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Kommentar RaketenschildDer kleine "Krieg der Sterne"

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Früher wollte Deutschland den Raketenschild nur unterstützen, wenn die Atommächte abrüsten. Nun soll der Schild aus Ramstein gesteuert werden – ohne Vorbehalte.

US-Basis Ramstein: Da haben die USA alles und die Deutschen nichts zu sagen. Bild: dpa

J ahrelang schauten deutsche Verteidigungspolitiker plötzlich etwas diffus in die Ferne, wenn sie auf den "Raketenschild" angesprochen wurden. Was das für ein Schild sei, vor welchen Raketen er schützen werde - oh nein, dies seien keine Fragen, die Deutschland bekümmern müssten. Die Amerikaner planten da irgendetwas in Polen oder Tschechien. Oder so.

Und jetzt das: Der Raketenschild kommt, und er soll aus dem rheinland-pfälzischen Ramstein gesteuert werden, dem Nato-Stützpunkt, an dem freilich die USA alles und die Deutschen nichts zu sagen haben. Doch nicht nur das. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bietet die deutschen "Patriot"-Raketensysteme als deutsches Scherflein zum Schild an.

Keine Rede ist mehr davon, dass Deutschland den Raketenschild nur unterstütze, wenn die Atommächte ihre nukleare Abrüstung fortsetzten. Das war 2009 ein halbwegs konstruktiver Vorschlag von Außenminister Guido Westerwelle (FDP), nachdem es den USA gelungen war, den Schild zu einem Nato-, sprich einem gemeinsamen Projekt zu machen.

ULRIKE WINKELMANN

ist Co-Leiterin des Inland-Ressorts der taz.

Welche neuen Erkenntnisse über die Notwendigkeit des Schildes de Maizière nun vorliegen, dass er so vorprescht, darüber sagt er nichts. Die iranischen Raketen, um die es einzig geht, sind in der hiesigen Rüstungsdebatte bestenfalls Phantome, über deren Funktionsfähigkeit lustig gemutmaßt werden darf. Auf welcher Grundlage die deutsche Öffentlichkeit nun wohl darüber mutmaßen soll, was Nutzen und Frommen des Raketenschilds sein könnten?

Je nun, sie soll nicht. Es könnte der Eindruck aufkommen, der Raketenschild sei eine Art Rüstungs-Dinosaurier: eine Idee, die zurückreicht in die Epoche megalomanischer Rüstungsprojekte, groß genug, der Blockkonfrontation Ausdruck zu verleihen. Immerhin ist der aktuell skizzierte Schild wahrhaftig nur noch eine Schrumpfversion vom "Krieg der Sterne" Ronald Reagans. Die derzeit veranschlagten Kosten sind angeblich auf relativ bescheidene 200 Millionen Euro gesunken.

Um an diesem Projekt teilzuhaben und vielleicht auch mitzubestimmen, gegebenenfalls Aufträge für die deutsche Industrie herauszuschnitzen, riskiert neben der Nato nun aber auch die deutsche Bundesregierung Ärger mit Russland. Russische Minister haben jahrelang erklärt, dass sie den Schild nur dann nicht als Affront verstehen, wenn er mit ihnen gemeinsam entwickelt wird. Dazu aber mochte sich im Westen niemand durchringen. Auch darin ist der Schild ein echtes Produkt des Kalten Krieges. Der doch seit 20 Jahren vorbei sein soll.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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13 Kommentare

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  • T
    tommy

    @jott de

     

    Ich meine das eigentlich durchaus ernst. In einer gefährlichen Welt, in der Atomwaffen immer weitere Verbreitung finden, muss Europa sich wappnen, um nicht erpressbar zu werden. Das technische know-how ist ja in Europa vorhanden, um uns atomar zu bewaffnen (Deutschland hat ja ganz tolle Atom-U-Boote mit Zweitschlagsfähigkeit an Isreal geliefert), es ist nur eine Frage des politischen Willens.

    Außerdem befürworte ich nicht die Auslöschung nahöstlicher Städte (Bagdad hatte ich übrigens gar nicht erwähnt) und bin auch gegen einen Präventivkrieg gegen den Iran - das Prinzip der nuklearen Abschreckung dient ja gerade der Konfliktverhinderung. Ist zwar aufgrund der damit verbundenen Risiken nicht schön, aber wohl leider unvermeidbar.

    Ihr Angebot, mir Geld für Reisen zu schenken, finde ich übrigens sehr nett - wie wollen Sie mir das denn zukommen lassen?

  • JD
    jott dee

    @tommy: ist das jetzt Ironie/Sarkasmus oder als sachlicher Beitrag gemeint? - Falls das letztere zutrifft, frage ich mich, wie jung und dumm man/frau sein muss, um solche Naivitäten von sich zu geben.

    Mit EINER Atombombe ist es nicht getan, sondern immer nur mit einer Atombombe mehr, als der Gegner hat. Die Debatte ist so stumpfsinnig und ermüdend wie schon in den 70ern und 80ern, als das Zählen der Atomsprengköpfe zur Bürgerpflicht wurde.

    Und: wie menschenverachtend muss ein Kleinbürgerhirn eigentlich arbeiten, um so einen perversen Vorschlag auch nur zu denken. Ich rate Ihnen, mal nach Bagdad oder Teheran zu reisen: sie werden feststellen, dass da Menschen leben! Richtig nette Menschen sogar, vielleicht sogar freundlicher und gebildeter als Ihre Nachbarn hier in Deutschland.

    Ich würde zur finanziellen Unterstützung Ihrer Reise auch beitragen können, falls es nur daran scheitern sollte

  • B
    Bitbändiger

    @vic

     

    Nur um der historischen Wahrheit willen, mein Bester: Schröder hat - aus welchen Motiven auch immer - mit der Verweigerung der Beteiligung am Irak-Krieg eine jahrelange Verstimmung im Verhältnis zu den USA hingenommen, während die damalige Oppositionsführerin Merkel sich nicht zu schade war, dem unsäglich unterbelichteten und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Dabbeljuh in Washington auf dem Schoß herumzurutschen, und z.B. die CDU Berlin-Brandenburg (einschließlich des Ex-Generals Schönbohm) besagtem Dabbeljuh einen ungeheuer peinlichen, kriecherischen "Verzeih-Dem-Deutschen-Volk-Die Sünden-Seiner-Linken-Regierung"-Brief schrieb.

     

    Also, guter @vic: Bitte nicht einfach drauflosstänkern.

  • B
    Bitbändiger

    Das massive Einschreiten gegen die Raketen-Bedrohung aus dem Iran ist sicher ein Verdienst des bekannten deutschen Historikers Michael Wolffsohn (Vorsicht: Kritik an ihm ist Antisemitismus!), der 2003 kurz vor Ausbruch des Irak-Kriegs in der NDR-Talkshow "Talk vor Mitternacht" eindringlich und anschaulich vor dem Langstrecken-Raketen-Arsenal Saddam Husseins warnte, mit dem dieser seine bekannten Massenvernichtungswaffen bis in die äußersten Winkel Europas transportieren könne.

     

    Herr Wolffsohn hat diese Behauptung nie revidiert, geschweige denn sich dafür entschuldigt. Da im Irak bekanntlich weder weitreichende Raketen noch Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, liegt also die Vermutung nahe, dass Saddam dieses Arsenal rechtzeitig vor Kriegsausbruch bei seinen engen Freunden im Iran versteckt hat. Die CIA weiß das sicher auch; der Abwehr-Schirm gegen diese immanente Bedrohung ist also mehr als gerechtfertigt.

     

    Danke, Michael Wolffsohn.

  • T
    tommy

    Eine blöde Idee, zumal das Raketenabwehrsystem ja noch nicht einmal richtig funktioniert und leicht ausgetrickst werden kann.

    Was wir stattdessen natürlich brauchen wäre eine unabhängige europäische (oder, wenn andere Länder nicht mitmachen wollen, auch nur deutsche) Atombombe, um wirkungsvoll Abschreckung betreiben zu können, ohne von den USA abhängig zu sein. Wenn klar wäre, dass wir im Konfliktfall Teheran, Riad, Kairo oder sogar Mekka/Medina auslöschen würden, wäre die islamistische Bedrohung für Europa sicherlich geringer.

    Leider ist die deutsche Öffentlichkeit hierfür wohl nicht bereit, zumal ja aufgrund des idiotischen Atomausstiegs bald die technischen Mittel zum Nuklearwaffenbau für Deutschland verloren gehen.

  • F
    Fritz

    Die Amerikaner sind unsere besten Freunde und der Schirm ist egal.

  • B1
    bonn 1984

    Und wo bleibt die Mobilisierung? Vielleicht wird es Zeit mal wieder eine Millionendemo zu organisieren? Damit die Politiker merken, dass die Friedensbewegung immer noch da ist!

  • V
    vic

    Deutschland ist unter Merkel völlig zum Fifi der USA geworden.

    Was Schröder begonnen hat, treibt sie auf die Spitze.

  • J
    Jawohl

    Na das sind Neuigkeiten. Die deutsche Heuchelei ist beschämend. Zuerst Länder wie Polen und Tschechien kritisieren, wenn sie sich an einem Raketenschild in Europa beteiligen möchten. Dann Genugtuung über das Nichtzustandekommen kundtun. Und am Ende eine führende Rolle bei dieser militärischen Aktion einnehmen. Diese Arroganz und Heuchelei ist typisch für unser Land. Cheers.

  • J
    Jawohl

    Na das sind Neuigkeiten. Die deutsche Heuchelei ist beschämend. Zuerst Länder wie Polen und Tschechien kritisieren, wenn sie sich an einem Raketenschild in Europa beteiligen möchten. Dann Genugtuung über das Nichtzustandekommen kundtun. Und am Ende eine führende Rolle bei dieser militärischen Aktion einnehmen. Diese Arroganz und Heuchelei ist typisch für unser Land. Cheers.

  • RS
    Rainer Schulze

    Es handelt sich wieder einmal um den jahrzehnte alten imperialistischen Hegemonieanspruch des (nicht nur) USA-Kapitals

    um seinen Zugriff auf sämtliche Ressourcen zu sichern

     

    dabei wurdn unzählige Krieg vom Zaune gebrochen, demokarzische Regierungen zu Gunsten diktatorischer Regime

    gestürzt, etc

     

    und nun halten die German wieder mal ihren Arsch hin

    um kostspielige Rüstunsgprojekte zu fördern - als drittgrößtes Rüstungsland ja nicht verwunderlich

  • H
    Horsti

    Alles kommt wieder, Ami go home, Deutschland raus aus NATO.

    Es interessiert die USA nicht im geringsten, ob der nächste Kriegsschauplatz Europa heißt oder ob die NATO/USA Kriege zu Flüchtlingswellen nach Europa führen.

    So ist Europa nicht zukunftsfähig.

  • T
    Tacheles

    Eines muss doch mal klargestellt werden. der sogenannte Raketenschild KANN nur einer Bedrohung durch russische Raketen geschuldet sein. dafür gibt es mehrere Gründe:

     

    1) Selbst FALLS der Iran in den nächsten Jahren Langstreckenraketen entwickeln SOLLTE, wären es niemals so viele, dass ein solches Megaprojekt (wie der Raketenschirm) gerechtfertigt und notwändig wäre um dieser Bedrohung zu begegnen (das gibt die iranische Industriekapazität einfach nicht her).

     

    2) Die Geografie spricht hier Bände. Es geht um den Schutz Kerneuropas vor Angriffen aus östlicher Richtung.

     

    3) Warum lässt man denn die Russen nicht einfach mitmachen?

     

    4) FALLS es irgendwann tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Russland kommen SOLLTE (Gott bewahre, aber ein Angriff auf den Iran könnte zB dazu führen) dann wären die russischen Streitkräfte aufgrund weitgehend veralteter und nicht funktionsfähiger herkömmlicher Waffensysteme sehr bald dazu gezwungen, ihre einzige verbleibende Trumpfkarte auszuspielen: das immernoch erhebliche Nuklearwaffenarsenal.

     

    Ergo: Ein Raketenschild in Osteuropa dient einzig dem aggressiven und kriegerischen Interesse (der NATO), einen Krieg mit Russland in Kauf nehmen zu können.

     

    Moral: böse, gefährlich, menschenverachtend und tollkühn!