Krise in Italien: Napolitano bleibt Präsident
Es bleibt beim Alten: Giorgio Napolitano wird eine zweite Amtszeit bestreiten. Nur auf ihn kann sich die politische Klasse einigen. Ein 87-jähriger muss das Land retten.
ROM ap | Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano ist wiedergewählt worden. Der 87-Jährige übertraf in der sechsten Wahlrunde am Samstag ohne Probleme die erforderliche Mehrheit von 504 Stimmen im Parlament. Der Amtsinhaber hatte zuvor angesichts der bisher ergebnislosen fünf Wahlrunden eingewilligt, doch noch als Kandidat für eine zweite Amtszeit anzutreten. Er habe keine andere Wahl, als „Verantwortung gegenüber der Nation zu übernehmen“, teilte Napolitano am Samstag in einer Erklärung mit.
Sowohl Ministerpräsident Mario Monti als auch sein Vorgänger Silvio Berlusconi hatten bei Napolitano vorgesprochen, um ihn zu einen neuerlichen Antreten zu überreden. Napolitano hätte turnusmäßig am 15. Mai sein Amt ablegen sollen.
Der 87-Jährige hatte unter Berufung auf sein Alter mehrmals abgelehnt, noch einmal sieben Jahre im Amt zu bleiben. Der Präsident und seine Frau haben Medienberichten zufolge auch bereits damit begonnen, ihre Sachen im Quirinals-Palast zu packen.
Die Parteien im Parlament hatten sich bis dahin nicht auf einen neuen Präsidenten einigen können. Seit Donnerstag scheiterten fünf Wahlversuche, der jüngste am Samstagvormittag. Sowohl der frühere Senatspräsident und Gewerkschaftsführer Franco Marini als auch Ex-Regierungschef Romano Prodi erreichten nicht die erforderliche Mehrheit. Ohne einen neuen Staatspräsidenten kann keine neue Regierung gebildet werden.
Seit seinem knappen Wahlsieg vom Februar ringt der Chef der Demokratischen Partei, Pier Luigi Bersani um eine Regierungsmehrheit. Das rezessionsgeplagte Euro-Land braucht dringend Reformen.
Der „große Alte“ der Politik
Napolitano ist einer der wenigen wirklich breit geschätzten Politiker des Landes und macht auch bei Reisen ins Ausland eine „bella figura“. Im Spätherbst 2011 fädelte er den Übergang von dem gescheiterten Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu dem Reformer Mario Monti ein. Und auch nach den Parlamentswahlen Ende Februar setzte er alles daran, dass Italien trotz des Patts rasch zu einer Regierung kommen sollte. Das konnte der geschickte Strippenzieher im Quirinale-Palast nicht schaffen - so kurz vor dem Ende seines Mandats waren ihm die Hände gebunden.
Der aus gutbürgerlichen Verhältnissen in Neapel stammende Napolitano schloss sich mit 17 Jahren dem Widerstand gegen den faschistischen Diktator Mussolini an. 1945 trat er der PCI (Partito Comunista Italiano) bei, 1953 wurde er zum Abgeordneten gewählt.
Vor Jahrzehnten galt er als einer der großen Modernisierer der Kommunistischen Partei PCI und war Anfang der 90er Jahre maßgeblich an deren Umwandlung in die sozialdemokratische DS (Democratici di Sinistra) beteiligt. Schon damals war der stets elegant gekleidete und zurückhaltende Napolitano ein bewährter Vermittler zwischen verhärteten Fronten. Heute ist er „der große Alte“ der Politik des Stiefelstaates. Wegbegleiter haben ihn deshalb gern als bescheidene und gemäßigte Vaterfigur mit schütterem Haar und Brille beschrieben.
Napolitano hat wichtige Ämter im Parlament bekleidet, so als Präsident der Abgeordnetenkammer (1992-1994) und als Innenminister unter der ersten Regierung von Romano Prodi. In seiner Jugend war Napolitano unter anderem als Schauspieler tätig. Das Schreiben von Gedichten blieb sein großes Hobby. Er hat mehrere Bücher verfasst und ist mit Clio Napolitano verheiratet, mit der er zwei Söhne hat.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen