Früherer NPD-Finanzchef vor Gericht: 270.000 Euro Staatsgeld erschlichen
Erwin Kemna soll die NPD-Finanzen geschönt haben. Er bestreitet die Vorwürfe beim Prozessauftakt. Schon früher hatte er Parteigelder veruntreut.
HAMBURG taz | Das Gericht kennt der ehemalige NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna gut. Schon 2008 verurteilte das Landgericht Münster den langjährigen führenden Parteikader zu einer Haftstrafe wegen Veruntreuung von Parteigeldern. Nun droht dem 62-Jährigen erneut eine Haftstrafe.
„Die Anklage hält Herrn Kemna vor, durch nicht wahrheitsgemäße Rechenschaftsberichte den Bundestag über die wahren Einnahmen getäuscht und so rechtswidrige Zuschüsse erschlichen zu haben“, sagt Matthias Bäumer, Pressedezernent des Landgerichts.
Am Montagvormittag wies Kemna bei der Eröffnung der Hauptverhandlung alle Vorwürfe zurück. Er habe nicht gegen das Parteiengesetz verstoßen. Zu seiner Entlastung verwies Kemnas Verteidiger auf fünf Aktenordner. Ermittler sollen sie zuvor nicht gefunden haben. Die Logik der Verteidigung: Das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, auf dem auch die Anklage beruhe, sei auch „unvollständig“. Alle strittigen Sendungen und Mitgliedsbeiträge könnten belegt werden.
Die Staatsanwaltschaft hält Kemna, der in Ladbergen lebt, konkret vor, von 2002 bis 2006 in den Rechenschaftsberichten „überhöhte Spenden und Mitgliedsbeiträge“ in Höhe von 870.000 Euro angegeben zu haben. „Die Partei erhielt dadurch rund 270.00 Euro staatliche Parteienfinanzierung“, sagt Bäumer.
Im September 2008 hatte das Landgericht Kemna zu zwei Jahren und acht Monate Gefängnis verurteilt. Zwei Drittel der Haft verbüßte der frühere enge Vertraute des ehemaligen langjährigen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Im Gerichtssaal räumte Kemna, der seit 2010 frei ist, damals ein, von 2004 bis 2007 rund 740.000 Euro aus der Parteikasse auf private Konten umgeleitet zu haben. Bei dem Verfahren erklärte er auch, bei der NPD bleiben zu wollen. Wenige Tage später wurde jedoch das Ende der Mitgliedschaft bekannt. In der Partei war er nach der Veruntreuung unerwünscht.
Eine erneute Verurteilung von Kemna hätte für die Partei keine direkten Folgen. Das Bundesverwaltungsgericht verurteilte die Partei 2012 allerdings wegen anderer fehlerhafter Rechenschaftsberichte zu einer Strafzahlung von 1,3 Millionen Euro.
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