: Ein gut gelaunter Gegenangriff
KOALITION I Außenminister Westerwelle bejaht den EU-Beitritt der Türkei und wirft der CSU „kleinkariertes“ Verhalten vor. Doch die türkischen Medien fragen ihn, für wen er spricht
AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) strahlt und strahlt. Eben hat ihn der türkische Europaminister Egemen Bagis „meinen Freund Guido“ genannt, man versteht sich. Da die Sonne genauso strahlt wie Westerwelle, hat man sich zum Pressegespräch auf der Terrasse des Kempinski direkt am Bosporus versammelt. Launig zeigt der Außenminister auf die große Hängebrücke, die Europa mit Asien verbindet, und findet die Türkei in diesem Bild bestens beschrieben. Unter anderem wegen dieser Brückenfunktion sei die Türkei für Deutschland so wichtig.
Mit Westerwelles Antrittsbesuch ändert sich zumindest die Atmosphäre im deutsch-türkischen Verhältnis wieder. Westerwelle hat direkt nach seiner Ankunft am frühen Mittwochabend in Ankara ein langes Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu geführt. Aus Teilnehmerkreisen war zu hören, dass die Verständigung zwischen beiden ausgezeichnet gewesen sei.
Am Donnerstag früh durfte Westerwelle dann im Außenministerium einen Vortrag vor sämtlichen türkischen Botschaftern aus aller Welt halten, die gerade zu einer Strategiekonferenz in Ankara versammelt sind. Anschließend kam dann auch noch ein Gespräch mit Ministerpräsident Tayyip Erdogan zustande.
Westerwelles Botschaft war, nach jahrelangem Schweigen, das nur durch gelegentliche Misstöne unterbrochen worden war, endlich mal wieder etwas, womit auch die türkische Politik etwas anfangen konnte. Ein Beitritt der Türkei zur EU, so Westerwelle in den verschiedensten Variationen, sei sowohl für die EU wie die Türkei wichtig. Vor allem Deutschland habe ein großes Interesse daran. Türkische Journalisten, die gerade gelesen hatten, dass die CSU fordert, die Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen, waren dann doch etwas erstaunt. Ob denn das nur seine Meinung sei, oder für wen er eigentlich spreche, wollten sie wissen. Seine Antwort: „Ich stehe hier nicht in kurzen Hosen als Tourist, sondern als deutscher Außenminister und vertrete natürlich die Bundesregierung“, wird als Bonmont in die deutsch-türkische Diplomatie eingehen.
Trotzdem ist die Skepsis groß, ob Westerwelle, selbst wenn er persönlich die Türkei in der EU sehen will, auch in der Lage ist, etwas Substantielles dafür zu tun. Ilber Ortayle, einer der führenden Historiker des Landes und mit Deutschland gut vertraut, sagte der taz: „Westerwelle ist ein Lichtblick, aber was ist mit Merkel? Ich fürchte, sie wird ihn nicht unterstützen“. Konkretes hatte Westerwelle denn auch nicht anzubieten. Er sei ja erst 70 Tage im Amt, sagte er, da sei es zu früh, um unterschriftsreife Projekte zu verlangen.
Im Gespräch mit den deutschen Medien war Westerwelle darum bemüht, klarzumachen, dass ein gutes Verhältnis auch im deutschen Interesse liegt. Mehr als 4.000 deutsche Unternehmen sind in dem aufstrebenden Land vertreten. Deren Einsatz schafft auch Arbeitsplätze in Deutschland. „Das sollten wir ausbauen.“ Die Einwände der CSU seinen deshalb „kleinkariert“ und nicht im Interesse Deutschlands.
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