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Entlassungen beim ZDFBis zu 400 Stellen weniger

Weil das ZDF einst über Gebühr expandierte, leiden jetzt die Mitarbeiter. Der Sender soll 75 Millionen Euro beim Personal sparen.

Protestaktion vor dem ZDF-Sendezentrum in Mainz. Bild: dapd

Natürlich sind die Hierarchen nicht zu beneiden. Immerhin müssen Intendant Thomas Bellut und Chefredakteur Peter Frey nach Jahren der freizügigen Expansion in ihrem Sender, dem ZDF, eine neue Kultur durchsetzen: Erstmals in der Geschichte der Mainzer Anstalt geht es nicht mehr um die Frage, wie viele Mitarbeiter es denn noch sein dürfen, sondern wie viele noch übrig bleiben. Erste Mitarbeiter lassen ihrem Frust freien Lauf.

Chefredakteur Frey mahnte unlängst, dieser ganze Prozess tue „verdammt weh“. Da komme „natürlich auch viel Groll“ bei ihm selbst an. Frey muss in seinem Bereich einen Teil der – so der aktuelle Stand – bis zu 400 Stellen streichen. Eine große Zahl für einen Sender, der zuletzt noch etwa 6.000 Arbeitsplätze für feste und freie Mitarbeiter bot. Aber auch eine Zahl, in der noch viel mehr Ärger steckt, als sie erahnen lässt.

Bei den 400 Stellen geht es immerhin um „Vollzeitäquivalente“. Weil das ZDF aber viele Teilzeitkräfte und freie Mitarbeiter beschäftigt, könnte es durchaus sogar etwa 1.000 Mitarbeiter treffen. Dafür spricht, dass beim ZDF etliche freie Kräfte vertraglich als „110er“ geführt werden. Sie arbeiten nicht mal die Hälfte des Jahres hier.

Der Unmut ist so groß, dass er sich kanalisiert. Am Mittwoch gingen laut Ver.di 400 ZDF-Mitarbeiter auf dem Sendegelände auf die Straße. Tags zuvor wiederum kamen in Mainz einige Hundert zusammen, um mit dem Medienpolitiker Martin Stadelmeier, der auch Mitglied des ZDF-Fernsehrats ist, über ihre heikle Situation zu sprechen. Ein Mainzelmännchen sprach gar von einer „Lebenslüge“, die sich durch den Sender ziehe.

„Ist da draußen eigentlich bekannt, dass viele freie Mitarbeiter gar keine freien Mitarbeiter sind, sondern dauerhaft zum ZDF gehörten und sich der Sender gar nicht von ihnen trennen kann?“, raunte es aus dem Publikum. Stadelmeier ging darauf zwar nicht ein – er hätte sich ja sonst auch mit Scheinselbständigkeit beschäftigen müssen. Der SPD-Politiker machte aber pauschal die Senderspitze für die Misere verantwortlich.

Zum personalintensiven Aufbau der Ableger ZDFinfo, ZDFneo und ZDFkultur mahnte Stadelmeier, er habe im Kontrollgremium stets „gegen diese Flottenstrategie“ votiert: „Ich habe deutlich gemacht, dass ich das nicht tragen kann.“ Außerdem habe das ZDF in Selbstverpflichtungen zugesagt, für diese Kanäle auf neue Mitarbeiter zu verzichten, allerdings: „Das ZDF hat das nicht gemacht, und jetzt wird der Preis dafür gezahlt.“ Erst danach sollte man wieder über mehr reden, etwa für den angedachten Jugendkanal.

Über die Schuldfrage freilich streiten sich Senderspitze und Politik. Dass nun so radikal gekürzt wird, dafür sorgte am Ende jedenfalls die Gebührenkommission KEF, eine teils tüchtige Kontrollinstanz des öffentlich-rechtlichen Systems. Sie hat dem ZDF auferlegt, 75 Millionen Euro beim Personal zu sparen, und erste Fernsehmacher hat es bereits getroffen, dazu ganze Sendungen, vor allem auf ZDFinfo. Der Medienpolitiker Stadelmeier forderte, Ableger einzustellen, die abgesehen von ZDFneo „unterhalb der Wahrnehmungsgrenze“ blieben. Man möge sich stattdessen doch „seiner Kinder erinnern“ und etwa Phoenix stärken.

Im Sender wissen manche dieser Tage nicht, wie ihnen geschieht. Gleichzeitig scheint das Ende nicht erreicht. Chefredakteur Peter Frey sagte neulich etwa im Gespräch mit einem Fachmagazin, er sehe sehr wohl noch „eine Menge Sparpotenzial“, weil beispielsweise bei der Planung der Sendungen noch „viel Doppelarbeit“ anfalle. Seine Leute müssten nun mit weniger Kollegen auskommen: „Da müssen wir uns jetzt durchbeißen.“

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13 Kommentare

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  • M
    MAD

    Dass Gottschalk, Jauch und Blauer Bock als Grundversorgung verkauft werden fand ich bis vor kurzem eher amüsant. Bis auf den Jauch, den ich bei Bekannten vor einiger Zeit gesehen hab (also jetzt im Fernsehen), weiss ich auch gar nicht ob die ihr Unwesen noch treiben beim ÖR - Wäre mir auch egal wenn ich nicht neuerdings mit im Boot wäre. Mir fällt grade ein: es heisst jetzt Musikantenstadl, oder?

     

    Wurscht - mir ist zum kotzen!

     

    Zu "Ihr NameAndreas" geht mir einiges durch den Kopf, lass ich aber lieber mal dort, gell?

     

    Danke an quer-ulantin: der Link spart schon mal das Suchen. Da werde ich mal stöbern vielleicht hilfts ja.

  • FM
    freier mitarbeiter

    Ich sitze hier jetzt seit Minuten, da ich als betroffener 110er gern das eine oder andere zur Situation kommentieren würde...

     

    ...es fällt mir schwer in Sätze zu fassen, was sich in diesem Sender tut...

     

    ...Stichworte wie Willkür, Scheinheiligkeit, Gutsherrenart, Unaufrichtigkeit, fehlender Mut, miserable Personalführung wären sicherlich dabei...

  • S
    SunJohann

    Das sind Zahlen, davon kann man ohnmächtig werden. Jährlich 8 Milliarden an Zwangsgebühren in Deutschland für dessen staatliche Propagandasender, allein 6000 Mitarbeiter beim ZDF – das ist einfach nur Wahnsinn. Das kann und wird nicht gut ausgehen.

  • K
    Kasparius

    Endlich wird dieser Wasserkopf mal angepiekst. Bitte weitermachen, aus eigener Erfahrung weiss ich, dass im deutschen ÖR Verhältnisse herrschen, gegen die jedes griechische Ministerium schlank aussieht.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Auch öffentlich-rechtliche Sender wie es das ZDF ist,können nicht auf Dauer über ihre Verhältnisse leben,was die Mitarbeitertahl anbelangt.

  • IN
    Ihr NameAndreas

    Genau, Deutschland sollte weil es ja so eine arme Nation ist, nur noch werbefinanzierte Privatmedien erlauben und allen öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Die Programme der Privaten haben ja sowieso die meisten Zuschauer. So leistet man dann einen prima Beitrag zur Verblödung der Nation.

     

    Ich bin mir sicher, das gesparte Geld Eurer Rundfunkabgabe werdet ihr bestimmt alle sinnvoll in privaten Konsum stecken und z.B. Drehtabak und Aldikaffee davon kaufen, während ihr die Nächte hindurch im Internet Gratisfilme bei Kim Schmitz guckt.

  • Q
    quer-ulantin

    Hier geht's zum Zwangsabgabenverweigern:

     

    http://www.online-boykott.de/de/

  • IJ
    Ihr Jü

    Elefanten können das sowieso viel besser: Rumstochern, Platttreten, Staub aufwirbeln, Aufblasen, grün Anscheißen, Rumtrompeten.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Garantiert bleibt der Wasserkopf erhalten. Die wirklichen Programmmacher werden entlassen. Die Verwaltung wird auf ewig bestehen. Selbst wenn der Sender aufgelöst würde, könnte sich die Verwaltung noch 50 Jahre selbst verwalten, wie bei IG Farben.

    Die entlassenen Macher dürfen sich unter Selbstausbeutung in die Reihe der Scheinselbständigen einreihen, super Lösung.

    Es gibt einfachere Stellen Geld zu sparen, weniger Fußball, billigere Showmaster etc.

  • IJ
    Ihr Jü

    Elefanten können das ohnehin allein schon auf Grund Ihrer Anatomie viel besser: Mit den großen Ohren orten sie kleinste Tops, Stoßzähne zum Ausbuddeln, gewaltig aufblasen, platttreten, grün anscheißen, gewaltig Rumtrompeten und eine Menge Staub aufwirbeln - Was willst Du mehr?

  • M
    MAD

    Da ich den Laden neuerdings mitfinanzieren muss würde ich sagen: Prima, weiter so!

    Leider habe ich das Gefühl dass es hier eher die Falschen trifft und die Zwangsgebühren trotzdem nicht sinken werden.

  • DL
    dem Laden habe ich genug

    Die seit Beginn dieses Jahres durchgeprügelte Zwangsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beträgt knapp 8 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen Einnahmen aus anderen Quellen, wie beispielseweise Investitionen, Vertrieb, Verleih usw.

     

    Es wird Zeit, dass der Betrag auf einen sinnvollen Betrag reduziert wird. 0,2 Milliarden Euro pro Jahr reichen für eine wahre Grundversorgung und ehrliche Berichterstattung aus. Gegen die einzusparenden 7,8 Milliarden Euro pro Jahr sind die im taz-Artikel genannten 0,075 Millarden Euro pro Jahr vollkommen vernachlässigbar. Es wird viel Theater um Nichts gemacht.

     

    Das aktuelle Planungswirrwarr ist jedoch keine Lösung.

     

    Wir brauchen dringend eine Privatisierung dessen, was die Privatsender auch bieten können! Bis die Privatisierung endlich kommt, wird es keine Ruhe für das zwangsfinanzierte, sozialistische (ha!) Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben. Das sollte doch wohl inzwischen klar sein.

  • M
    Michael

    Soso,

    die Rundfunkgebühren werden erhöht (bei mir verdreifachen sie sich jedenfalls, denn ich besaß/besitze BEWUSST keinen Fernseher), dafür sollen dann auch noch zusätzlich Mitarbeiter entlassen werden.

    Dass aus der Beitragserhöhung Mehreinnahmen resultieren liegt auf der Hand und wurde auch der Presse bestätigt...

     

    ...wie schnell man aus mehr Geld noch mehr Geld machen könnte/kann/wird...

     

    ...es kotzt mich an!