Kolumne Aufm Platz: Mit Abstand
Deutschlands Angriffsspiel war zwar schon besser als in den beiden Partien zuvor – gut war es aber noch lange nicht.
G ießen wir ein wenig Wasser in den Wein, den der Sieg gegen Frankreich auf den Tisch gebracht hat. Es war ein verdienter Sieg und ein gehöriger Leistungssprung nach dem Nigeriaspiel. Aber ein zwingender, überzeugender Auftritt war es nicht.
Und hier geht es nicht um die zwei unnötigen Gegentore nach Eckbällen. Solche Gegentore passieren, sie haben aber nichts mit strukturellen Problemen im Defensivspiel zu tun. Das war lobenswert. Aus dem Spiel heraus kam Frankreich kaum zu Torchancen. Ganze zwei Mal sah die deutsche Abwehr wirklich schlecht aus. Nein, die Probleme liegen weiterhin im Angriffsspiel, so widersprüchlich sich das auch anhören mag bei vier erzielten Treffern.
Zwar gab es auch hier sichtbare Fortschritte: eine höhere Laufbereitschaft und ein viel variableres Positionsspiel der Offensivreihe Bajramaj, da Mbabi und Garefrekes. Aber auch diese Verbesserungen führten nicht zu einem dauerhaft konstruktiven Spiel. Die Probleme im Aufbau waren auch in der dritten Partie eklatant, planvolle Angriffe von hinten heraus eine Seltenheit. Hierfür lassen sich zwei Hauptursachen ausmachen.
Erstens: die hohe Fehlerquote im Passspiel. Gerade im Vergleich mit den ballsichereren Französinnen waren die technischen Mängel einiger Deutscher gut zu erkennen. Zweitens – und vielleicht wichtiger: das schlechte Positionsspiel im defensiven Mittelfeld. Das kam bei eigenem Ballbesitz der Viererkette viel zu selten entgegen, um sich anzubieten oder Bälle nach vorne zu tragen. Die Französinnen störten mit drei Akteurinnen die Viererkette am Spielaufbau. Den großen Freiraum zwischen Viererkette und Mittelfeld ließen sie dagegen unbeackert. Sie wussten, dass die Deutschen damit eh nicht viel anfangen können. De facto blieb dieser Raum zumeist verwaist, der Abstand zwischen der Abwehr und den beiden Sechsen, Simone Laudehr und Lena Goeßling, viel zu groß.
ist Redakteur im WM-Team der taz.
Es handelt sich hier um tiefgreifende Mängel, die dazu führen können, dass das deutsche Spiel stockt, bevor es überhaupt richtig Schwung aufgenommen hat. Mit ein wenig Glück (das 1:0 nach einem Freistoß, das zu einem Zeitpunkt fiel, da die Partie ausgeglichen war und Erstarrung drohte), Effizienz (zwei Tore aus zweieinhalb Chancen) und der Geistesgegenwart von Grings haben die Deutschen dann doch gewonnen. Darauf noch ein Glas Wein! Es hätte auch anders laufen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!