piwik no script img

Proteste gegen Neonazis"Flashmob" zu leise?

Rund einhundert Menschen trafen sich vor dem Reichstag zum stillen Gedenken an die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe. Lautere Proteste sollen folgen.

Kerzen für die Opfer der Neonazi-Gruppe. Bild: dpa

Gut einhundert Menschen trafen sich am Sonntag vor dem Reichstag zu einem "Silent Flashmob" zum Gedenken an die Opfer der jüngst entdeckten rechtsextremen Mordserie. Um Punkt 15 Uhr legten die TeilnehmerInnen auf der Wiese vor dem Parlament weiße Rosen und Zettel mit den Namen der Getöteten nieder. MigrantInnenselbstorganisationen und Einzelpersonen hatten über das Internet zu der Aktion aufgerufen.

Anders als bei einer ersten, von der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD) am vergangenen Sonntag einberufenen Mahnwache vor dem Brandenburger Tor überstieg diesmal die Zahl der Teilnehmer die der anwesenden Fernsehkameras. Auch weniger Politprominenz kam: Die Grünen-Abgeordneten Canan Bayram und Özcan Mutlu, Jan Stöß, Vorsitzender und Stadtrat der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg sowie Kenan Kolat, der TGD-Sprecher.

"Wo ist Klaus?"

Dafür waren unter den TeilnehmerInnen viele junge Berliner Einwanderernachkommen - die die Abwesenheit der Politprominenz durchaus wahrnahmen: "Wo ist Klaus?", fragte einer, der selbst in der SPD ist - er meinte seinen Parteivorsitzenden und Regierenden Bürgermeister Wowereit. Die "Vertreter der oberen Parteietagen" dächten wohl, sie hätten mit einer symbolischen Beileidsbekundigung "ihre Pflicht schon getan", vermutete der junge aus der Türkei stammende Berliner.

"Silent Flashmobs" und Mahnwachen seien vielleicht nicht der richtige Weg, den Protest gegen Rassismus in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, hieß es deshalb am Rande der Veranstaltung. Und so wurde bereits am Ende des "Silent Flashmob" über künftige Protestformen mit größerem Aufmerksamkeitseffekt nachgedacht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • AR
    Alexander Reinke

    Mir kommt etwas komisch vor: Motiviert durch die Finanz- und Eurokrise entstand in Deutschlands Medien eine nie für möglich gehaltene Diskusssion über Kapitalismus, Banken- und Wirtschaftsmacht. Jetzt kommt das Nazithema, das über 10 Jahre von Politik und Medien ignoriert und klein-geredet wurde. Und das angesichts von Informationen, die nach einem Brand auf einer CD und einem USB-Stick "gefunden" wurden, die 10 Stunden lang einem Brand ausgesetzt waren! Jeder halbwegs intelligente Mensch hat eine Vorstellung, was von solchen Datenträgern nach dem Einwirken von Feuer und (Lösch-)wasser übrig bleibt. Es entsteht der Verdacht, daß dieses Thema bewußt als Ersatzthema für die Kapitalismuskritik lanciert wurde. Denn die Systemfrage, die Frage nach Gerechtigkeit mitten in die Gesellschaft zu stellen, ist wohl für die "Herren der Schloßallee" das Schlimmste, was passieren konnte. Wurde dadie öffentliche Aufmerksamkeit bewußt auf ein anderes Thema gelenkt?

  • J
    jana

    Ich würde mir wünschen, dass die TAZ es endlich schafft, rassistische Begriffe und Inhalte zu unterlassen!

     

    "Einwanderer_innennachkommen" ist nur ein neues Wort für Migrationshintergrund und damit genauso rassistisch, weil es Menschen die hier geboren und aufgewachsen sind als 'fremd' konstruiert und somit 'von den richtigen deutschen' (also "weiße"*) ausschliesst. Ist doch total egal wo die Eltern von jemenschen herkommen!

     

    Genau das gleiche gilt für "aus der Türkei stammende Berliner". Warum ist das in diesem Kontext wichtig und woher weiss Wirth das?

     

    Wenn klar gemacht werden soll, dass es um Menschen geht die Rassismuserfahrungen in deutschland machen, warum wird dann nicht die emanzipatorische Selbstbezeichnung People of Color oder (einzahl) Person of Color benutzt?

     

    *mit 'weißen' beziehe ich mich nicht auf eine Hautfarbenkonstruktion sondern auf einen dominanten Status innerhalb der Gesellschaft. 'weiße' sind Menschen, die - ob sie wollen oder nicht - von strukturellem Rassismus und einem rassistischem System profitieren. In/ durch die Medien werden immer noch viele Menschen rassifiziert, in dem Sinne spielt die Hautfarbenkonstruktion noch immer eine wichtige Rolle im deutschen Diskurs (auch wenn diese 'nur noch' durch Begriffe wie Migrationshintergrund' indirekt genannt wird)

  • M
    matias

    Konsequenterweise hätte es doch in dem Text auch EinwandererInnennachkommen sein müssen.