Intiative gegen "Gender Pay Gap": Frauen verdienen es nicht
Seit Jahren bekommen viele Frauen rund ein Viertel weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Ein Aktionsbündnis sammelt jetzt Unterschriften dagegen.
Jana Jensen* ärgert sich seit Jahren, wenn sie einen Vertrag unterschrieben hat und ihn zu Hause mit dem ihres Lebenspartners vergleicht: schon wieder weniger Geld als er.
Die Berlinerin und ihr Freund sind freiberufliche Schauspieler. Die beiden spielen an Theatern überall in der Republik: Halle, Leipzig, Schwäbisch-Hall, an privaten und an staatlichen Häusern, oft zur selben Zeit im selben Stück. Jana Jensen, 34, spricht zackig, sie ist eine Frau, über die der Volksmund sagen würde: Die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie sagt: "Martin* bekommt immer mehr Geld als ich." Er rund 250 Euro für eine Vorstellung, sie 200 Euro, bei längeren Engagements bekam sie schon mal 200 Euro weniger Monatsgage.
Der Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, beträgt in Deutschland seit Jahren 23 Prozent. Auch dann, wenn Frauen die gleiche Arbeit machen wie ihre Kollegen, wenn sie genauso qualifiziert und genauso gut sind wie sie.
Verbände wie der Deutsche Frauenrat, Business and Professional Women Germany und der Verband deutscher Unternehmerinnen kämpfen seit Jahren dagegen. Jetzt startet das Aktionsbündnis equal pay day eine Unterschriftenaktion mit dem Titel "Mannsbilder? Weibsbilder? Neue Bilder!" Die Aktion dauert bis zum Equal Pay Day am 25. März und umfasst damit jene knapp drei Monate, die Frauen länger arbeiten müssten, um genauso viel Geld zu bekommen wie Männer in einem Jahr.
Ein Grund für die Lohnlücke ist, dass Frauen öfter als Männer in Teilzeit arbeiten und häufiger und länger ihren Job für die Familie verlassen. Das ist aber auch ein Vorurteil - gern gebraucht von Männern.
Fälle wie der von Jana Jensen zeigen das. Sie und ihr Mann spielen oft in gleichwertigen Rollen. "Kaum jemand weiß aber, dass wir ein Paar sind", sagt die Künstlerin. In einem Personalgespräch, in dem sie sich über ihre schlechtere Bezahlung beschwert hatte, soll die Personalchefin geantwortet haben: "Das war schon immer so."
Beim Deutschen Bühnenverein ist die geschlechterbedingte Lohnlücke bislang kein Thema. Dem Interessen- und Arbeitgeberverband der Theater und Orchester zufolge gibt es in Bühnentarifverträgen keine "formalen Unterschiede". Kollektive wie Orchester, Opernchor und Tanzgruppen arbeiten nach jeweils einheitlichen Tarifverträgen. Schauspieler, Sänger und andere Solisten handeln ihre Verträge selbst aus.
Sind Frauen also selbst schuld, weil sie schlechter verhandeln? Nein, sagt Elke Holst, Arbeitsökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: "Sie haben nur zu wenig Vergleichsmöglichkeiten." Frauen wissen vielfach nicht, was Männer in einer gleichwertigen Tätigkeit verdienen. Elke Holst: "Sie vergleichen ihren Gehaltszettel häufiger mit dem der Kollegin als mit dem des Kollegen. Es mangelt an Transparenz."
Die gibt es in Norwegen und in Schweden. Dort werden einmal im Jahr die "Skattelister" und der "Taxeringskalender" veröffentlicht. Jeder kann in diesen Steuer- und Verdienstlisten nachlesen, was der Nachbar, der Kollege und der Chef verdienen.
Vor ein paar Wochen sorgten Studien für Aufregung, die herausgefunden haben wollen, dass es Frauen gar nicht so schlimm finden, wenn sie weniger Geld bekommen. Thomas Hinz, Soziologe an der Uni Konstanz, die eine dieser Studien durchgeführt hat, relativiert die Ergebnisse mit dem "Gewöhnungseffekt": "Normative Orientierungen und institutionelle Möglichkeiten beeinflussen das persönliche Empfinden." Übersetzt heißt das: Viele Menschen, auch Frauen, halten es für gerecht, wenn Frauen 10 bis 12 Prozent weniger verdienen als Männer. "Aber nur", sagt Hinz, "wenn die Situation nicht so dramatisch dargestellt wird."
Die Konstanzer Forscher fragten verschiedene Komponenten wie Beruf, Leistung und Prestige ab, hoben die Komponente Geschlecht aber nicht explizit hervor. Thomas Hinz: "Da wirken Geschlechterstereotypen nach. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, dass Familienarbeit hauptsächlich von Frauen geleistet wird." * Namen geändert
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