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Ältere ArbeitnehmerMehr auf dem Job als auf der Couch

Die Menschen sind heute gesünder und besser ausgebildet. Anreize zur früheren Rente gibt es nicht mehr. Folge: Die Alten arbeiten, was das Zeug hält.

Weitermachen, nicht sitzenbleiben. Bild: imago/Kickner

BERLIN taz | Zum ersten Mal seit fast vierzig Jahren gibt es unter den 60- bis 65-Jährigen mehr ältere ArbeitnehmerInnen als RentnerInnen. Im vergangenen Jahr gingen 42 Prozent in dieser Altersgruppe einer Erwerbsarbeit nach, teilte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mit. 40 Prozent dieser Altersgruppe waren in Rente.

Zu den restlichen 18 Prozent, die weder arbeiten noch eine Pension beziehen, gehören Hausfrauen, Hartz-IV-EmpfängerInnen und Arbeitslose. Der Trend zu mehr beschäftigten Alten sei deshalb bemerkenswert, weil sich an dieser Stelle demografische und sozialpolitische Entwicklungen wechselseitig bedingen, sagt Volkswirt Harun Sulak, der für das BiB Arbeitsmarktdaten analysiert hat.

Die Menschen hierzulande werden älter, und das vielfach gesünder. Nicht wenige sind heute besser ausgebildet als vor ein paar Jahrzehnten. „Dadurch haben sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Sulak. Folge: Sie wollen länger arbeiten. „Ihnen kommt der aktuelle Trend zugute, den sie darüber hinaus stark mitprägen.“

Gleichzeitig wurden finanzielle Anreize, früher als regulär in Rente zu gehen, schrittweise abgeschafft. So müssen Frauen inzwischen auch noch arbeiten, wenn sie die 60 längst überschritten haben. Die sogenannte 58er-Regelung, nach der Arbeitslose schon in diesem Alter ohne Abschläge oder nur mit geringen Abzügen Geld aus der Rentenkasse bekommen, gibt es nicht mehr. Auch Altersteilzeit lohnt sich nicht mehr: Seit 2010 übernimmt der Staat nicht mehr die dabei entstehenden finanziellen Einbußen. Der Druck, länger im Job zu bleiben, sei größer geworden, fasst Sulak zusammen. Und wagt den Blick in die Zukunft: „Die Zahl älterer Erwerbstätiger wird steigen.“

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6 Kommentare

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  • S
    Sportskanone

    Übrigens: auch bei den Rentnern geht die Schere zwischen arm und reich stark auseinander. In meinem Umfeld:

     

     

     

    in Frührente gehen Rentner mit hohem Einkommen, die reisen nur und arbeiten nicht weiter.

     

     

     

    später in Rente mit Nebenjob gehen arme Rentner, deren Rente nicht reicht, oder die ewig ihre Kinder unterstützen, weil diese immer ärmer werden.

     

     

     

    in DE geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Diese Rentner dort sind die aus der unteren Hälfte, nicht die aus der oberen.

     

     

     

    in meinem Bekanntenkreis wird aus purer Not weitergearbeitet, oder weil die Kinder in finanzieller Not sind, oder man hofft, denenn noch ne bessere Perspektive damit zu ermöglichen. Der Kampf um gute Stellen ist auch noch härter geworden - denn es gibt davon zu wenige.

     

     

     

    es ist viel wichtiger, dass junge Menschen auf unbefristete Stellen kommen - damit sie Familien gründen, damit sie festes Einkommen haben, damit sie Kredite bekommen.

     

     

     

    stattdessen sitzen Alte länger auf Stellen, die die Jüngeren vermissen.

  • S
    Sportskanone

    Der Druck länger im Job zu bleiben sei größer -----

     

     

     

    Zum Pech von Menschen wie mir: ich bin aktiv auf Stellensuche, aber es sind jenseits von McJobs keine ausgeschrieben. Wahrscheinlich werden sie ewig mit Alten besetzt, so das Junge kaum Chancen haben, irgendwo reinzurutschen. Es gibt kaum Stellen auf dem Markt, die vernünftig sind. Ich bin mittlerweile ganz krank davon, weil ich nicht mal wechseln kann in eine interssantere Stelle, weil die sicher von jmd blockiert ist, der immer länger da sitzen muss. Und die Jungen, die die unbefristeten Stellen dringend zur Familiengründung und Kreditaufnahme brauchen - die kommen nicht rein in die Stellen.

     

     

     

    Der Stellenmarkt in Nord-DE ist klinisch tot in den meisten Berufen. Es ist zum verzweifeln und zeitgleich muss man sich Märchen vom Fachkräftemangel anhören - nur man selber zählt nie dazu anscheinend. Da sitzen dann wohl immer länger Ältere und Junge finden kaum was.

  • S
    Sportskanone

    die Menschen arbeiten ja nicht aus Spaß weiter, sondern oft trotz gesundheitlicher Probleme, weil sie das Geld dringend brauchen. Mittlerweile ist es in vielen Familien so, dass die jüngere Generation Kinder und Enkel von den Reserven und Finanzen der heutigen Rentner mitleben.

     

     

     

    z.B. hat meine Mutter als Frührentnerin einen Nebenjob trotz einer Krankheit und obwohl sie meinen kranken Vater pflegt. Sie braucht das Geld aber, um meine alleinerziehende Schwester zu unterstützen und mich beim Versuch, auf dem 2. Bildungsweg zu studieren, um endlich mal ein vernünftiges Einkommen zu generieren und noch vernünftige Stellen wahrnehmen zu können. Die ältere Generation muss in vielen Familien bereits die Jüngere untersützen. Es gibt Familien, wo sich die jüngere Generation kein eigenes Vermögen mehr aufbauen kann, sondern wie auch in Südeuropa leben viele Familien mittlerweile von Reserven und Finanzpotential der älteren Generation. Ebenso von deren Zeitautonomie.

     

     

     

    Die nächste Generation (meine und jünger) wird zu großen Teilen wesentlich ärmer sein, zumindest bei den unteren 50% der Einkommenspyramide -man kann sich vielelicht bis 70 oder 75 mit Zweitjob über Wasser halten, aber nicht mehr mit 85 oder 90.

  • W
    Wolfgang

    Für jedes vorzeitige Rentenjahr gibt es einen dauerhaften monatlichen Renten-"Abschlag" von 3,6 Prozent (durchaus dauerhaft bis zu monatlich 18 Prozent Rentenkürzung, bis zum Tod). Zusätzlich: Im Hartz-IV-Strafvollzug für vormalige Erwerbstätige, gibt es während des Strafvollzugs keinen Anspruch auf Renten-Punkte. Auch hieraus ergibt sich noch zusätzlich eine dauerhafte Rentenkürzung (Minderung der Altersrente durch den Hartz-IV-Strafvollzug und zusätzlich, noch weitere Abschläge, durch vorzeitige Altersrente).

     

     

     

    Dieses asoziale Verbrechen ist vor allem eine Frucht der spezialdemokratisch-olivgrünen Parteien SPD+BündnisGrün. Aber auch die Frucht der kapitalfreundlichen DGB-"Sozialpartnerschaft" mit den Erbschafts-Multimillionären und Quandtschen Milliardären, - den Privateigentümern an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln.

     

     

     

    Es gibt keine Interessenvertretung für die große Mehrheit der werktätigen lohnabhängigen Bevölkerung in Deutschland. //

     

     

     

    Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde in Folge des Verbots von 1956 gesellschaftspolitisch dauerhaft beseitigt und liquidiert. Wir befinden uns in einer modifizierten kapitalfaschistischen Zeit, unter Beteiligung aller spezialdemokratischen bürgerlichen Parteien in Deutschland - insbesondere und vor allem mit dem Hartz-IV-Strafvollzug für arbeitslose Werktätige, seit 2005.

  • U
    unbenannt

    Manche müssen auch weiterhin arbeiten, weil die Rente trotz der vollen Jahre Arbeit nicht reicht. Aber Jobs gibt es nicht für sie, denn nicht alle sind so gesund einen Vollzeitjob ausüben zu können, wenn es nur 3 Stunden am Tag wären würde sie glücklicher machen, dann müßten sie beim Staat nicht um jeden € streiten und auf den Knien rutschend um Sympathien betteln.

  • MS
    Mario Simeunovic

    Na wunderbar, nach dem Zweitjob für mehr Konsum nun die Altenarbeit weil alle so fit und gesund sind. Ich hätte von einer taz wirklich ein paar kritische Töne zu der Tatsache erwartet, dass immer mehr Menschen im Alter darauf angewiesen sind, ihre spärliche Altersrente aufzubessern.

     

    Diese flächen- und medienabdeckende Propaganda vor der Wahl ist einfach unerträglich.