piwik no script img

Ein Lob des ValentinstagsSie stand vor mir – nackt

Der Valentinstag, ein Marketingtrick der Floristen? Nein! Viel mehr: ein Tag der Freude. Ein Blumenbote erinnert sich an schön schräge Momente.

Als Blumenfahrer wird man schnell zum Liebesboten - zum Stellvertreter des Liebhabers. Bild: dpa

Falls jemand immer noch der Ansicht ist, der Valentinstag, der nun wieder die Blumenhändlerbilanzen frisieren helfen wird, sei nur eine miese Masche des Floristenkartells – bitte, er soll das denken. Mag ja sein, dass es dreister Abzocke gleichkommt, ausgerechnet in der blumenarmen Zeit die Leute dazu zu animieren, Schnittblumen zu verschenken; die Kunden also zum Kauf von Etwas zu animieren, was es mitten im kalten Winter gar nicht gibt. Bedarfsweckungsgesellschaft! Schlimm!

Es gibt auch Öko- und Gender-Argumente gegen den Valentinstag: Die Blumen müssen von weit her klimaschädlich herbeigeschafft werden und zementieren alte Rollenmuster, weil an diesem Tag meistens Er Ihr Blumen schenkt als Dank fürs Bügeln, für die Vollverpflegung zu Hause, fürs Rückenfreihalten.

Ja, ja, denkt das nur, ihr Nieselprieme und Konsumbesserwisser. Oder, um im Blumenladenpausenraumjargon zu sprechen: welke Nelken! Ich lasse mir diesen Tag nicht kaputt machen. Ich schenke Blumen, meinetwegen auch am 14. Februar. Ich liebe Blumen – und noch viel lieber habe ich sie als Blumenbote zu den Leuten gebracht. Und das dann auch sehr gern an genau diesem Tag, der Valentinstag heißt.

Der 14. Februar

Der Tag: Am 14. Februar ist Valentinstag. Gilt als Tag der Liebenden. In England schenken Paare einander kleine Präsente oder Gedichte, in Japan Schokolade. Hierzulande ist der Tag vor allem für Floristen ein Freudentag, weshalb sie kräftig Werbung machen: Schenkt Blumen!

Der Autor: Felix Zimmermann, 38, hat neben anderen Jobs eine Zeit lang als Blumenfahrer gearbeitet. Ein Traumjob in vielerlei Hinsicht. Er hat ihn zum Blumenfreund und Valentinstagverteidiger gemacht. Zimmermann ist auch Ressortleiter der sonntaz.

Ein Liebesbote

Früher, als ich Teil der Amaryllis-Armee war, die unschuldigen Menschen Blumen aufnötigt, war ich – auch wenn ich mich nicht entschuldigen muss – jung und brauchte das Geld, außerdem hatte ich Bock, Auto zu fahren. Nun ja, es gab auch konkreten Anlass: Ich hatte gerade den Führerschein erworben; der Klasse-3-Lappen, damals noch rosafarben und aus Papier, hatte mich 42 Fahrstunden gekostet und drei Anmeldungen zur praktischen Prüfung. Teuer!

Ich verdiente also Geld, wobei das Trinkgeld den Stundenlohn oft verdoppelte, und erwarb Fahrpraxis, was dem Auto egal sein konnte, denn der Passat Variant von Blumen Cordes in Oldenburg hatte eh schon ein paar Macken. Er wurde zum geliebten Gefährten – und ich mit Wonne ein schamloser Profiteur des Blumenkapitalismus, gerade an Blumenstrauß-Tsunami-Tagen wie dem 14. Februar.

Auf die Werbekampagne der Blumenhändler fielen viele Menschen rein, was ich großartig fand. Die Touren durch die Stadt wurden länger, das gab noch mehr Geld. Zwischendurch brachte ich Wiener Würstchen der damals noch existierenden Schlachterei Hutfilter für alle in den Laden, damit die ständig Blumensträuße Bindenden nicht vom Fleische fielen, ich durfte mitessen. Und wurde im metallicblauen VW zum Postillon d’Amour, was – in Geld nicht aufzuwiegen – das Beste überhaupt war.

"Kannst reinkommen" - Upps

Stellvertreter des Liebhabers, Überbringer eines Wiedergutmachungsgeschenks nach bösem Zerwürfnis, Tröster, ohne zu wissen, warum, Seelsorger, immer mittendrin in den Lebenssituationen und -welten der Adressaten, ohne allerdings belastet zu sein von dem, was da auch immer vorgefallen sein mochte. Nie Streitbeteiligter, stets ohne Verantwortung für ein Vergehen, und dabei immer positiv konnotiert, weil ich mit einem Blumenstrauß in den Händen vor irgendeiner Tür stand.

Wer je den Ausspruch geprägt hat, Blumen schenken heiße Freude verschenken – ich bekam es zu spüren. Wie oft ich in leuchtende Augen sah! Und mir gedankt wurde, obwohl ich kaum etwas getan hatte. Im Prinzip war das die Umkehr dessen, was mir als Journalist widerfährt: Man wird beschimpft, weil man die schlimmen Nachrichten überbringt: Hungersnot da, Nazis hier, Krise überall – was für miese Typen, diese Schreiberlinge! Und: Was für ein liebenswerter Mensch, der Blumenbote!

Manchmal, wirklich nur manchmal brachte mich meine Rolle als in jeder Hinsicht unbeteiligter Freudenbote aber auch in knisternde Situationen. Auch das konnte ich nicht schlecht finden, zumal ich Dienst und Privatleben nie vermischte.

Einmal, in einem rot geklinkerten Wohnblock war’s, zweiter Stock, stand die Wohnungstür offen, von drinnen wurde ich von einer Frauenstimme freudig hereingerufen: „Kannst reinkommen!“ Du? Also: ich? Als ich drin stand, stand sie vor mir: nackt. Merkte aber ebenso schnell wie ich, dass nicht ich es war, den sie erwartet hatte. Während ich mir also – hatte ja nichts anderes zur Hand – den in gelbes Papier gehüllten Blumengruß – raschel, raschel – vor die Augen zog, verschwand sie im Nebenzimmer, warf sich was über. Was ich völlig angemessen fand. Denn – nein – ich wollte nicht mehr sein als Blumenbote, schon gar nicht so plötzlich.

Es rührte mich jeden Samstag

Auch nicht, als eine von einem Freund begehrte Mitschülerin, zwei Jahrgangsstufen unter uns, eines Samstagmorgens, Station drei meiner Blumentour, im – ähem – lasziv verrutschen Pyjama vor mir stand. Wollte sie das? Wollte sie etwas von mir? War das alles nur ein Versehen? Egal. Ich überreichte die Blumen und ging, ein Trinkgeld gab es dort nicht.

Ans Herz wuchs mir in meiner Zeit als Blumenfahrer nur eine: die alte Dame, die mich im Seniorenheim auf ihrem Sofa liegend empfing. Also, sie lag dort immer und hatte sich nicht etwa extra für mich dort drapiert. Sie zog an einer langstieligen Zigarette der heute – sicherlich zu Unrecht – in Vergessenheit geratenen Tabakmarke Atikah und freute sich, dass ich kam. Ihre Stimme war rauchig, was auch irgendwie sinnlich war, eine mit Wasser gefüllte Vase stand bereit, daneben die Schere zum Durchschneiden des Blumenbandes und zwei Mark Trinkgeld. Ein kurzes Gespräch über die Fährnisse des Alters und vor allem ihren fernen Liebhaber, der ihr alle 14 Tage Blumen kommen ließ. Das rührte mich jeden zweiten Samstag aufs Neue.

Was dieser mir gänzlich unbekannte Mann voll guter Manieren und liebevoller Zuneigung über die Entfernung und all die Jahre dieser Frau an Freude bereitet hat – man wird es nie beziffern können. Und allein schon deshalb sage ich: Kauft Blumen! Schenkt Freude! Im Winter! Am 14. Februar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • G
    greta

    herrlich - Blume Cordes, Fleischerei Hutfilter - Oldenburg Osternburg - da kommen mir Heimatgefühle beim Lesen

  • T
    Tom

    Wäre mein elender Heuschnupfen nicht, dann hätte ich jetzt glatt ein schlechtes Gewissen. So habe ich aber noch eine extra Ausrede als nur die pure Konsumverweigerung. Welche man als Dogma auch ruhig mal hinterfragen kann, liebe Andrea. Kritisch heisst nämlich vor allem mal selbstkritisch - sich selbst auf den hohen Moralsockel stellen und alle anderen kritisieren, dagegen ist die Definition von Spiessbürgertum. Das gibt es nämlich auch links und sogar mit SpiessbürgerInnen...

  • B
    benedetto

    erschreckend, wie auch die taz mittlerweile über die billige sex-sells-schiene auf leserfang geht...ohne den titel würde niemand diesen artikel lesen!

  • J
    JadotA

    Ich denke,

    die alte Dame hat sich selbst ein Abo-Blume zugewiesen,

    um da knackige Besuch empfangen zu dürfen.

     

    Das ist normal: Sex Not macht erfinderisch

    und jenseits der zwei Mark Trinkgeld,

    sind Kopfkino bzw. Hoffnungen im Preis inklusiv.

     

    Der Mär des unsichtbaren Liebhabers mit Fleurop-flatrate klingt gut, aber flach.

    Ist zugegeben besser als mit Kemptner und Pizza-Lieferer,

    ohnehin im Heim verboten.

     

    Schließlich kann die alte Dame mit dem blumigen Trick

    Neid und Tratsch der anderen Heimdamen angekurbelt werden,

    die das Spielchen ohnmächtig zusehen,

    denn was nutzt der alten Dame etwas glücklich zu sein, wenn niemand es merkt?

     

    Ich täte so wie sie, wenn ich alt und Frau wäre.

  • A
    Andrea

    Klasse Überschrift, ganz Bild-Niveau... Was ist hieran guter Journalismus? Dieser Artikel ist ein wunderbares Beispiel, wie man aus nichts einen völlig unkritischen platten Text macht. Anstatt mal wirklich kritisch über Konsum und Rollenverhalten in Zusammenhang mit diesem Tag nachzudenken... Dann noch eine Überschrift drüber, die mit dem Inhalt kaum etwas zu tun hat und fertig... Taz? Für sowas Zahl ich nicht. Da ist die Bild günstiger, wenn ich so Quatsch lesen will.

  • J
    Jan

    Ich brauche keinen bestimmten Tag, um Freude zu verschenken oder einer Frau zu sagen, was sie mir bedeutet. Liebe gibt es gratis 365 Tage im Jahr, sie braucht keinen 14. Februar, um von einem Menschen zum anderen zu fliegen. Und ganz ehrlich? Blumen sind ja mal wirklich unkreativ, zumindest wenn sie ohne Gedanken gekauft werden. Ich möchte nicht wissen, wie viele rote Rosen heute verkauft werden, obwohl es kein klischeehafteres Gewächs gibt. Nicht jede Frau mag rote Rosen. Die Auswahl des Geschenks oder der Geste zeigt, wie sehr man einen geliebten menschen wirklich kennt.