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Daniel Cohn-Bendit zur EM"Ich bin irrational gegen Deutschland"

Der Kofraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament über seine Liebe zur französischen Mannschaft, die Notwendigkeit von politischem Protest und den neuen Patriotismus.

"Symbolisch ist das der Anti-Sarrazin": Deutschland-Fans nach dem 1:0 gegen Portugal auf dem Berliner Kurfürstendamm. Bild: imago/Christian Schroth
Jan Feddersen
Jan Feddersen
Interview von Jan Feddersen und Jan Feddersen

taz: Herr Cohn-Bendit, ist es denn überhaupt vertretbar, dass die Fußball-EM in Polen und der politisch fragwürdigen Ukraine ausgerichtet wird? Hat denn das einen europäisierenden Wert an sich?

Daniel Cohn-Bendit: Angesichts der Situation in der Ukraine nicht, das ist wohl wahr. Nun ist es jedoch so, dass dieses Turnier vor vielen Jahren beschlossen wurde. Die politischen Verhältnisse in der Ukraine sind unüberschaubar. Die Repression, der nicht nur Julia Timoschenko, sondern die ganze Opposition ausgesetzt ist, ist offenkundig.

Da böte sich ein Boykott an, nicht wahr?

Das ist tatsächlich die ständige Frage. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass man solch eine Meisterschaft benutzen muss, um dort politisch zu agieren.

Sie Träumer! Bis weit in unser grün-alternatives Milieu hinein ist Politik doch zweitrangig – alles dreht sich nur darum, dass das Löw-Team endlich eine, ja diese Trophäe gewinnt.

Für mich nicht! Ich stehe fest auf beiden blau-weiß-roten Beinen. Und wenn die Blau-Weiß-Roten nicht gewinnen, dann soll es in Gottes Namen Spanien schaffen, weil es nun mal die am besten spielende Mannschaft hat.

dapd
Im Interview: DANIEL COHN-BENDIT

67, ist deutsch-französischer Politiker und Publizist. Seit 2002 ist er Kofraktionsvorsitzender der Grünen im EU-Parlament. Cohn-Bendit wurde in Montauban bei Toulouse geboren und aufgewachsen. 1968 war er einer der Anführer der französischen Jugendrevolte. In den Siebzigern spielte er in der Fußballmannschaft der Frankfurter Spontis.

Was man von Frankreich nicht gerade sagen kann.

Eben. Deswegen bin ich irrational für Frankreich und rational für Spanien. Und irrational gegen Deutschland.

Alter Oppositionsgeist, inzwischen ohne Grund?

Es gibt Dinge im Leben, die man nicht erklären kann. Es ist so.

Mögen Sie sich an eine Erklärung wenigstens heranrobben?

Okay. Ich wuchs in Frankreich auf, lernte in Frankreich Fußball kennen und spielen. Meine ersten Idole waren Franzosen, die große Fußballmannschaft von Rennes, die große Fußballmannschaft 1958 in Schweden, die bei der WM im Spiel um Platz drei Deutschland mit 6:3 geschlagen hat. So ist es.

Wir hören keine Skepsis heraus gegenüber der großen Fußballbegeisterung.

Nein, weil es bei mir keine Skepsis gegenüber Fußballbegeisterung gibt.

Auch kein Widerspruch gegen die schwarz-rot-goldenen Debatten in Deutschland um viel zu viel nationale Begeisterung?

Wenn die Leute Schwarz-Rot-Gold wollen, sollen sie das haben. Ich bin für Blau-Weiß-Rot, fertig. Mein Sohn, der Deutscher ist, ging 2006 zur WM sogar beim Endspiel in Berlin mit blau-weiß-roten Haaren. Soll doch jeder machen, wie er will. Toll finde ich, wenn junge TürkInnen in Schwarz-Rot-Gold durch die Gegend laufen. Symbolisch ist das der Anti-Sarrazin.

Kann Sie denn der neue deutsche Eleganzfußball auch nicht antörnen?

Elegant ist der deutsche Fußball, stimmt. Wenn die Deutschen gewinnen, haben sie es wahrscheinlich auch verdient. Will ich gar nicht leugnen. Aber Fußball ist nicht gerecht, und Leidenschaft für Fußball orientiert sich nicht an Gerechtigkeit. So war die Niederlage von Bayern München ungerecht, aber ich habe mich trotzdem für die Sieger gefreut.

Die streng genommen auch gerecht gewannen.

Ja, wegen Drogba, okay.

Am Ende ist der Sieger der Sieger.

Das ist eben das ungerecht Gerechte am Fußball.

Merkel ist die Buhfrau Europas. Ist ihr Gegenstück der Sympath Joachim Löw?

Politik wird beim Fußball überschätzt. So oder so: Ich würde mich auch riesig freuen, wenn Deutschland die Europameisterschaft gewinnt – denn dann jubelt ein ganzes Land einem Türken zu.

Spielt bei den Deutschen ein Türke mit?

Seien wir nicht naiv, natürlich spreche ich über Mesut Özil. In Deutschland werden Türken, auch wenn sie Deutsche sind, als Türken angesehen. Und plötzlich merken alle, dass ein Türke nicht Türke, sondern Deutscher ist. Das wäre für die Mehrheit verwirrend schön. Ich finde das wunderbar.

Von multikulturellen Irritationen abgesehen: Wir kennen niemanden, der so deutsch spielt wie Özil.

Nein, nein, nein. Mesut Özil spielt eine Mixtur aus französischem und spanischem Fußball. Das ist eine sehr interessante europäische Mischung.

Hätten Sie ihn für Ihre Blau-Weiß-Roten am liebsten adoptiert?

Nein, ich lasse ihn. Ich suche nur händeringend einen neuen Zinedine Zidane in Frankreich. Zugegeben: Man kann mit mir einfach nicht rational über Fußball reden.

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36 Kommentare

 / 
  • ...

    ad ralf ansorge:

    Relevanz? Mir wären ein paar Anworten lieber, wenn es so einfach ist, dann bitte.

  • RA
    ralf ansorge

    lieber von ,würde mich echt mal interessieren was du beruflich machst.wenn du da einfachste dinge so verkomplizerst werden deine kollegen sicher viel freude an dir haben,auf dem bau sehe ich dich eher nicht...

  • ...

    ad Daniel Preissler:

    Nein, so einfach gehts nicht. Mitnichten habe ich nur über einen und schon gar nicht einen selbst erlebten sozialen Druck gesprochen. Mag sein, dass er für viele nicht existiert, mag sein, dass ich und andere ihn dennoch empfinden und lassen wir es mal dahingestellt, dass ich es als sehr naiv ansehe, diesen sozialen Druck zu leugnen - denn wieso, lieber Daniel Preissler, bist du denn "Deutschlandfan"? Aufmerksam meinen Text lesend ließe sich feststellen, dass es mir um gänzlich andere, tieferliegende Dinge geht, welche sich in der Natur der Sache liegend dann schließlich in diesen sozialen Gegebenheiten äußern; äußern, aber nicht in ihnen aufgehen.

     

    Auch ist falsch, ich wollte euch schlicht vom "Daumendrücken" abbringen. Bliebe es beim Daumendrücken, empfände ich das als völlig uninteressant und nebensächlich. Dadurch aber, dass es hier zum einen um durchaus größere, gesellschaftliche Dimensionen geht und vor allem (!) dadurch, dass es auf einem arg unreflektierten, einen "natürlichen Nationalismus" herbeiredenden Denken beruht und eine ernsthafte Kritik an herrschenden Verhältnissen so unmöglich wird, wird Kritik nötig.

     

    In Abwandlung dieser Motivation ging es mir darum, zu Hinterfragen, warum überhaupt selbst bei angeblich linken, kritischen Personen, dieser Affekt, dieses Bedürfnis sich zur Nation affirmativ zu verhalten, besteht. Anstelle mir persönliche Motive unterzuschieben, hätte ich darauf gerne die ausstehenden Antworten.

  • KC
    Kinderschänder Cohn-Bendit

    Ich bin ganz rational gegen Kinderschänder wie Behn-Condit und die Vertuschung durch seine früher Mißbrauch unterstützenden Freunde in den Altmedien wie z.B. der taz:

    http://www.youtube.com/watch?v=M0qvkg2nzg8

     

    Kindesmißbrauch oder wie die taz es nennt "Verbrechen ohne Opfer". Was will man auch von einem Blatt erwarten welches von einem bekennendem schwulen Kinderschänder mitbegründet wurde?

    Zum Glück gibt es das nternet und immer mehr Leute erfahren mit wem sie es da zu tun haben.

  • DP
    Daniel Preissler

    hallo "von..."

    zur Klarstellung:

     

    "Warum ist das "Bekenntnis zur eigenen Nation" für mich als Fußballinteressierten zwingend?"

     

    Ist es eben nicht, das siehst du ganz falsch. Niemand hier möchte dich dazu überreden oder gar zwingen. Dieser Druck ist nicht real - tut mir leid, wenn du ihn als sozialen doch als real empfinden solltest.

     

    Es ist hier im "Forum" im Moment eher sogar umgekehrt: Du gebärdest dich, als wolltest du uns alle unbedingt davon abbringen der deutschen Mannschaft die Daumen zu drücken. Und zwar eben weil du das Gefühl hast, WIR wollten dich von deiner contra- oder kritischen oder einfach neutralen Haltung abbringen.

    Dem ist nicht so - jeder wie er mag (und natürlich nach irrationalen "Kriterien" - hier geht's um Fußball!)!

     

    Alles klar?

    Gutes Spiel!

    DP

  • GI
    geb. in Altona

    Ich bin irrational für Danish Dynamite!

  • ...

    ad ralf ansorge:

    Interessant, dass du nicht als vollwertiges Individuum angesehen werden willst. Was dieses oder jenes mit Adornozitaten oder mir zu tun hat, erschließt sich aber dann wohl nur dir.

     

    "bekenntnis zur nation heißt für mich nicht nationalismus,sondern durchaus kritisch auseinandersetzung mit allem was war und ist."

    -Heißt auf deutsch: Wenn man dem großen Ganzen bis zum Anschlag in den Arsch gekrochen ist, also da hockt, wo bei mir ein Stock vermutet wird, dann, aber nur dann, darf man auch ein bisschen rummeckern. Denn was bleibt da noch an über bloßes Gemecker hinausweisender Kritik, wenn am Anfang und am Ende dieser "Kritik" die Affirmation der Nation steht?

     

    "und wenn man sich für fußball interessiert,darf man sich halt freuen über erfolge und ärgern über niederlagen der nationalmannschaft,eigentlich ganz einfach.das ist in jedem land so und das ist auch gut so."

    -Also wie von mir erwartet ein kräftiges und hochrationales "ist halt so!". Beeindruckend. Ich frage nochmal: Warum ist das "Bekenntnis zur eigenen Nation" für mich als Fußballinteressierten zwingend? Warum ist dieser unreflektierte Affekt einer begründeteren Wahl eines anderen persönlichen Favouriten vorzuziehen? Warum muss ich mich als Fußballinteressierter überhaupt national verhalten?

     

    "wichtig ist die art und weise,klar.aber einen gewissen teil idioten gibt es immer und überall [...]"

    -Wo bitte ist denn dein Verhältnis zur Nation ernsthaft aufgeklärter? Man sollte nicht immer die offensichtlichen Idioten heranziehen, um sein eigenes Denken und Verhalten vor sich und anderen zu legitimieren. So drückt der Schuh dann schnell an ganz anderer Stelle. Nicht mehr die irrationale "Liebe" zur Nation, nur noch die Art und Weise ihrer Auslebung ist problematisch. Nicht die Ausgrenzung an sich wird kritisiert, sondern beschwichtigend eine bestimmte Form angemahnt. So wird der Nazi dann nicht mehr auf Grund seiner menschenverachtenden Ideologie angegangen, sondern vor allem, um den schönen Schein zu wahren, um "Deutschlands Ansehen in der Welt" nicht zu gefährden. Dazu passt dann auch wunderbar, dass er genau solange keinen Widerspruch zu fürchten hat, wie er nicht die Dummheit begeht, sich in den Straßen deutscher Städte zu tummeln.

     

    "ich interessiere mich z.b. überhaupt nicht für olympia [...] aber ich habe zu akzeptieren das anderen das gefällt [...],was solls?"

    -Persönlich geht es mir sonstwo vorbei, wofür sich "jemand" privat interessiert. Nur ist der ganze Zirkus eben weder privat, noch die konkrete Ausdifferenzierung des Interesses von Belang, sondern allein seine gesellschaftspolitischen Implikationen. Wenn die angeblich so unpolitischen Spiele (welcher Art auch immer) im Endeffekt vor allem der Restauration des nationalen Kollektivs dienen, dann ist Kritik daran dringend geboten. Und da ist der Adorno durchaus hilfreich. Wie sonst erklärst du dir die Begeisterungsstürme von Leuten, die mit Fußball eigentlich nichts am Hut haben?

     

    "einfach sichmal zur toleranz zwingen"

    -Wer kann es denn nicht ab, wenn sich jemand dem Schwachsinn entzieht und die dumpfnationale Trunkenheit kritisiert?

     

    "und nicht überall sonstwas hineininterpretieren,proletarisch gesprochen:stock aus dem arsch!"

    -Wie deine Antwort erneut zeigt, assoziiere ich mitnichten frei drauf los. Ganz offensichtlich empfindest du Kritik am "Bekennen zur Nation" als Einschränkung deiner/der "Lebensfreude". Wo bleibt da noch Platz für deine angeblich so kritische Haltung? Wie soll Kritik unter diesen Bedingungen anders verstanden werden als "pure Miesmacherei"? Du hättest im letzten Satz nur noch ehrlicher sein können, wenn du noch "...und mach mit!" angefügt hättest. Und genau diesen selbstempfundenen und dann auf andere ausgeübten Zwang des sich Einreihens, der sich als angeblich freie "Entscheidung" geriert, wo er doch nichts anderes als purer Affekt ist, kritisiere ich.

  • D
    Deutscher

    Gestern hat mir mein Kollege K folgendes erzählt: "Mit dem Holocaust habe ich nichts zu tun. Ich bin nach dem Krieg geboren und habe den Holocaust als Teil der deutschen Geschichte zur Kenntnis genommen. Es ist noch einmal viel darüber geredet worden, gebracht hat es nicht viel. Aber ich bin Deutscher aus einer urdeutschen Familie und habe fast nur mit urdeutschen Leuten zu tun gehabt. Ich habe über 50 Jahre fast nur Scheiße erlebt. Der Rest wird, so hat man es bereits prognostiziert, noch sadistischere Scheiße werden. Was soll ich also an Deutschland gut finden?" Ich wußte nicht, was ich ihm darauf antworten sollte.

  • RA
    ralf ansorge

    lieber von...

    leider kann ich nicht adorno zitieren,ich hoffe trotzdem von dir als vollwertiges mitglied der gesellschaft angesehen zu werden.

    bekenntnis zur nation heißt für mich nicht nationalismus,sondern durchaus kritisch auseinandersetzung mit allem was war und ist.und wenn man sich für fußball interessiert,darf man sich halt freuen über erfolge und ärgern über niederlagen der nationalmannschaft,eigentlich ganz einfach.das ist in jedem land so und das ist auch gut so.wichtig ist die art und weise,klar.aber einen gewissen teil idioten gibt es immer und überall,auch auf antifa-demos wie letztens in hamburg.

    ich interessiere mich z.b. überhaupt nicht für olympia,finde das ganze pathos eher peinlich,aber ich habe zu akzeptieren das anderen das gefällt und das es gerade für viele sportler das größte ist,was solls?

    einfach sichmal zur toleranz zwingen,die man für sich von anderen ja auch anfordert und nicht überall sonstwas hineininterpretieren,proletarisch gesprochen:stock aus dem arsch!

  • J
    jbjence

    @ von Moritz

     

    wo schreibt denn bitte, oder wo impliziert Milli auch nur ansatzweise, dass er einen latenten deutschen nationalismus selbstverständlich nicht genauso gruselig findet ? -.-

     

     

    @ Milli

     

    "Dieser latente türkische Nationalismus. Finde ich ganz gruselig."

     

    Achso, der ist gruselig. Aber der deutsche selbstverständlich nicht. -.-

  • R
    reblek

    "Eben. Deswegen bin ich irrational für Frankreich und rational für Spanien. Und irrational gegen Deutschland." - Ich bin nicht nur rational, sondern vernünftig "gegen Deutschland", denn bei der EM tritt lediglich der ganz private DFB, der sich von denen, die für "Deutschland" verantwortlich sind oder sein sollen, nicht reinreden lässt, mit einer Auswahlmannschaft an. Aber da der Fan eine eingegrenzte Sicht der Dinge hat, gilt seine Begeisterung "Deutschland". Wenn er nichts anderes hat...

  • B
    BingoBurner

    ähmm.......bei einigen Menschen, die so gegen Deutschland sind, frage ich mich ob Sie noch nie im Ausland waren.

    Deutschland ist ein großartiges Land.

  • H
    Horsti

    Das C-B ein Problem mit Deutschland hat, konnte man bei ihm doch schon seit Jahrzehnten erkennen.

  • B
    Bleu49

    Kleine Richtigstellung: das französische Team der 50er Jahre, von dem Cohn-Bendit spricht, kam nicht aus Rennes, sondern aus Reims.

  • H
    Hachinger

    Er ist und bleibt eben bloß ein Schnacker.

  • F
    Friedrich

    Ist Cohn bei dem Interview auf Koks gewesen?

  • DF
    D.J. (P.S. für Saeko)

    @Saeko,

     

    wennn Sie meinen, es wäre nur "unser" Problem als "Biodeutsche" und nicht auch der türkische Nationalismus - warum haben wir ähnliche Effekte kaum in der 3./4. Generation anderer Migrantinnen und Migranten? Jeden ghanischstämmigen oder vietnamesischstämmigen Deutschen würde man wahrscheinlich in seiner eigenen Familie auslachen, wenn er in der 3./4. Generation sich massiv auf seine Herkunft berufen würde.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ Saeko (11.06.2012 19:16 Uhr): Ihr Zitat: "Wenn türkische Mitbürger nach einem halben Jahrhundert immer noch nicht als Teil dieser Gesellschaft akzeptiert und diskriminiert werden, wenn ihr Beitrag zum Aufstieg Deutschlands zur Wirtschaftsmacht immer noch nicht gewürdigt wird, darf man sich nicht darüber wundern ..."

     

    Legenden werden durch Wiederholung nicht wahrer:

     

    Das "Wirtschaftswunder" der Bundesrepublik Deutschland basierte auf dem industriellen-technologischen Know-How, welches von der Kaiserzeit (Gründerjahre) herrührt und selbst durch zwei Weltkriege nicht vollends zerstört werden konnte (noch heute zehren wir von diesem Tafelsilber, den Rest wird die Euro-Schuldenunion jetzt bald erledigen); das Wirtschaftswunder war bereits in den 50er Jahren im vollen Gange; 1959 war die Bundesrepublik Deutschland bereits wieder die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt - und nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt.

     

    Die ersten türkischen Gastarbeiter kamen erst 1961 nach Deutschland, aufgrund eines Abkommens, das weniger von deutscher, als von türkischer und Nato-Seite gewollt war. Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits Vollbeschäftigung in Deutschland. Vgl. hierzu die archivgestützte Untersuchung von Heike Knortz, "Diplomatische Tauschgeschäfte. ´Gastarbeiter´ in der westdeutschen Diplomatie und Beschäftigungspolitik 1953 - 1973", Böhlau-Verlag 2008.

     

    Viele türkische Mitbürger - selbst mit deutschem Pass - definieren sich auch in 3. Generation primär als Türken, nicht als Deutsche. Verstärkt wird diese Selbst-Abgrenzung noch durch die Heirat von "Importbräuten" und türkischseitiger Ablehnung von Ehen mit nicht-muslimischen ("ungläubigen") Ehepartnern; dies hat sich leider in den letzten Jahren seit dem Siegeszug der AKP Erdogans in der Türkei noch verschärft.

     

    Jeder, der spätestens bei dem Länderspiel Deutschland - Türkei im Berliner Olympiastadion miterlebte, wie Özil von den türkischen "Fans" bei jedem (!) Ballkontakt gnadenlos (!) ausgepfiffen wurde, wird sich wohl keine Illusionen mehr darüber machen, warum die türkischstämmige Community in Deutschland - im Vergleich zu anderen Migrantenethnien - mit die größten Akzeptanzprobleme hat. Denn diese sind selbst verursacht. Aber Selbstkritik und Selbst-Reflektion scheint nicht die Sache eines Großteils jener Community zu sein. Leider.

  • D
    D.J.

    @Saeko,

     

    ist das Ihre Vermutung oder ist Ihre Aussagen durch persönliche Bekanntschaften gedeckt?

    Der Türke als das ewige Opfer von Diskriminierung - mag zum Teil durchaus sein, aber arg politkorrekt vereinfacht. Befragen Sie einfach Türken in Ihrem Bekanntenkreis, so Sie welche habe, und Sie werden bei einem Großteil erfahren, dass "Deutscher sein" jenseits der Staatsbürgerschaft bei einem Großteil als absolut nichts Erstrebenswertes gilt (und nein, das hat absolut nichts mit der deutschen Vergangenheit zu tun). Darüber will ich micht nicht einmal erheben, mich nervt nur dieses albern-selbstkasteidende "Wir Schlimmen sind schuld, dass die Türken nationalistisch denken". Die Ursachen zu benennen, würde den Rahmen eines Kommentars sprengen (es ist übrigens nicht nur die Religion, sondern auch bzw. damit konkurierend die seit Atatürk eineimpfte Säkularreligion des Türkentums).

  • ...

    Na taz, geil wa?! Endlich kann man auch als "Linker" wieder seinen nationalen Gelüsten fröhnen. Ganz unschuldig natürlich, was sonst. Zum Kotzen! Aber halt, das ist ja "altbacken", total 90er. Nur eine Frage: Warum? Es will nicht in meinen Schädel, warum angeblich vollwertige Individuen so geil darauf sind, sich "zur Nation zu bekennen". Und warum zum Henker ist eine bewusste Entscheidung GEGEN diesen Schwachsinn "altbacken" oder "irrational"? Wieso muss jeder "Deutsche" für die "deutsche Nation" sein? Wo ist da überhaupt eine Begründung, die den Namen verdient und sich nicht im kollektiven "ist halt so" erschöpft? Was ist das bitte für ein unreflektierter Blödsinn? Seid ihr dann auch pro-Merkel? Die ist immerhin eure Kanzlerin. Naja, irgendwie müssen die 70% Zustimmungswerte ja zustande kommen.

     

    Vielleicht doch noch ein kurzer Erklärungsversuch:

    »Die Ich-Schwäche heute, die gar nicht nur psychologisch ist, sondern in der der seelische Mechanismus die reale Ohnmacht des Einzelnen gegenüber der gesellschaftlichen Apparatur registriert, wäre einem unerträglichen Maß an narzisstischen Kränkungen ausgesetzt, wenn sie nicht, durch die Identifikation mit der Macht und Herrlichkeit des Kollektivs, sich einen Ersatz suchen würde.« (Adorno)

  • DP
    Daniel Preissler

    "Und irrational gegen Deutschland."

     

    Das wissen wir doch längst seit Danys Bemerkungen '98, '00 und '06 zu den spielerischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in beiden Nationalteams und Ländern (er zieht da immer gerne Parallelen). Während "blanc-black-beur" von ihm 1998 als antirassischtischer Durchbruch und positiver Patriotismus gefeiert wurde, sprach er 2006 der WM und Nationalmannschaft in Deutschland schnell die integrative Wirkung ab (damals, wie ich meine, ebenfalls in der taz und mit dem Verweis auf das schnelle abklingen der neuen Gemeinschaftseuphorie in Frankreich 1998). In der Richtung gab's noch mehr Sachen: In Frankreich ist's super, in Deutschland nicht schlimm! d;-)

     

    Toll finde ich, dass er das selber überblickt! Wer kann schon über seine eigene Irrationalität so "objektiv" berichten?!

     

    wie war's so schön bei Asterix...: "allez les Bleus, allez les Bleus... - oups, les Blancs ont gagné !" Ah oui, ah oui !!

     

    désolé Daniel, notre Turque est le meilleur d;-)

     

    beste Grüße,

    Daniel

  • G
    gleiner

    Cohn-Bendit ist ein jung gebliebener Europäer der uns wunderbar aufmischen und schmunzeln lassen kann

  • C
    Carlos

    @ Saeko:

     

    Sie machen den Bock zum Gärtner. Es gab von Anfang an einen großen Teil von Türken, der sich nie integrieren wollte, und als Gül in den 1980er Jahren von einem Neo-Osmanischem Reich zu träumen, regte die Türkei die Gastarbeiter in Deutschland an, dort zu bleiben, aber sich weiterhin mit der Türkei zu identifizieren. Über die DITIB betreibt die Türkei diese Politik bis heute fort. Um echte Integration zu ermöglichen, und sich nicht instrumentalisieren zu lassen, sollten die Bundesregierung und die Landesregierung ihre Zusammenarbeit mit DITIB endlich einstellen, doch das Gegenteil ist der Fall, somit bedeutet Integrationspolitik nach wie vor die Umsetzung von türkischen Interessen in Deutschland.

  • C
    Carlos

    @ Saeko:

     

    Sie machen den Bock zum Gärtner. Es gab von Anfang an einen großen Teil von Türken, der sich nie integrieren wollte, und als Gül in den 1980er Jahren von einem Neo-Osmanischem Reich zu träumen, regte die Türkei die Gastarbeiter in Deutschland an, dort zu bleiben, aber sich weiterhin mit der Türkei zu identifizieren. Über die DITIB betreibt die Türkei diese Politik bis heute fort. Um echte Integration zu ermöglichen, und sich nicht instrumentalisieren zu lassen, sollten die Bundesregierung und die Landesregierung ihre Zusammenarbeit mit DITIB endlich einstellen, doch das Gegenteil ist der Fall, somit bedeutet Integrationspolitik nach wie vor die Umsetzung von türkischen Interessen in Deutschland.

  • PU
    Politik- und Fußballexperte

    Daniel, wer?

  • RA
    ralf ansorge

    schade,eigentlich fand ich cohn-bendit meistens gut.aber dieses gegen deutschland sein ist so altbacken,zum glück nennt er es selbst irrational.bis in die90er hinein war ich auch oft so drauf,wg. der rechten chaoten im umfeld da waren mir die fröhlichen dänen 92 tausend mal lieber.aber diese typen sind heutzutage eher im clubfußball zu finden.und im ausland finden die meisten diese art fröhlichen patriotismus sowieso ok.

  • M
    Moritz

    @ Milli

     

    "Dieser latente türkische Nationalismus. Finde ich ganz gruselig."

     

    Achso, der ist gruselig. Aber der deutsche selbstverständlich nicht. -.-

  • M
    Max

    "alles dreht sich nur darum, dass das Löw-Team endlich eine, ja diese Trophäe gewinnt."

     

    Ich wüsste nicht, warum das deutsche Team so einen unbedingten Anspruch darauf haben soll! Was soll das? Wieso "endlich"?

  • S
    Saeko

    @D.J.: Der Grund weshalb Mitbürger mit türkischen Wurzeln nach 3-4 Generationen immer noch eher mit der Türkei symphatisieren ist eben der: "In Deutschland werden Türken, auch wenn sie Deutsche sind, als Türken angesehen."

    Wenn türkische Mitbürger nach einem halben Jahrhundert immer noch nicht als Teil dieser Gesellschaft akzeptiert und diskriminiert werden, wenn ihr Beitrag zum Aufstieg Deutschlands zur Wirtschaftsmacht immer noch nicht gewürdigt wird, darf man sich nicht darüber wundern dass diese Leute sich mit Deutschland nicht identifizieren. Was habt ihr denn erwartet?

  • C
    Carsten

    Boah Oppa, halt endlich die Klappe!

  • M
    Milli

    Also ich habe es immer so erlebt, dass Türken, auch in der vierten Generation, als Türken gesehen werden wollen.

    Ich hatte drei Türken in meiner Klasse und die standen stramm beim Erklingen der türkischen Nationalhymne. Für alles Deutsche kannten sie nur Verachtung.

     

    Das fällt mir auch bei vielen Quotentürken in der Politik auf. Dieser latente türkische Nationalismus. Finde ich ganz gruselig.

     

    Schade finde ich auch, dass Özil von Türken immer ausgebuht wird. Und die anderen von Deutschland ausgebildeten Türken spielen auch nur für die Türkei, obwohl sie dort nie so weit gekommen wären.

  • K
    Kommentator

    Tolles Interview!

     

    Hier erfährt man ob Cohn-Bendit blau-weiß-rote Unterhosen trägt, und dass der durchschnittliche taz-Leser bereits schwarz-weiß-rotes Ejakulat abspritzt.

     

    Könnte man auch in Bunte oder Bild der Frau lesen.

     

    Ob ich nächstes mal bem Friseur dann auch die taz finde?

  • G
    großmeister_b

    Ähem, "war" Daniel Cohn-Bendit nicht mal Politiker?

    Was haben wir denn von dem, sagen wir mal, im letzen Jahr über Politik (vielleicht sogar über EU-Politik) gehört?

    Und jetzt aus dem Nichts dieser Senf über die EM.

    Wen interessiert das denn?

    Der soll sich lieber darüber Gedanken machen, ob irgendwer noch weiß, wer er ist und für was der überhaupt im EU-Parlament sitzt und von unseren Steuergeldern bezahlt wird.

  • CC
    Claus Carstensen

    Ach herrjeh, den gibt es auch noch!

     

    Wenn ich überlege, was die deutschen Parteien so alles in das Europäische Parlament entsorgt haben, graust es mir.

     

    Wahrscheinlich futtert er immer schön mit der Koch-Mehrin und lacht über die Steuerzahler, die ihnen das sinnfreie Leben bezahlen.

     

    Ab und an ein kleines Interview, und das war's.

     

    Er kann beim Fußball nicht rational, ich kann bei dieser Gurkentruppe nicht rational

  • D
    D.J.

    "In Deutschland werden Türken, auch wenn sie Deutsche sind, als Türken angesehen."

     

    Eine Sache der Gegenseitigkeit (mindestens!). Mein bester türkischer Freund, dritte Generation, der aus derselben Stadt kommt wie Özil, vor zwei Jahren: Na klar nehme ich dem Mesut auch übel, dass er für Deutschland spielt. Der ist Türke."

  • P
    peter

    hm, cohn-bendit war früher schon mehr schlecht als recht wenn man an seine antiziganistischen ausfälle in frankfurt denkt aber das interview is ja mal das allerletzte, ich bin irrational gegen deutschland, wer auf so einer ebene gegen die em und im besonderen deutschland ist sollte sich besser überhaupt nicht zu wort melden. solch ein verücktes zeug diskreditiert all jene die eine inhaltlich begründete kritik an diesem fucking schwarz rot goldenen nationalismus flair haben. wird vielleicht langsam echt zeit für die rente...