Billig-Busreisen in Europa: Discountermobilität für Sparfüchse
Noch vor der Liberalisierung des Fernbusverkehrs gehen die ersten Billig-Buslinien an den Start. Selbst Bahnlobbyisten finden das okay.
BERLIN taz | Wer von Frankfurt am Main nach Zürich reisen möchte, kann bald auch mit dem Bus fahren, statt Bahn oder Flugzeug zu nutzen – und zwar ab 18 Euro. Das Unternehmen MeinFernbus richtet für diese Strecke ab dem 29. November eine Linie ein, weitere Busse sollen zwischen Frankfurt und Leipzig pendeln. Bereits seit letzter Woche gibt es Fahrten von Düsseldorf nach Freiburg. Damit baut der Betreiber sein Netz deutlich aus, noch bevor die Liberalisierung des Fernverkehrs am 1. Januar 2013 in Kraft tritt.
Das Kabinett hatte im August 2011 beschlossen, die Beschränkungen für neue Fernbuslinien weitgehend aufzuheben. Vergangenen Freitag stimmte nun auch der Bundesrat zu. „MeinFernbus hat das Ziel, 2013 der bekannteste und beliebteste deutsche Fernbusanbieter zu sein“, teilte das 2011 gegründete Berliner Unternehmen am Mittwoch mit.
Ein Frontalangriff auf die Deutsche Bahn AG also? Die Lobbyorganisation Allianz Pro Schiene widerspricht. Zwar sei das Fernbusangebot billiger als ein Bahnticket für die gleiche Strecke, jedoch bediene es ein ganz anderes Publikum. Fernbusse, die Pressesprecherin Barbara Mauersberg als „Discountermobilität“ bezeichnet, bedeuteten deutliche Abstriche in Komfort und Reisedauer, sodass Bahnkunden nicht reihenweise zum Busfahren wechseln würden.
Der nachhaltigkeitsorientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) betrachtet die neuen Fernbusse ebenso eher als Zusatzangebot. Bestehende Strecken, die parallel von Bahn und Bussen befahren werden – wie zum Beispiel von Hamburg nach Berlin –, zeigten, dass es für beide Verkehrsmittel unterschiedliche Zielgruppen gebe.
Keine Entschädigungen für Fahrgäste
Allerdings bemängelt die Allianz pro Schiene, dass die Busse Wettbewerbsvorteile erhalten, indem sie bisher keine Mautgebühr zahlen müssen. Außerdem seien die Fernbusbetreiber nicht verpflichtet, Fahrgäste für Verspätungen und verpasste Anschlüsse zu entschädigen – im Gegensatz zur Bahn. „Diese Wettbewerbsvorteile sollten an die Bahn angeglichen werden“, stimmt auch der VCD zu.
Ob die Busse der Bahn aus ökologischer Sicht Konkurrenz machen, ist noch unklar. Laut einer Studie des Bundesumweltamtes sind Busse pro Fahrgastkilometer erst ab einer Auslastung von 60 Prozent effizienter. Die Entwicklung muss also nicht unbedingt in Richtung Bahnersatz gehen, Busse können auch einfach nur eine andere – und zurzeit billigere – Art von Fernreisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bieten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke