazu: "Das BKA muss bei Seiten mit kinderpornografischem Inhalt verpflichtet werden, zunächst die Dienstanbieter zu kontaktieren, damit die Seiten gelöscht werden."

Das ist in der bisherigen Arbeitsvorlage aber nicht vorgesehen. Danach sollen bei Seiten, die im EU-Ausland gehostet werden, zunächst die zuständigen Behörden informiert werden, nicht aber die Provider. Im außereuropäischen Ausland soll sofort gesperrt werden. Die Provider sollen laut Gesetzentwurf zwar parallel zur Sperre benachrichtigt werden - aber nur wenn der Hostprovider in Deutschland sitzt, was natürlich die absolute Ausnahme ist. Hintergrund des Streits: Das BKA weigert sich (aus Rücksicht auf die Partnerpolizeien im Ausland), direkte Kontakte zu ausländischen Privatfirmen aufzunehmen. Sperrgegner gehen davon aus, dass eine direkte Information der Hostprovider zur schnellen Löschung von Kinderpornoseiten führen und Sperren im deutschen Netz überflüssig machen würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • P
    petitionsforum.de

    Markus Barthel schrieb:

    "Illegale Inhalte kann man löschen lassen und die Verantwortlichen verfolgen. Zensur braucht man dagegen nur bei legalen Inhalten, die verschwinden sollen."

     

    Ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht:

    Gelöscht werden können nur solche Inhalte, die im Land des Hosters illegal sind.

    [bei KiPo ist das *kein* Problem.]

    Aber das Internet ist global, also müssen wir damit leben, daß auch solche Inhalte abrufbar sind, die nicht unserer Rechtsnorm entsprechen.

    Bei wirklich kriminellen Inhalten muß man auf internationaler Ebene Übereinkünfte treffen.

    Fraglich, ob unsere lieben Politiker soweit denken.

  • CK
    Christian K.

    Kann Herrn Barthlet nur zustimmen

     

    Der AK -zensur hatte ja jüngst einen Test gestartet

    ud festgetellt es gibt keine kommunikationsproblem,

    bzw. Kooperationsprobleme mit Internet-providern, gemeldete KiPO-seiten wurden unbürokratisch und umgehend vom Netz entfernt.

     

    http://ak-zensur.de/2009/05/loeschen-funktioniert.html

     

    Wozu also die ganze Schaumschlägerei ?

     

    Ach ja, Herr B. beantwortete diese Frage ja schon mit seinem letzten Satz ...

    ;-)

  • S
    Salü

    Hallo,

    nun wird wohl leider die Zensur in Deutschland eingeführt !!

    Es ist schade, aber dadurch ist klar wer für mich bei der Bundestagswahl NICHT wählbar ist.

     

    Es gab mal eine finstere Zeit in der von "entarteter Kunst" gesprochen wurde... nun wird es bald entartets Internet geben...

     

    traurig und enttäuscht

    Salü

  • MB
    Markus Barthel

    Allein die Tatsache, dass Kinderpornografie im Internet nach diesem Gesetzentwurf gar nicht gelöscht sondern nur verdeckt werden soll und auch in der Vergangenheit vom BKA fast nichts für Löschung und Strafverfolgung unternommen worden ist, lässt doch erkennen, dass es hier gar nicht um Kinderpornografie geht.

     

    Die Intention ist es eine Zensurinfrastruktur aufzubauen, mit der die Regierung auch ihrer Moral entgegenstehenden und politisch unbequeme Inhalte loswerden kann.

     

    Vor der Europawahl dachte Wiefelspütz laut über eine Ausweitung der Sperrung nach und wurde von der CDU zurückgepfiffen, mit der Begründung man dürfe jetzt noch nicht darüber nachdenken damit die Öffentliche Debatte nicht in Schieflage gerate. Nach der Europawahl fordert der Schwiegersohn (CDU) von Innenminister Schäuble bereits eine Sperrung von Internetspielen mit Gewalt.

     

    http://www.heise.de/newsticker/Wiefelspuetz-will-Internet-Sperren-ausweiten--/meldung/140008

    http://www.heise.de/tp/blogs/6/140330

     

    Illegale Inhalte kann man löschen lassen und die Verantwortlichen verfolgen. Zensur braucht man dagegen nur bei legalen Inhalten, die verschwinden sollen.