piwik no script img

Unterricht für Zeugen JehovasSchwarze Magie für alle

Schlechte Nachrichten für die Zeugen: Ihre Kinder müssen sich die Preußler-Verfilmung „Krabat“ im Schulunterricht anschauen.

Dieser furchterregende Anblick bleibt auch Tim T. nicht erspart: Szenenbild aus dem „Krabat“. Bild: dpa

LEIPZIG taz | Auch auf die religiösen Besonderheiten der Zeugen Jehovas müssen Schulen nur „ausnahmsweise“ Rücksicht nehmen. In einer zweiten Entscheidung lehnte es das Bundesverwaltungsgericht ab, einen Schüler vom Unterricht zu befreien, wenn sich dieser mit „Spiritismus“ und “schwarzer Magie“ beschäftigt.

Konkret ging es um einen Fall in Bocholt. Tim T. besuchte die 7. Klasse eines Gymnasiums, als dort das Jugendbuch „Krabat“ von Otfried Preußler behandelt wurde. Im Buch wird ein Waisenjunge zum Zauberlehrling, sagt sich dann aber von der dunklen Magie los. Als die Klasse gemeinsam die Verfilmung des Buches anschaute, weigerte sich Tim T. teilzunehmen.

Seine Eltern, Zeugen Jehovas, argumentierten, dass der Film Szenen von „schwarzer Magie“ enthalte. Diese anzuschauen sei für Jehovas Zeugen genauso verboten wie die Teilnahme an derartigen Praktiken. Beim Oberverwaltungsgericht Münster hatten Tim T. und seine Eltern Erfolg. Hier liege ein unauflösbarer Gewissenskonflikt vor, der Junge hätte von der Filmvorführung befreit werden müssen.

Gegen diese Entscheidung war das Land Nordrhein-Westfalen in Revision gegangen. Ein Vertreter des Schulministeriums erklärte: „Es kann nicht sein, dass man Unterrichtsinhalte einfach abwählen kann.“ Er betonte, dass die Schule einen Integrationsauftrag habe, der Unterricht könne sich nicht auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ beschränken.

Elternanwalt Armin Pikl entgegnete, die Schule habe auch einen Toleranzauftrag gegenüber Minderheiten. Die Zeugen Jehovas seien auch tolerant, sie akzeptierten die Schulpflicht, den Sexualunterricht und die Vermittlung der Evolutionstheorie, auch wenn sie andere Vorstellungen hätten. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte im konkreten Fall dennoch einen Anspruch auf Befreiung ab.

Eine Entscheidung müsse „verallgemeinerungsfähig“ sein, erklärte der Vorsitzende Richter Werner Neumann, sonst würde der gemeinsame Bildungsauftrag unterlaufen.

Im Fall des „Krabat“-Films sei das religiöse Erziehungsrecht der Eltern nur leicht eingeschränkt worden. Weder habe die Schule „schwarze Magie“ praktiziert noch habe sie dafür geworben. Deshalb habe der staatliche Erziehungsauftrag hier Vorrang. (Az.: 6 C 12.12)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • R
    Ruhender

    Allein schon wegen der für deutsche Filme typischen künstlerisch unterirdischen Qualität des Machwerks muß es JEDEM Lebewesen erlaubt sein, sich der Filmvorführung zu widersetzen.

  • Z
    Zauba

    Kleine Rückfrage: War der Junge zu diesem Zeitpunkt schon 14 ? Ab diesem Alter hat das Kind das Recht seine Religion selbst zu bestimmen. Somit sollte doch auch ein Gewisser Aufklärungsauftrag von Seiten der Schule bestehen. Diesen zu unterwandern ist verfassungswidrig!