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Debatte Hisbollah und AssadSie waren Helden

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Einst galt die Hisbollah in der arabischen Welt wegen des Kampfs gegen Israel als Vorbild. Jetzt unterstützt sie Assad und verliert Sympathien.

Ein Victoryzeichen bei Protesten gegen die Hisbollah in Beirut. Bild: ap

E ine kleine Meldung aus den vergangenen Tagen: Die libanesische Hisbollah fordert die Vertreter der palästinensischen Hamas auf, sofort den Libanon zu verlassen. Fast möchte man sich die Augen reiben. Die Hisbollah jagt ihre eigenen Schützlinge von der Hamas aus dem Land?

Es ist noch nicht lange her, da wäre dies völlig undenkbar gewesen. Die Schiitenmiliz mag in den USA und Israel als Terrororganisation gelistet sein, aber in der arabischen Welt wurde sie bewundert. Sie war Vorbild und Bündnispartner vieler sogenannter Widerstandsgruppen, insbesondere der radikalislamischen Hamas.

Doch die Rebellionen in der arabischen Welt, insbesondere der Aufstand in Syrien, verändern den Nahen Osten. Dass die Hisbollah nun offen auf der Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad mitkämpft, ihm womöglich sogar die Macht rettet, ist ein game changer. Mit dieser klaren Positionierung beginnt eine dramatische und gefährliche Entwicklung.

In der gesamten muslimischen Welt wurde das Wort Hisbollah über Jahrzehnte mit Ehrfurcht ausgesprochen. Viele wollten ihr nacheifern. Die Hamas hat immer davon geträumt, so erfolgreich zu sein wie die Hisbollah, die 2000 die israelische Armee aus dem Südlibanon vertrieb. Die Hisbollah hat Israel – nach eigener Lesart jedenfalls – auch im Krieg 2006 eine empfindliche Niederlage zugefügt.

Tanzen auf der Straße

Im Libanon vergaßen die Sunniten vorübergehend sogar, welch zwielichtige Rolle die Hisbollah bei dem Mord an Expremier Rafik Hariri gespielt hat. Die Palästinenser tanzten vor Begeisterung auf den Straßen und verteilten Süßigkeiten. „Nur die Hisbollah kann Israel die Stirn bieten“, schwärmten im palästinensischen Ramallah junge Frauen in engen Hosen ebenso wie Vertreter islamistischer Gruppen.

Silke Mertins

war langjährige Nahostkorrespontentin der Financial Times Deutschland in Jerusalem. Zuvor arbeitete sie bei der taz als Redakteurin. Heute schreibt sie als freiberufliche Journalistin zu Nahost- und Sicherheitsthemen.

Dass die Hisbollah schiitisch ist, war den sunnitischen Palästinensern bis vor Kurzem noch gleichgültig. Sie waren Helden. Alle wünschten sich, es möge ein wenig vom Glanz der Hisbollah auf sie abstrahlen. Keine noch so aufgeblähte arabische Armee hat es in über 60 Jahren geschafft, den jüdischen Zwergstaat militärisch zu besiegen.

Über 300 Millionen Araber kommen gegen 7 Millionen Israelis einfach nicht an – eine schwer zu verkraftende Demütigung. Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum die Hisbollah für den arabischen Stolz so wichtig war. Sie wich vor der israelischen Armee nicht zurück.

Die Schiitenmiliz hat Israel, in ihrer eigenen, fragwürdigen Wahrnehmung, sogar in die Knie gezwungen. Mehr Street-Credibility konnte man in der arabischen Welt nicht haben. Doch dann kam der Arabische Frühling. Die Hisbollah fand sich in einem Dilemma wieder. Sie hatte einerseits kein Interesse daran, dass der syrische Bürgerkrieg auf den Libanon übergreift.

Ein neuer Feind

Andererseits geht ihr die Loyalität zu den Verbündeten in Syrien und mehr noch im Iran über alles. In jedem noch so kleinen Hisbollah-Büro im Libanon hängt ein Foto ihres Chefs Hassan Nasrallah – und zwar für gewöhnlich Seite an Seite mit Irans oberstem geistlichem Führer Ali Chamenei, dem wichtigsten Mann der Islamischen Republik. Die religiöse und politisch-ideologische Bindung zwischen der iranischen Führung und der Hisbollah kann gar nicht überschätzt werden.

Fast zwei Jahre hielt Nasrallah sich zum Syrienkonflikt auffallend zurück. Die schiitische Bevölkerung – ganz überwiegend Hisbollah-Anhänger – war angewiesen, sich zum Aufstand im Nachbarland nicht zu äußern. Doch mit jeder Entführung schiitischer Libanesen im Nachbarland wurde das Murren in der Bevölkerung größer.

Gleichzeitig verlor Syriens Diktator immer mehr an Boden. Nach einer israelischen Schätzung von letzter Woche kontrolliert sein Regime nur noch 40 Prozent des Landes. Chamenei dürfte Nasrallah ans Herz gelegt haben, Assad mit seinen erprobten und ideologisch gefestigten Kämpfern unter die Arme zu greifen. Syrien ist als Verbündeter für beide gleichermaßen wichtig.

Doch die Treue zum Verbündeten Assad kommt die Schiitenmiliz teuer zu stehen. Die Hisbollah stand aus Sicht der meisten Araber und Irans auf der richtigen Seite. Der gemeinsame Feind Israel verband Schiiten und Sunniten, Araber und Perser. Heute haben viele Menschen in der Region aber einen anderen Feind vor Augen: Assad.

Der junge Augenarzt, der bei Amtsantritt so große Hoffnungen geweckt hatte, hat sich als ein größerer Schlächter entpuppt als sein Vater. In zwei Jahren hat Assad mindestens dreimal so viele Araber getötet wie Israel in 100 Jahren israelisch-arabischem Konflikt.

Der Flächenbrand droht

Eine Ausweitung des syrischen Bürgerkriegs auf den Libanon wird kaum noch zu verhindern sein. Nun könnte sich fürchterlich rächen, dass die Hisbollah ein Staat im Staate ist. Der militärische Arm der Organisation ist ohne Zweifel stärker, schlagkräftiger und besser ausgerüstet als die libanesische Armee. Schwer vorstellbar, dass eine andere Miliz die Hisbollah militärisch herausfordern wird. Doch Bombenanschläge und Racheakte wie im Irak könnten auch im Libanon die Regel werden.

Und nicht nur das: Die Intervention der Hisbollah in Syrien heizt den hochexplosiven Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in der Region an. Die Golfstaaten mit Saudi-Arabien als Führungsmacht stören sich schon lange daran, dass im Irak seit dem Fall Saddam Husseins die Schiiten – entsprechend der Bevölkerungsmehrheit – das Sagen haben. In Bahrain, Syrien und Jemen wurden oder werden de facto bereits Stellvertreterkriege geführt.

Oft ist im Westen von einem möglichen Flächenbrand in Nahost die Rede gewesen. Als die Alliierten im Irak eingriffen. Als sie in Libyen intervenierten. Und natürlich auch für den Fall, dass der Westen gegen Syrien oder den Iran mehr als Sanktionen verhängt.

Es gehört zum Kanon der üblichen Warnungen. Der nun offene Kampf der Hisbollah auf Seiten Assads könnte jedoch tatsächlich genau das sein: der Beginn eines regionalen Krieges zwischen Schiiten und Sunniten. Verhindern kann das jetzt niemand mehr.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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9 Kommentare

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  • M
    MR.X

    Wer ist dafür verantwortlich für denn krieg ihn syrien irak libyen ect

    ganz einfach

     

    EUROPA USA

    Sie verkaufen jahrelang waffen an Arabische Regime

    und man wusst vorher das ihn arabische länder keine demokratie gab und sie wird auch nieee geben

    Erst arbeitet man mit denen jahrelang sei es geschäftlich und dann wenn die völker versuchen eine demonstratione zu organisieren werden sie verprügelt mitlerweiler getötet.

    Es gibt zahl reiche nicht regeirende organisatione die davor gewarrt haben beipiel deutschland verkauft panzer rakten ect an algerien saudis ect

    hauptsache geld!! ICH GEBE DIE SCHULD EUROPA USA für alles , dennn für die nur geld ,ob kinder sterben oder frauen dem ist es egal!! Ihn medien zeigen siche die eu usa besorgt nur FASSADEN!!!!

  • I
    Irmi

    Die Leute, die hier Assad verteidigen möchte ich mal fragen, ob sie einen, der aufs eigene Volk schießt, es bombardiert ein Demokrat sein kann ?

    Was muss dieser Typ denn noch alles tun, damit ihr einseht, das er ein Diktator ist.

     

    Außerdem sagt nicht nur der Artikelschreiber hier Diktator, dann lesen Sie doch mal die Zeit, Focus, Spiegel, Bild, technobase, Tagesspiegel und viele andere Zeitungen oder Sender nennen ihn auch so.

     

    Nun meine Meinung, wer auf sein Volk schießt, wer auf Frauen und Kinder Bomben wirft, ist auch in meinen Augen sicher kein Demokrat oder guter Mensch. Ich würde ihm noch ganz andere Titel geben, als Diktator.

  • T
    Toni

    Welche Rolle hat die Hizbollah denn bei der Ermordung von Harriri gespielt? Hören Sie auf hier Propaganda zu verbreiten. Desweiteren versuchen Sie einen Keil zwischen Sunniten und Schiiten zu treiben, wird aber nicht klappen. Schade!?!

  • M
    Markus

    Ich kann es kaum glauben.. Ihr seid ja noch schlimmer als die Bild zeitung.

     

    Ihr nennt den Syrichen präsident einen Diktator?

     

    Habt ihr überhaupt dafür beweise?!

     

    Jeder andere Deutsche Nachrichten sender/seite hat noch nie behauptet das Bashar al Assad ein Diktator sei.

     

    Oder wolltet ihr nur aufallen um mit den anderen seiten mitzuhalten.

  • P
    Peter

    Wenn man eine militärische Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten nicht verhindern kann, sollte sich der Westen nach Möglichkeit aus diesem Konflikt heraushalten. Wir haben dort nichts zu gewinnen, nur zu verlieren. Die in der Region verbliebenen Christen können einem Leid tun, hier sollte Deutschland helfen und christlische Flüchtlinge aufnehmen.

  • I
    I.Q

    Eine kleine Meldung aus vergangenen Tagen und nur Frau Mertins hat sie gelesen?

     

    Wenn man sich schon auf die gefärbten Meldungen der J-Post einlässt, dann sollte man sie auch wirklich lesen, bevor man sich wichtig macht,

     

    Vom Hamasrepräsentanten im Libanon hieß es,

    „Baraka denied the report ….“.

    und weiter war zu lesen

    „Abu Imad Rifai, the Islamic Jihad representative in Lebanon, also stressed to the paper that Hamas remained in Lebanon and that no changes had been made.“

     

    http://www.jpost.com/Middle-East/Report-Hezbollah-orders-Hamas-out-of-Lebanon-314850

     

    Und die Meldungen, dass die Hamas sich aus Damaskus zurückgezogenen hatte sind noch älter, so dass ein verwundertes Augenreiben allenfalls für die Darstellungen von Frau Mertins angebracht wäre.

     

    Ist es Frau Mertins etwa auch entgangen, welches Disaster die J-Post vermelden musste, weil bislang nichts aus einer Ächtung der Hisbollah durch die EU geworden ist, weil man nicht beliebig alles Mögliche über die Hisbollah zusammenlügen kann?

     

    Doch was ist das denn für ein Aufguss von Propagandaklischees und abgetakelter Bilder der Nah-Ost-Geschichte?

     

    Die wird schon überdeutlich, wenn man zusammenträgt, in welcher Weise hier Israel eingebracht wird und auf „religiösen“ Zwist abgestellt wird. Letzterer scheint doch überall in der „arabischen Welt“ nichts anderes zu sein, als Verteilungs- und Machtfragen, also vorgeschobene Gründe um von Konflikten wegen Armut mangelnder Freiheit und Gleichheit abzulenken.

     

    Welche Kräfte hinter Israel stehen, bezeugen 46 bzw. 65 Jahre nicht umgesetzte und verhinderte UN-Beschlüsse im Sicherheitsrat, Milliardenhilfen und militärische Ausstattung des „Flugzeugträgers des Westens“ im Nahen-Osten.

     

    Einen Flächenbrand im Nahen Osten hingegen ließe sich sehr wohl eindämmen. Dazu könnte beitragen, wenn verschiedene Organisationen aus Washington und Tel-Aviv auf Die Wahre Terrorliste gesetzt und entsprechend behandelt werden.

  • P
    pauli

    der text ist unlogisch. was war denn nun zuerst da, die hisbollah in syrien, jihadisten in syrien oder das sektierertum? begann der flächenbrand erst mit der unterstützung der hisbollah oder nicht vieleicht doch schon mit beginn der saudischen und qatar´schen einmischung?

    und von wegen keine andere miliz würde es wagen gegen die hisbollah anzutreten: auseinandersetzungen mit salafistischen gruppen sind in libanon seit zwei jahren auf der tagesordnung!

  • MM
    Martin M.

    Selam, Frau Mertins !

    Guter Artikel eigentlich, bloß dieser eine Absatz „der junge Augenarzt …“, der ist eine Affekttat.

    Auch wenn´s schwer fällt, ein bisschen mehr kritische Distanz bitte ! "Schlächter" ist nicht ein Terminus, den man so aus der Hüfte schiesst.

    Und: Nicht Assad himself hat getötet, das hat er ja wohl eher beauftragt.

  • D
    Daniel

    Was war denn zuerst? Die Vertreibung und Ermordung aller Nichtsunniten ist doch bereits mit dem erstarken der radikalen Nusra Front da gewesen. Wieso soll da noch die Hisbollah den Konflikt verstärken? Was ist denn mit den 2 christ. Entführten Geistlichen geschehen, ist das noch ok? Wie schauts denn mit den Vorbildern der Rebellen in Sachen Demokratie, Religionsfreiheit aus?