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Piraten ködern Grüne JugendKinderlein, kommet!

Die Piratenpartei will per Beschluss die Grüne Jugend kapern – mit einer „friedlichen Assimilation“. Die Attackierten finden das nicht lustig.

Assimilieren! Bild: dpa

Es war Feierabendstimmung, das Gekicher unüberhörbar. Parteichef Bernd Schlömer war schon auf dem Heimweg – und dann kam er, der dreiste Übernahmebeschluss auf dem Bundesparteitag der Piraten am Wochenende. Inhalt: Bundesparteitag_2013.1/Antragsportal/X034:„Die Piratenpartei betrachtet die Grüne Jugend als ihre zweite Jugendorganisation.“ Der Versammlungsleiter rief noch in den Saal: Das sei kein Spaß hier, sondern im Zweifel ein bindender Beschluss. Und dann wurde der Antrag angenommen.

„Lasst uns die Grüne Jugend aus ihrer Knechtschaft befreien“, heißt es da. Dreister lässt sich kaum wildern. Die Grüne Jugend - gekapert von Piraten? Piratensprecher Andreas Bogk machte am Montag auf Ernst und sagte der taz: „Wir sehen bei unserer Programmarbeit, dass es unter den Aktiven durchaus personelle Überschneidungen gibt.“

Und so dauerte es nur wenige Stunden, bis der grüne Jugendverband reagierte: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von dem Beschluss der Piraten. Dass er ohne jegliche Kontaktaufnahme mit uns entstanden ist, zeugt von einem Demokratieverständnis, das mit unserem nicht zu vereinbaren ist“, polterte der Vorstandssprecher Jens Parker. Den Piraten fehle es an einer Politik für ein solidarisches und demokratisches Europa.

Rechtlich ist der Beschluss unbedeutend. Keine Partei, sagt der Düsseldorfer Parteienrechtler Sebastian Roßner, könne eine Aufnahme anderer ohne deren Zutun einfach so beschließen. „Die Offerte ist aber als Vereinbarkeitsbeschluss zu werten, als eine Einladung an Mitglieder der Konkurrenz. Daran können die Junggrünen kein Interesse haben.“

Haben sie auch nicht: Denn auch bei der Grünen Jugend wurde im Jahr 2011 schon einmal über einen Antrag abgestimmt, der gleich eine Satzungsänderung vorsah - explizit, um Mitgliedern die Doppelmitgliedschaft bei Piraten und Junggrünen zu ermöglichen. Das Ergebnis: Negativ. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Wer sich nun von Piraten kapern lässt, riskiert also: den Rausschmiss.

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10 Kommentare

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  • M
    Menno

    quote:

    "'Den Piraten fehle es an einer Politik für ein solidarisches und demokratisches Europa.'

     

    Den Grünen aber doch auch, schließlich haben sie für den Fiskalpakt und den ESM gestimmt, beide sind weder sozial noch demokratisch."

    ----------

     

    Gerade dazu gab es andererseits bei den Piraten entsprechende Beschlüsse, diese zu "demokratisieren", wenn man den Mist schon nicht so leicht abschaffen kann.

  • JE
    Janis Ehling

    Ich kann die Aufregung der Grünen Jugend ja einigermaßen verstehen, nur die Begründung nicht:

     

    "Den Piraten fehle es an einer Politik für ein solidarisches und demokratisches Europa."

     

    Den Grünen aber doch auch, schließlich haben sie für den Fiskalpakt und den ESM gestimmt, beide sind weder sozial noch demokratisch. Naja...

  • P
    Prana

    Voraussetzung, um diesen Antrag witzig zu finden, ist natürlich Humor…

    Allein dafür sollte man die Piraten wählen.

  • O
    Ole-Lakshmi

    Ooooch, die arme Roth-Jugend!

     

    Erbärmlich die Reaktion. Läuft der Bengel schon in Jack-Wolfskin-Jacken rum? Früher war bei Spiessers Loden en vogue....

  • C
    Chris

    "...Dass er ohne jegliche Kontaktaufnahme mit uns entstanden ist, zeugt von einem Demokratieverständnis, das mit unserem nicht zu vereinbaren ist"

     

    Exakt DIESES Demokratieverständnis !

    Herrlich, hier fühlen sich wohl die Meinungslenker übergangen.

  • M
    Muidem

    #1 & #2: Was die Staatsbürgerschaft mit der individuellen Bereitschaft, sich politisch zu engagieren zu tun hat, wissen Sie wahrscheinlich nur selbst.

     

    #3: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, glauben Sie, dass durch diesen Beschluss der Piraten die vermeintlichen inhaltlichen Defizite herausgestellt würden? Ich denke, dass es eher umgedreht der Fall ist: die Piraten wollen sich eine inhaltliche Positionierung ersparen, in dem sie ausdrücken, die finden wir gut. Nicht anderes tun sie mit dem Beschluss. Weder begeben Sie sich in die eigene Diskussion mit Ihren Mitgliedern, noch wagen sie die Konfrontation mit der gemäßigten Klientel.

    Piraten halt!

  • RW
    Rainer W.

    Tja, genau das ist es.

     

    Einerseits wollen sie die Doppelte Staatsbürgerschaft und wischen die Bedenken der Kritiker mit dem Argument beiseite, dass man niemanden dazu zwingen sollte sich zu entscheiden.

     

    Geht es aber UM DIE EIGENEN BELANGE, dann gilt das plötzlich nicht mehr.

     

    Es ist jedesmal dasselbe mit dem Wasser predigen und Wein saufen. Bei der Asylpolitik ist es genauso. Müssten die Forderer die Personen selbst bei sich aufnehmen, dann würde die Zustimmung rapide bröckeln. Aber es ist immer einfacher, der Gesellschaft die Probleme ans Bein zu binden, anstatt sie selbst auszubaden.

     

    Der JuPi-Antrag ist jedenfalls entlarvend.

  • S
    Sperling

    Das Interessante ist dabei, das die Grünen einerseits starke Verfechter der doppelten Staatsbürgerschaft sind und dies mit guten Argumenten belegen (diese Position teilen die Piraten übrigens), andererseits aber die Doppelt Parteimitgleidschaft ablehnen.

     

    Ich nenne das Schizophren ...

  • UZ
    und zu

    Wären die Mitglieder der grünen Jugend nicht frühvergreist und ebensolche Ökospießer, wie ihre "erwachsene" Partei, hätten sie mit mehr Humor reagiert.

    So dokumentieren sie nur eines: Wir nehmen die Piraten ernst.

    Und das haben die nun wirklich nicht verdient...

  • MR
    Matthias Raupach

    Bessere Quelle über die Gründe der Aktion, von den Piraten!

     

    Der Sinn besteht nicht hauptsächlich darin, die Grüne Jugend zu übernehmen, sondern darin auf die Unvereinbarkeiten in DEREN Programm aufmerksam zu machen!

     

     

    http://www.readers-edition.de/2013/05/13/parteitagsantrag-der-jungen-piraten-bringt-grune-jugend-in-bredouille/