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Kommentar zur Bayerischen JustizDer Corpsgeist der Richter

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Im Fall Mollath wurden viele Fehler begangen. Jüngst ist gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens entschieden worden. Dennoch ist er bald frei.

Gustl Mollath ist seit sieben Jahren in der Psychiatrie. Bild: dpa

M ÜNCHEN taz Nach sieben Jahren Unterbringung in der Psychiatrie muss Gustl Mollath endlich entlassen werden. Die weitere Unterbringung dieses vermutlich für die Allgemeinheit nicht gefährlichen Mannes wird mit jedem zusätzlichen Tag immer unverhältnismäßiger.

Auf welchem juristischen Wege die Freilassung erfolgt, ist dabei inzwischen zweitrangig. Für Mollath war es zwar ein Anliegen, das ursprüngliche Verfahren, das ihn in die Psychiatrie gebracht hat, ganz neu aufzurollen und zu zeigen, dass er von Beginn an ein Justizopfer war. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens war aber von Beginn an die unwahrscheinlichste Möglichkeit.

Insofern kommt der ablehnende Beschluss aus Regensburg nicht überraschend. Die Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist laut Gesetz nur in wenigen krassen Fällen möglich. Zum Beispiel wenn das ursprüngliche Urteil auf einer falschen Urkunde beruhte oder völlig neue Beweismittel auftauchen oder die ursprünglichen Richter eine Rechtsbeugung begangen haben oder Ähnliches mehr.

Das Regensburger Urteil ist mit seinen 115 Seiten ziemlich gründlich, an entscheidenden Stellen aber erstaunlich schludrig. So werden offensichtliche Sachverhaltsmanipulationen der ursprünglichen Richter als „Sorgfaltsmängel“ beschönigt. Dabei geht es etwa um die wichtige Frage, ob Mollath regelmäßig die Reifen seiner vermeintlichen Gegner auf besonders perfide Weise aufgeschlitzt hat. Das ursprüngliche Urteil behauptet dies, ohne dass es hierfür konkrete Belege gab.

Noch mehr Eisen im Feuer

Was in den vergangenen Monaten deutlich wurde: Die bayerische Justiz ist weitgehend unfähig, Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Das ist aber keine Hörigkeit gegenüber der Bayerischen Staatsregierung, wie immer wieder unterstellt wird. Im Gegenteil: Die Landesregierung wäre heilfroh, wenn sie die Causa Mollath endlich los wäre, gerade jetzt im Wahlkampf. Es ist eher eine Art Corpsgeist der Richter, einander nicht wehzutun.

Doch auch wenn es mit der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht klappt: Mollath hat noch mehr Eisen im Feuer. Sobald festgestellt ist, dass er nicht (mehr) gefährlich ist oder dass die Unterbringung nun wirklich unverhältnismäßig lange andauert, ist er zu entlassen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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18 Kommentare

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  • M
    Menschenrechtler

    Das egoistische Gruppenverhalten ist stärker als die behauptete Achtung der Menschenrechte.

     

    Die Justiz ist nicht unabhängig und nur dem geschrieben Gesetz unterworfen. Sie ist vorrangig den Verhaltensgesetzen unterworfen.

     

    Kommentar eines ehemaligen Richters: Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel. Alles wird “kollegialiter” unter den Teppich des “Kernbereichs der richterlichen Unabhängigkeit” gekehrt (vgl. http://www.odenwald-geschichten.de/?p=682 ).

     

    Kommentar von Betroffenen:

     

    Die angeblich funktionierende Gesetzgebungs- und Gerichtspraxis ist die schlimmste Lebenslüge...... Gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen (nebst Justizministerien, Petitionsausschüssen etc.) fehlt wegen gewollter Verdrehungsabsicht der Tatsachen und der Rechtslage zumeist eine plausible Begründung, oft sogar die Sachbezogenheit. Hauptverantwortlich für das perfide Rechtschaos mit Methode sind die Parlamentsabgeordneten, das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Einzelfallgerechtigkeit gibt es selbst in schwersten Fällen für die meisten Betroffenen nicht. Das bedeutet, sie sind hilflos der Willkür des Staates und den schweren Folgen dieser Willkür ausgeliefert.... Dieses System ist darauf angelegt, Menschen zu zerstören. Der Schutz des Grundrechts steht zwar auf dem Papier, wird aber in der Praxis weitgehendst ignoriert. ... Die Demokratie sichernden Grundregeln waren und sind unzureichend und haben versagt. Diktatoren, wie Diktatorengemeinschaften, sind, wie die Zeitgeschichte belegt, deshalb auch in solchen angeblichen Demokratien möglich, die ihr wahres Ansinnen jedoch mit einem demokratischen Gewand umgeben. (vgl. http://unschuldige.homepage.t-online.de/ ).

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    wie viele Mokllaths gibt es und wieso sind solche Richter nicht gemeingefährlich, ihr unkalkulierbarkeit haben viele Richter bewiesen. Das kann ich aus eigener Erfahrung belegen.

  • Die Wiederaufnahme des Verfahrens wäre rechtlich problemlos möglich gewesen, wenn man nicht befürchten müsste, dass man Herrn Mollath im Wiederaufnahmeverfahren in allen Punkten freisprechen und rehabilitieren muss.

     

     

     

    Vielleicht ist es Corpsgeist, vielleicht aber auch der lange Arm der Hypovereinsbank. Würde mich nicht wundern, wenn noch mehr der Beteiligten Geld in der Schweiz gewaschen haben.

  • G
    Gast

    Der Kommentator untertreibt .

     

    Es geht bei der Richterschaft zu

     

    wie bei Heinrich dem VIII.oder

     

    Roland Freisler .Die Brüllerei

     

    in Mollaths Prozeß ist bezeugt....

  • C
    Carsten
  • D
    DerGuest

    "Pelzig" hat den Fall Mollath und die Verflechtungen der Richter, Gutachter und sonstiger Einflussnehmer in diesem Fall einmal ganz gut in "Neues aus der Anstalt" dargestellt.

     

     

     

    http://www.youtube.com/watch?v=QZ2k2niHogM

  • Gustl Mollath wird entlassen. Nur noch eine Frage der Zeit. Klar, nach den Wahlen. - UNVEU -

    • IN
      Ihr neuer Pappsi
      @RPH:

      nach den Wahlen gibt nach C-Partei-Verständnis keinen Grund mehr, ihn zu entlassen.

  • R
    Rolf

    § 359 StPO

     

     

     

    Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

     

     

     

    1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;

     

     

     

    2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;

     

     

     

    3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist;

     

     

     

    4. wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;

     

     

     

    5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,

     

     

     

    6. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

    • S
      slap
      @Rolf:

      dies zeigt doch immer wieder, dass nur der keline bürger sich an gesetze halten muss! die schönen und reiche, politiker, sportler und staatsbedinsteten tuen dies nicht.

       

       

       

      somit gilt es fernab vom gesetzt gegen solche anzugehen. koste es was es wolle! feuer mit feuer bekämpfen!

  • Die Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz, also im Prinzip der Gewaltenteilung, stellt sich natürlich auch in diesem Fall. Dazu existiert ein sehr interessanter Beitrag eines Dresdner Richters (Udo Hochschild):

     

    http://www.gewaltenteilung.de/einf_druck.htm#6

  • G
    Gastl

    Und gibt es dann auch eine Entschaedigung? Wie in Stassburg.

  • S
    Somaro

    Liebe TAZ, habt ihr vielleicht schon mal daran gedacht dass dieses Land hier trotz aller Überwachung und Willkürlichkeit in weiten Teilen aus den drei Gewalten besteht?

     

    Legislative, Executive, judikative - schon mal gehört?

     

    Falls nicht: Die Legislative, die Parlamente, machen die Gesetze. Die Executive, Polizei, Ordnungsamt, führen sie aus. Judikative achten auf ihre Einhaltung.

     

     

     

    Ich finde es daher sehr traurig dass hier auf den Richtern rumgehauen wird, weil sie sich nach den Gesetzen richten die von der Politik eingeführt wurden. Wenn, dann schlagt auf SPD oder CDU ein, welche die Latte so hoch gehängt haben damit nie wieder jemand die Psychatrie verlassen kann.

     

    Die Richter sind hier unschuldig.

     

     

     

    Oder wollt ihr im Zweifel lieber das Recht gebogen sehen?

    • @Somaro:

      wenn richter brixner - noch bevor er mit dem fall mollath beruflich involviert war - aus persoenlichem antrieb bei dem zustaendigen steuerfahnder anruft, bei dem die anzeigen mollaths eingegangen sind, um mollath als spinner darzustellen und demnach seine anzeige als nicht weiter ernst zu nehmen einzustufen (ueber das warum kann man nur spekulieren - fakt ist hier aber auch, dass richter brixner frueher handballtrainer des neuen lebenspartnes der exfrau mollath war), um dann 2 jahre spaeter als richter in dem verfahren mollath als allgemeingefaehrlich in die psychiatrie abzuschieben, in einem verfahren, in dem richter brixner im nachhinein oeffentlich deklariert hat, er habe die verteidigungsschrift mollath von 106 seiten (das meiste davon kopien von belegen) erst gar nicht gelesen, das war ihm zu viel arbeit und zu laestig, in einem verfahren, in dem die schoeffen dokumentiert haben, dass das verhalten des richters (anschreien des angeklagten mollath) sehr aggressiv und unverhaeltnismaessig gewesen sei - dann moechten sie immer noch bei ihrer aussage bleiben, dass ´die richter hier unschuldig´ seien? und genau wessen haetten sie sich denn ihrer meinung nach NICHT schuldig gemacht?

  • B
    Beobachter

    Diesem Korpsgeist kann man nur begenen, wenn Richter sich auch in diesem Lande endlich einer demokratischen Wahl stellen müssten und aus dieser Funktion auch wieder abgewählt werden könnten.

  • S
    SomaRiot

    Christian Rath ist einer der wenigen besonnenen und sachkundigen Journalisten in Justizsachen. Das zeigt sich hier wieder. Allerdings wäre es noch besser, wenn er weiter über die Entscheidung selbst, deren Schwächen und mögliche Spielräume berichten würde, als eine schnelle, unsachliche Erklärung ("Corpsgeist") zu liefern. Vielleicht hat das Gericht eine zutreffende, oder immerhin vertretbare Entscheidung getroffen, ohne das hiermit etwas über die Person von Herrn Mollath ausgesagt wäre. Im Wiederaufnahmeverfahren wird ja gerade nicht alles noch mal geprüft. Sonst könnte ein Strafverfahren nie rechtskräftig abgeschlossen werden.

     

     

     

    Und selbst wenn die Entscheidung falsch ist. Das kann passieren. Auch ohne böse Absicht oder Corpsgeist. Dafür gibts meistens eine zweite Instanz, die das überprüfen kann.

    • @SomaRiot:

      fuer die these ´corpsgeist´ sprechen allerdings leider zwei tatsachen, naemlich dass sich bis heute weder eine richterliche vereinigung, noch einzelne richter oeffentlich zu den missstaenden geaeussert haben und in irgendeiner form distanziert haben (man vernimmt lediglich ein lautes schweigen), sondern im gegenteil sich eine richtervertretung beschwert hat, dass ihr berufsstand nun durch die berichterstattung in schlechtem licht stuende und an ansehen bei der oeffentlichkeit einbuesse.

    • NP
      Naso poeta
      @SomaRiot:

      Das Gericht beruft sich u.a. darauf, dass "Rechtsbeugung" als Wiederaufnahmegrund nur zulässig ist, wenn der Rechtsbeuger (also z.B. der Richter Brixner) deswegen rechtskräftig verurteilt wurde. Die ist aber wegen Verjährung nicht mehr möglich.

       

       

       

      Nähere Einzelheiten sh. Dokumentation unter "http://www.strate.net/de/dokumentation/index.html".

       

       

       

      In Wirklichkeit dürfte es aber der bayerischen "feinen Gesellschaft" (und ihrer treuen Gefolgschaft in der Justiz) darum gehen, alle Verzögerungsmöglichkeiten vor der Wahl auszuschöpfen. Und vielleicht sind ja auch die von M. angezeigten Schwarzgeld-Verschiebungen noch nicht verjährt?