piwik no script img

Thatchers letztes GeleitIm Feuer der politischen Kontroverse

Der militärische Trauerzug für Maggie Thatcher ist pompös. Zum Abschied der ehemaligen Premierministerin stehen nicht nur ihre Verehrer am Straßenrand.

Maggie hat nicht nur Freunde in Großbritannien. Bild: dpa

LONDON taz | Bereits am frühen Morgen reihen sie sich an der Fleet Street ein. Trauernde aus ganz Großbritannien sind dabei, als der Leichnam der am 8. April verstorbenen Expremierministerin Margaret Thatcher von Soldaten der britischen Armee, darunter Veteranen des Falklandkrieges, auf einer Lafette zur St Paul’s Cathedral getragen wird.

Drinnen warten Familienangehörige, die Königin und etwa 2.000 Ehrengäste: Henry Kissinger und George Shultz, Frederik Willem de Klerk und Vladimir Bukovsky, John Major und Tony Blair, Mario Monti und Donald Tusk, Guido Westerwelle und Michele Bachmann, aber auch zum Beispiel die Krimiautorin P. D. James und der linke Theaterautor Tom Stoppard.

Unter denen, die sich am Straßenrand von Thatcher verabschiedeten, loben viele die Eiserne Lady als großartige Frau, die Großbritannien wieder respektabel gemacht habe. Helen Parker, 48, Imbissbesitzerin aus Sheffield, erinnert sich, wie vor der Thatcher-Zeit ihre Mutter dringend einen Krankenwagen benötigte. Die Ambulanz kam aber nicht, weil die Fahrer streikten, die winterlichen Straßen waren nicht gestreut, weil die Straßenarbeiter streikten, und ihre Tante fuhr beinahe ihre Mutter und sich in den Tod. Seitdem war Parker Anhängerin von Thatcher, weil Thatcher dem Chaos ein Ende machte.

Dorothy Muttings, Krankenschwester aus London, die sich als britisch mit afrokaribischem Hintergrund bezeichnet, sagt, sie liebe Thatcher, weil sie die Barrieren für Frauen durchbrochen habe. Bibliothekarin Susan Wherle aus Ostlondon hingegen ist gekommen, weil sie Thatcher und ihre Ideologie hasst, wie sie sagt.

Die 47-Jährige wirkte bei den Bergarbeiterstreiks mit und war 1984 vor dem Parteitagshotel der Konservativen in Brighton gerade in dem Moment, wo es von der IRA in die Luft gesprengt wurde. Als Thatchers Sarg vorbeizieht und viele Beifall klatschen, kehrt Wherle der Prozession demonstrativ den Rücken zu. Sie ist nicht die einzige. Die Demonstranten befinden sich jedoch in der klaren Minderheit.

Tapfer und standhaft

In St Paul’s belässt man es im Gegensatz zum pompösen staatlichen Trauerzug bei einem relativ schlichten Gottesdienst. Dekan David Ison spricht seine Dankbarkeit gegenüber der Verstorbenen aus, „für ihre Führung der Nation sowie ihre Tapfer- und Standhaftigkeit, um das zu erreichen, was sie als richtig für die Allgemeinheit empfand“. Er betont ihre Höflichkeit und ihr Interesse am „Wohl individueller Menschen“. Der Londoner Bischof Richard Chartres weist darauf hin, dass Thatcher im Feuer der Kontroverse lebte. „Jetzt aber ist nicht der Moment und Ort, politische Argumente über ihr Leben auszutragen.“

Kontrovers bleibt Thatcher auch nach ihrem Tod. Öffentliche Meinungsverschiedenheiten gibt es über die auf etwa zwölf Millionen Euro gerechneten Kosten der Trauerfeier, die größte nicht königliche in Großbritannien seit dem Tod Churchills 1965. Einige Demonstranten geben an, nur deshalb gekommen zu sein. Auch die Entscheidung, dass die Glocken von Big Ben während des Trauerzuges und der Bestattung zum ersten Mal seit dem Ersten Weltkrieg nicht läuteten, wird von Gegnern als opulent dargestellt.

Da Thatcher eine Feuerbestattung verlangte, wird es weder einen Schrein für Bewunderer noch einen Austragungsort für den Frust ihrer Gegner geben. Noch nicht. Denn Verteidigungsminister Philipp Hammond sprach bereits von einem möglichen Thatcher-Denkmal am Trafalgar Square. Es versteht sich von selbst, dass dieses Unterfangen bereits heftig umstritten ist.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • D
    Detlev

    Sie ist wohl zur rechten Zeit gestorben, da kann der glücklose Konservative Cameron ihr ein Denkmal verordnen und sie noch unsterblicher machen, als sie es ohnehin schon ist.

     

    Das Problem an Thatcher ist ihre Verklärung. Nun waren Gewerkschaften und viele Teile des Landes nicht in bester Verfassung 1979, aber es wurde im Nachhinein auch stark übertrieben. Ihren echten Schub erlebte sie ja als Kriegsherrin im Falklandkrieg. Das hat auch ihre Nimbus als eiserne Lady sehr geholfen.

     

    2013 ist Großbritannien abermals der Patient ohne richtige Heilung. Das Land hat sich fürs erste kaputtsaniert und die Stimmung ist stark gegen die Regierung, aber Entpolitisierung und Misstrauen gegen Politiker sind verbreitet. Nun hat Cameron zum Glück nicht die Chance zum Krieg, deswegen könnte Labour bald wieder regieren. Und dann wäre es gut, wenn Vernunft zurückkehrt. Alleine Blair war in vielen Fragen eine Angsantwort auf die Idiotien von Thatcher, er konnte nicht über ihren Schatten springen und er hat lieber seine Partei heruntergewirtschaftet, als vom neoliberalen Spiel abzulassen.

     

    Wer heute die U-Bahn in London nimmt oder auf öffentliche Verkehrsmittel bzw. Infrastruktur angewiesen hat, der erlebt Großbritannien nahe an der Stufe zum Entwicklungsland. Die im Prinzip überdimensionierte Armee und die vielen schmutzigen Details aus Nord-Irland sind dann auch eine weitere Passage aus dem Horror der Thatcher-Jahre. Wer diese Frau anbetet, der blendet eben aus, denn ihre politischen Spiele und Ideen waren häufig fehlerhaft, führten zu Krisen oder Arbeitslosigkeit, Armut. Bei einer genauen Überprüfung sieht ihr Erbe düster aus, und wirkt sogar bis heute nach. Das ist wahrhaftig eine Leistung, aber nachahmen will das hoffentlich niemand.

  • Z
    Zunder

    Ein Häufchen Asche ist alles, was von diesem "Brechmittel" übrig bleibt. Scheinbar sind hier im Blog einige, die gegen Hartz IV -aber für Thatcher sind. Gegen Thatcher war doch Schröder human. Eiserne Lady hört sich besser an als Skrupellose Lady. Die Seite aus dem Lexikon werde ich persönlich direkt rausreißen, damit die Lügen nicht meinen Kindern erzählt werden.