Kommentar zur Bayerischen Justiz: Der Corpsgeist der Richter
Im Fall Mollath wurden viele Fehler begangen. Jüngst ist gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens entschieden worden. Dennoch ist er bald frei.
M ÜNCHEN taz Nach sieben Jahren Unterbringung in der Psychiatrie muss Gustl Mollath endlich entlassen werden. Die weitere Unterbringung dieses vermutlich für die Allgemeinheit nicht gefährlichen Mannes wird mit jedem zusätzlichen Tag immer unverhältnismäßiger.
Auf welchem juristischen Wege die Freilassung erfolgt, ist dabei inzwischen zweitrangig. Für Mollath war es zwar ein Anliegen, das ursprüngliche Verfahren, das ihn in die Psychiatrie gebracht hat, ganz neu aufzurollen und zu zeigen, dass er von Beginn an ein Justizopfer war. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens war aber von Beginn an die unwahrscheinlichste Möglichkeit.
Insofern kommt der ablehnende Beschluss aus Regensburg nicht überraschend. Die Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist laut Gesetz nur in wenigen krassen Fällen möglich. Zum Beispiel wenn das ursprüngliche Urteil auf einer falschen Urkunde beruhte oder völlig neue Beweismittel auftauchen oder die ursprünglichen Richter eine Rechtsbeugung begangen haben oder Ähnliches mehr.
Das Regensburger Urteil ist mit seinen 115 Seiten ziemlich gründlich, an entscheidenden Stellen aber erstaunlich schludrig. So werden offensichtliche Sachverhaltsmanipulationen der ursprünglichen Richter als „Sorgfaltsmängel“ beschönigt. Dabei geht es etwa um die wichtige Frage, ob Mollath regelmäßig die Reifen seiner vermeintlichen Gegner auf besonders perfide Weise aufgeschlitzt hat. Das ursprüngliche Urteil behauptet dies, ohne dass es hierfür konkrete Belege gab.
Noch mehr Eisen im Feuer
Was in den vergangenen Monaten deutlich wurde: Die bayerische Justiz ist weitgehend unfähig, Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Das ist aber keine Hörigkeit gegenüber der Bayerischen Staatsregierung, wie immer wieder unterstellt wird. Im Gegenteil: Die Landesregierung wäre heilfroh, wenn sie die Causa Mollath endlich los wäre, gerade jetzt im Wahlkampf. Es ist eher eine Art Corpsgeist der Richter, einander nicht wehzutun.
Doch auch wenn es mit der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht klappt: Mollath hat noch mehr Eisen im Feuer. Sobald festgestellt ist, dass er nicht (mehr) gefährlich ist oder dass die Unterbringung nun wirklich unverhältnismäßig lange andauert, ist er zu entlassen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Festgenommene AfD-Terrorverdächtige
Diese Partei ist eine Gefahr
Krieg im Libanon
Netanjahu erhöht den Einsatz
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala