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EU-GrenzwerteFeinstaubsünden kosten künftig Strafe

Kommunen müssen die EU-Grenzwerte für Feinstaub ab sofort einhalten, sonst drohen Strafzahlungen. Umweltverbände kündigen bereits Klagen an.

Hannover hat die Umweltzone, andere Städte hinken mit der Planung dagegen hinterher. Bild: ap

BERLIN taz | Seit dem Wochenende müssen die EU-Grenzwerte für die Feinstaubbelastung von allen EU-Mitgliedsländern eingehalten werden. Bis zu 50.000 Euro pro Tag könnten einzelne Städte oder Gebiete zahlen müssen, sollten sie sich ab sofort nicht an die Regelung halten.

Sie ist bereits Anfang 2005 in Kraft getreten und besagt, dass maximal 35-mal im Jahr mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft erlaubt sind. Die EU-Kommission hat Feinstaubsünder bereits mehrmals abgemahnt. Mitgliedstaaten wie Deutschland, Slowenien und Schweden erhielten jedoch für manche Gebiete höhere Grenzwerte und Übergangsfristen, mussten aber nachweisen, das Problem anzugehen. Damit ist nun Schluss. Strafzahlungen hat es bisher noch nicht gegeben, das ist mit dem Ende der Schonfrist jetzt möglich.

Hinzu kommt, dass Umweltverbände nun Kommunen verklagen können, sollten sie sich nicht um das Feinstaubproblem kümmern. Das ermöglicht ein Urteil, dass der Europäische Gerichtshof vor zwei Wochen gefällt hat. Der Verkehrsclub Deutschland, der Naturschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben sich deshalb entschlossen, die Stadt Wiesbaden zu verklagen, sollte sie nicht binnen eines Monats die Errichtung einer Umweltzone zumindest planen.

„Weitere Gebiete und Kommunen werden folgen“, sagt DUH-Sprecher Gerd Rosenkranz. Als eine wichtige Maßnahme, um die Luft sauber zu halten, sehen die Umweltverbände Umweltzonen, von denen es in Deutschland 48 gibt. Dort gibt es Fahrverbote für bestimmte Autos. Allerdings lässt sich die jährliche Feinstaubbelastung durch die Einrichtung von Umweltzonen nach Angaben des Umweltbundesamtes nur um bis zu 10 Prozent reduzieren. Wichtige andere Faktoren sind das Wetter und Kleinfeueranlagen.

Ein Vorreiter bei der Einhaltung der Grenzwerte ist Berlin. Hier gebe es die effektivsten Maßnahmen für die Reinhaltung von Luft, sagt Rosenkranz. Die Schlusslichter bei der Feinstaubbelastung bilden die Städte Reutlingen mit bis zu 51 Tagen über dem Grenzwert und Tübingen mit 48 Tagen zu hoher Belastung.

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10 Kommentare

 / 
  • K
    Karl

    @ Torsten,

     

    hast Du das eigentliche Problem überhaupt verstanden?

     

    Niemand bestreitet die Schadwirkung von lungengängigen Partikeln.

     

    Hier wurde wiederholt erläutert, dass es nach derzeitiger Sachlage keine "wirksamen Schutzmaßnahmen" gibt! In die gegebenen Systemgleichgewichte kann nämlich mit der Maßnahme "Umweltzone" nicht in wirksamem Maße eingegriffen werden......

     

    Wobei sicher niemand Einwände gegen möglichst emissionsarmen Verkehr hat, nur ändert auch in solcher praktisch nichts an einer gegebenen Ortsdosis problematischer Partikeldichten.

     

    Das sind keine Ausflüchte sondern messbare physikalische Tatsachen. Hast Du nicht zufällig eine naturwiss. belastbare Besserungsmethode?

    Jeder Magistrat einer morphologisch so beeinträchtigten Gemeinde wird Dir den Allerwertesten küssen für die Lösung!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • T
    Torsten

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Signifikant ist die gesundheitliche Beeinträchtigung von Menschen - bes. Frauen und Kindern - im näheren Umfeld von höher belasteten Straßen (Mortalitätsrate). Diese gesundheitliche Gefährdung / Reduzierung lässt sich in bare Münze umrechnen. Die Kosten stehen in keinem Verhältnis zu den 50.000 € Strafe. Es ist also ein Problem der Gesundheitsvorsorge, das hier mittels Strafen für die schlafmützigen und arroganten Städte/Gemeinden aufgegriffen wird. Die EU-Verordnung ist einige Jahre alt, jeder wußte was kommt. Höchste Zeit, dass die Wertmaßstäbe auch im Bereich des Städtebaus sich am Menschen und nicht am Kapital orientieren. Kleinklimabelange werden von den übergeordneten Stellen nicht gesehen. Aber wer hat denn die Entscheidung des BVG aus 2007 gelesen bzw. verstanden? Die Autoindustrie jedenfalls hat noch nix kapiert, wenn man das Geschleime hört. Die Städte bekommen Fördermittel für Schutzmaßnahmen, dann muß auf der anderen Seite auch mit Sanktionen gearbeitet werden. - Suchen wir keine Ausflüchte, lösen wir das Problem der Luftbelastung.

  • R
    rwmeilen

    @achimf: Für die Widersprüchlichkeiten gibt es meines Erachtens zwei Erklärungen:

     

    Es ist davon auszugehen, dass kein einziger der Brüsseler Feinstaub-Apparatschiks die erwähnte (im Internet einsehbare) 44-seitige EU-Richtlinie 2008/50/EG gelesen und verstanden hat. Selbst der Fachmann kommt damit nämlich an seine intellektuellen Grenzen. Nicht zu reden von den Politikern.

     

    Früher versuchten Kommunisten und Sozialisten den Staat herunterzuwirtschaften. Dies ohne grossen Erfolg; die Ziele waren für das Volk zu durchsichtig. Das änderte sich schlagartig, als einige Protagonisten ihren Ideologien einen grünen Tarnanzug verpassen und damit vordergründig die Seiten wechselten. Was früher unmöglich war, wurde dadurch plötzlich opportun. Und der Applaus von allen Seiten ist gewährleistet. Es geht ja (nach aussen hin) um das Wohl aller …

  • A
    achimf

    Wenn die Landes- bzw. Kommunalbehörden sich mal intensiv mit der EU-Richtlinie 2008/50/EG beschäftigt hätten, würden sie feststellen, daß u.U. gar keine Grenzwertüberschreitungen vorliegen und schon gar keine Strafen drohen! Die EU-Kommission gibt den Städten viele Möglichkeiten besondere Umstände bei der Ermittlung der relevanten Feinstaubbelastung zu berücksichtigen. Es ist schon länger möglich, die standortspezifischen Ausbreitungsbedingungen, ungünstige klimatische Bedingungen oder grenzüberschreitende Einträge zu saldieren. Neuerdings können auch die natürlichen Feinstaubquellen und die Belastung durch den Einsatz von Streusand und -salz von den

    Tagesmittelwerten abgezogen werden. Die zuständigen Behörden nehmen jedoch diese Möglichkeiten aus unbekannten Grund offensichtlich kaum

    wahr, obwohl dadurch die Anzahl der relevanten Überschreitungstage erheblich nach unten korrigiert werden könnte und damit u.U. überhaupt

    keine lokalen Maßnahmen erforderlich wären!

    Außerdem darf laut EU-Richtlinie das Messgerät nicht in nächster Nähe von Quellen plaziert werden, «um die unmittelbare Einleitung von Emissionen, die nicht mit der Umgebungsluft vermischt sind, zu vermeiden». Anders gesagt, die vorwiegend unmittelbar am Fahrbahnrand erhobenen Messwerte dürfen nicht mit den EU-Grenzwerten zum Schutz der menschlichen Gesundheit verglichen werden. Die EU und die Umweltverbände dürfen sich somit zwar wichtig machen und drohen – mehr aber nicht!

  • T
    Toph

    Hallo Frau Tomic,

     

    werden Kommentare contra Umweltzonen auf taz.de eigentlich nie publiziert oder wie verhält sich das?

     

    Gruß

     

    Christoph

  • T
    Toph

    Bezeichnend, wie sich die Verantwortlichen von 48 Städten und Gemeinden bisher aus der Verantwortung gezogen haben! Sehenden Auges wird eine, den Bürger ggfs enteignende und objektiv nutzlose "Umweltzone" gefrickelt und schon ist das Thema vom Tisch.

     

    Dümmer und kaltschnäuziger sind nur noch die jenigen Städteväter, die nach dieser Pleite jetzt noch das immer schon tote Pferd "Umweltzone" besteigen, anstatt für Verkehrsberuhigung, mehr Öffi und Radwegstruktur sowie weniger Gigantomanie bei Bauvorhaben zu sorgen!

  • R
    Raser

    Kein Wunder, dass Berlin die Grenzwerte einhält - hier kennt man sich mit den Tricks aus. So ist es sicher kein Zufall, dass hier auf dem vierspurigen Autobahnzubringer Schildhornstraße Tempo 30 gilt, das regelmäßig überwacht wird - denn gerade hier steht eine Feinstaubmeßeinrichtung. Das hält die Meßwerte niedrig und in der übrigen Stadt kann fröhlich weitergerast werden.

  • M
    mimi-kri

    na, dann kann man ja nur hoffen, dass der oberscholze hier in hamburg einen auf den deckel kriegt - der und sein wirtschafts- und verkehrssenator horch sprechen sich in der jubel-umwelthauptstadt ja gegen sämtliche umweltschutzmaßnahmen aus:

    nicht nur gegen eine umweltzone und die stadtbahn, sondern z.b. auch gegen landstrom für kreuzfahrschiffe, die die umliegenden viertel mit schwarzem, giftigen ruß verdrecken.

  • K
    Karl

    Der übliche Dummenfang. Nichts verstanden, aber verbieten....

     

    Die Konzentration schwebfähiger Partikel ist primär eine Funktion von Geländemorphologie und Wetterlage

    (Inversionsproblem).

     

    Zudem ist der tatächliche Nachteil der verschiedenne Quellen zu berücksichtigen, auch das wird bewußt nicht gemacht!

     

    Die Verbotszonen sind lächerliche Augenwischerei. Denn dort wo die Morphologie und ein Mangel an Konversionslage ausreichenden Luftaustausch nicht

    zulassen, wird es wenig oder keine Überschreitungen geben. An anderen Orten wird sich die Belastung selbst bei Einstellung des Verkehrs nicht signifikant drücken lassen!

     

    Stuttgart oder Marburg wären dafür Beispiele......, aber selbst der Großraum FFM, wo anläßlich von Vulkanausbrüchen neulich der Luftverkehr ruhte,

    ließ kaum Besserungen in der Luftqualität nachweisen!

     

    Was aus der cleveren Sicht von Fraport natürlich die angebliche Unschädlichkeit des Flugbetriebs "beweise". Das ist natürlich wiss. Unfug, vielmehr ließ sich nur zeigen, dass trotz erheblichen Freisetzungsrückgangs die tatsächlichen Schwebstoffgehalte praktisch nicht zurückgingen. Messwerte von durch Felssturz blockierten schweizer Autobahnregionen zeigen ähnliche Ergebnisse für Partikel und NOx.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • BR
    Bleed Ranner

    Davon abgesehen, dass die Grenzwerte willkürlich und undifferenziert festgelegt wurden, fehlt besonders die Berücksichtigung natürlicher Besonderheiten.

    Ich lebe im Elbtal, welches rein natürlich schlecht durchlüftet ist. Das wussten wir schon bevor Joschka die Mollis weglegte und eine Partei gründete. Dazu kommen Bausünden aus der DDR, die die Hänge, die für die Frischluftzufuhr nötig sind, mit Plattenbauten bestückte. Wir haben also eigentlic keine Chance die Fantasiewerte irgendwelcher Ökodiktatoren einzuhalten, ohne das Leben in der Stadt zum Erliegen zu bringen.