piwik no script img

Krieg und Massaker in Syrien80.000 Kriegsopfer

Im syrischen Bürgerkrieg sind mindestens 93.000 Menschen getötet worden. Zudem zeigt ein Video ein konfessionell motiviertes Massaker in Ostsyrien.

Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee Bild: reuters

GENF/DAMASKUS/BEIRUT rtr/dpa/afp | Im syrischen Bürgerkrieg sind nach jüngsten Angaben der Vereinten Nationen (UN) bis Ende April mindestens 93.000 Menschen getötet worden. Neben diesen belegten Todesfällen gebe es eine potenziell erheblich höhere Dunkelziffer, erklärte das Menschenrechtsbüro der Weltorganisation am Donnerstag in Genf.

Seit Juli 2012 seien im Monatsdurchschnitt mehr als 5000 Menschen zu Tode gekommen. Die meisten Opfer seien seit November im Umland der Hauptstadt Damaskus und in der Millionen-Metropole Aleppo gezählt worden.

Die extrem hohen monatlichen Totenzahlen seien Ausdruck der drastischen Verschärfung des Bürgerkriegs, erklärte die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay. Es gebe gut belegte Fälle von Folter und Tötung von Kindern sowie von Massakern an ganzen Familien einschließlich Babys. „Das ist eine schreckliche Erinnerung, wie teuflisch dieser Konflikt geworden ist“, erklärte Pillay.

Mitte Mai hatten die UN die Zahl der Kriegsopfer mit 80.000 angegeben. Die jüngste Zählung speist sich aus acht Quellen. Darunter sind Angaben der syrischen Regierung wie auch der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die der Opposition nahesteht. Die Liste der UN führt nur Tote auf, deren Namen und Sterbeorte bekannt sind.

Tötung von 60 schiitischen Dorfbewohner

Währenddessen ist im syrischen Bürgerkrieg erneut ein konfessionell motiviertes Massaker verübt worden. Die oppositionsnahe syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte veröffentlichte am Mittwoch ein Video, auf dem sunnitische Rebellen die Tötung von 60 schiitischen Dorfbewohner im Osten des Landes feiern.

Auf dem Video sind bewaffnete Männer zu sehen, die in dem Dorf Hatlah in der Provinz Deir Essor verstümmelte Leichen und brennende Häuser vorführen. „Gott ist groß, alle Häuser der Schiiten wurden in Brand gesteckt“, kommentiert eine Stimme auf dem Video. „Hier sind die Kämpfer des Dschihad (Heiligen Krieg) zu sehen, die ihren Einzug in die Häuser der ungläubigen Schiiten feiern.“ Ein anderer Kämpfer ruft vor einer Leiche: „Seht die Schiiten, seht euer Ende, ihr Hunde!“

Nach Angaben der Beobachtungsstelle hatten schiitische Kämpfer einen Posten der Rebellen angegriffen und dabei zwei Aufständische getötet. Daraufhin hätten die Rebellen das Dorf Hatlah überfallen und dabei rund 60 Dorfbewohner getötet. Das Eingreifen der schiitischen Hisbollah-Miliz bei der Rückeroberung der Rebellenhochburg Kusair vergangene Woche trug zur weiteren Konfessionalisierung des Konflikts bei.

Durch die Einnahme Kusairs gestärkt, drangen am Mittwoch die Regierungstruppen in der nahe gelegenen Stadt Homs auf mehrere Viertel vor, die seit Monaten von den Rebellen gehalten werden. Laut der Beobachtungsstelle bereitete die Armee auch eine Offensive auf die nördliche Großstadt Aleppo vor.

Rebellen stürmen Militärstützpunkt

Ein syrischer Kampfhubschrauber bombardierte unterdessen den Grenzort Aarsal im Libanon. Dabei seien mehrere Menschen verletzt worden, sagte ein Vertreter der libanesischen Sicherheitsdienste. Vor wenigen Tagen waren in dem Ort, der den Aufständischen nahesteht, Verletzte aus Kusair eingetroffen.

Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, Rebellen hätten in der Provinz Hama einen Militärstützpunkt gestürmt, der an der Straße zwischen Damaskus und Aleppo liegt. Bei dem Angriff im Bezirk Murak seien sechs Soldaten getötet und Waffen erbeutet worden.

Heftige Gefechte wurden aus den Randbezirken von Aleppo gemeldet. Die staatliche Tageszeitung Al-Thawra schrieb, arabische und westliche Staaten wollten nun die Rebellen bewaffnen, nachdem ihre anderen Strategien für den Sturz des Regimes gescheitert seien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • KS
    Kritische Stimme

    Schon ueber 2 Jahre bringen Medien die Hororszenen vom blutigen syrischen Buergerkrieg mit schon fast 3 mio Opfer an Toten,Verwundeten,Invaliden,Fluechtlinge innerhalb+ausserhalb von Syrien. Niemand kann genau beurteilen was da genau passiert weil die europaeische Presse ueber die Politik+Nato Anweisungen bekommen hat was geschrieben werden muss+wer dort der Boesewicht ist.Jeder versteht dass Assad nicht einfach einen Krieg gegen das eigene Volk startet,sondern nur antwortet auf Prvokationen welche in keinem europaeischen Land toleriert wuerden.Deswegen muessen doch Alle einverstanden sein zu untersuchen wer/was diesen schrecklichen,blutigen Krieg ins Geheim unterstuetzt mit Waffen,terroristischen Anschlaegen,trainierung von Rebellen,Finanzmitteln fuer Waffen+taegliche Zahlung der Rebellen.Dann muessen Anstifter,Kriegshetzer+Finanzierer zum internationalen Gericht eingeladen werden um zukuenftigen Katastrophen zu vermeiden,weil diese Parteien sind im Stande ein furchtbares Leid in irgendeinem Land zu verursachen.Die VN muessen standhaft Verbrecher verfolgen auch wenn dies bedeutet das es um Obama,Cameron,Hollande,Merkel+Netanjahoe handeln koennte

  • HS
    Hari Seldon

    @frauen gegen assad:

     

    Nun, ich habe Kollegen aus Syrien, diese Menschen haben kein Probleme, wenn sie Damaskus verlassen wollen. Bitte, geht es hier nicht um Stadteile, wo die Terroristen am Werk sind, und die Bewohner durch die Terroristen als menschlicher Schutzschild benutzt werden? In Daraa wurden alle Polizisten und Staatsbedinsteten (z.B., Postmitarbeiter) einfach ermordet. Bitte, was meinen Sie, welche Staat auf aller Welt würde Polizistenmorden dulden? Als Europäer schäme ich mich, dass in Europe Kriegsverbrecher wie Cameron, Sarko, Hollande, Hague, Jospin, usw. beheimatet sind. Ohne Kriegshetzerei von aussen wäre Syrien weiterhin ein friedliches Land. Und Europe sollte nicht die Rille eines Hilfskrafts eines Weltpolizisten spielen. Öttinger (er ist wirlich nicht mein Liebling) hat Recht: Europe sollte sich auf die eigenen Probleme fokussieren, und nicht anderen belehren, was die einzige und absolute Wahrheit wäre. Hoffe, dass Frau Merkel mindestens Deutschland aus diesem neokolonialistischen Abenteuer raushalten kann.

  • FG
    Frauen gegen Assad

    Meine Familie ist gefangen in Damaskus und Daraa sie können wierder raus noch ist es möglich dort länger zu überleben ,denn Menschen ist jedoch alles lieber wie Assad die Shabiha sowie das ganze verlogene System-Es ist immer leicht "als Nichtbetroffener" aus sicherer Entfernung Schlaumeier zu spielen und tapfer sein. Zum Glück gibt es immer noch Menschen und Organisationen in deutschland die Menschen in Syrien helfen statt wie einige die Bärte der Rebelen zu messen und die Kämpfer als Terroristen zu betitteln.Was hat die Weltgemeinschaft getan als die Syrer 6 Monate lang friedlich protestiert haben ? wo waren die UN und USA als Assad's Mördertruppen begannen auf Kinder zu schießen?Ist das die hohgepriesene Demokratie und Menschenwürde Westens?Ich schäme mich manchmal Europäerin zu sein.

  • J
    jupp

    @ von aufgewacht:

    selbst die erzkonservative NZZ

    berichtet über Syrien neutraler, objektiver!

     

    @Redaktion:

     

    Ich vermisse die täglich aktualisierte Karte der "befreiten Gebiete" in der taz!

    Wo ist sie geblieben?

  • IR
    Irene Reindl

    Solche Massaker an Schiiten, Christen und Alewiten durch die sogenannten Rebellen und die sogenannte "Freie Syrische Armee" sind nichts Neues - zumindest nicht, wenn man nichtdeutsche Medien liest. Russische sind z.B. schon die ganze Zeit über sehr informativ, aber auch die der Schweizer. Da war schon vor ca. 1 Jahr ein Bericht darüber, wie eine ganze christliche Familie abgeschlachtet wurde, bis auf einen vierjährigen Jungen, der wurde geschändet und anschließend in seinem Schlafanzug aufgehängt. Aber hier werden die ganze Zeit diese Gräueltaten verschwiegen.

     

    +++ „Hier sind die Kämpfer des Dschihad (Heiligen Krieg) zu sehen, die ihren Einzug in die Häuser der ungläubigen Schiiten feiern.“ Ein anderer Kämpfer ruft vor einer Leiche: „Seht die Schiiten, seht euer Ende, ihr Hunde!“+++

     

    Ja genau, und das sind auch genau die Leute, die Obama jetzt unterstützen will in dem mal wieder Chemiewaffen herbeigelogen werden. Diese gibt es zwar, aber eingesetzt hat sie nicht Assad, sondern die sogenannten Rebellen. Das hat diese UN-Tussi sogar versehentlich zugegeben, der Satz erschien sogar in einigen Tageszeitungen, wie z.B. BILD, hab ihn selbst gesehen. Hier ein Artikel darüber: http://qpress.de/2013/05/07/giftgas-maulkorb-fur-carla-del-ponte-obama-muss-das-syrische-monster-pflegen/

  • A
    alex

    Als Ergänzung: "Chemiewaffen-Einsatz in Syrien Russland bezichtigt Obama der Lüge"

     

     

    http://www.stern.de/politik/ausland/chemiewaffen-einsatz-in-syrien-russland-bezichtigt-obama-der-luege-2024905.html

  • N9
    Nein über 93.000 Tote

    Wie kommen Sie in einer Überschrift auf 80.000, wenn die UN 93.000 angibt?

    Vorsorglich die Zahlen senken?

     

     

    Es gibt viele Leser die meinen, Assad seine eine Stütze ihrer Phantasie. wie rechtsradikal auch immer.

    Den Assad-Stützen nicht nachgeben.

    90% der Toten gehen auf das Konto der Luftwaffe des Regimes und der Shabiha-Milizen - das ist Massenmord, Völkermord und alle schauen zu.

    Aus Gründen der Sicherheit

    Ja eine rechtzeitige Unterstützung der zu Beginn friedlichen Aufständischen wurde verweigert.

     

    Lesen Sie Stephen Starr, Revolt in Syria, Hurst Co. 2012

    http://stephenstarr.info/wordpress/index.php/about/

  • B
    bull

    İslam bedeutet Frieden.Was sind das für Kreaturen die ın Syrıen am Wekre sind?

  • P
    pauli

    als die opferzahl noch bei 80.000 war, waren laut reuters davon 42.000 angehörige der syrischen armee oder pro-ssad milizen. was das über diesen krieg aussagt, kann sich jeder selbst überlegen....

  • PP
    Peter Panther

    Maßgebliche Akteure sind Katar und die Saudis, die den Krieg (der deshalb nur zum Teil ein Bürgerkrieg ist) erst befördert haben. Katar ist ein autoritär von einer

    sunnitischen Herrscherfamilie regierter Golfstaat, der

    durch eine US-Basis militärisch gesichert wird.

    Weiterer Akteur ist die Türkei, die sich wegen dessen

    autoritärer (!) Herrschaft gegen Assad gestellt hat.

    Die Demokratie ist also auf dem Vormarsch.

     

    Jetzt muss nur noch die Nato eingreifen, dann wird alles gut. Es können dann auch wieder Pipelines durch

    Syrien führen und Israel müßte auch keine Rückgabe des Golan mehr befürchten, sich nich einmal mehr mit

    entsprechenden Verhandlungen die Zeit stehlen lassen.

  • A
    aufgewacht

    Liebe Taz

     

    warum werden Terroristen als "Freien Syrischen Armee" bezeichnet. Sie sind weder frei, noch eine Armee, noch Syrisch.

     

    Mir ist aufgefallen, dass die Qualität der Taz in den letzten Jahren merklich abgenommen hat. Entweder dürft ihr nicht mehr das schreiben was

    ihr wollt, weil ihr nicht mehr unabhängig seid. Oder ihr seid einfach ahnungslos. In diesem Fall hilft nur Nachhilfeunterricht von euren

    Kollegen bei "Freitag", "Nrhz".

  • T
    toyak

    Zitat: "Nach Angaben der Beobachtungsstelle hatten schiitische Kämpfer einen Posten der Rebellen angegriffen und dabei zwei Aufständische getötet. Daraufhin hätten die Rebellen das Dorf Hatlah überfallen und dabei rund 60 Dorfbewohner getötet. Das Eingreifen der schiitischen Hisbollah-Miliz bei der Rückeroberung der Rebellenhochburg Kusair vergangene Woche trug zur weiteren Konfessionalisierung des Konflikts bei."

     

    Wie relativierend das Verbrechen dargestellt wird, lässt jeden gesunden Menschenverstand entbeben.

    Was soll das?

    Wenn die reguläre Armeeangehörige ein solches Verbrechen gegangen hätte, so wäre der Aufschrei bis zum Mars zu hören gewesen, aber hallo.

    Sollen nun die Getöteten die gerechte Strafe erhalten haben, weil irgendwer die "Rebellen" angegriffen haben soll?

    Auch wenn man sich auf die Wiedergabe der Bekanntgabe der "rebellen"-freundlichen Beobachtungsstelle beschränkt, wäre doch Satz dazu, dass dieses Verbrechen keiner Rechtfertigung zugeführt werden kann, zumindest im Hinblick auf die Getöteten respektvoll.

     

    Es ist auch eine LÜGE, dass der Bürgerkrieg konfessionelle Züge erst seit dem Eingriff der Hisbollah genommen hat.

    Es sei an die Stadt Asas (Nahe türkischer Grenze) erinnert, wo die Minderheit von dort zuteil gleich ermordet oder vertrieben wurde.

    Bereits auf den friedlichen Demos höre man, was mit Alawiten und Christen passieren soll. Die Alawiten in den Sarg und die Christen nach Beirut.