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Debatte IranSehnsucht nach Coca-Cola

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Teherans diplomatische Offensive ist eine Chance auf Versöhnung mit den USA. Im Atomstreit aber bleibt Irans Haltung unverändert.

Bringt sein Versöhnungskurs Hassan Rohani jetzt schon ins Schwitzen? Bild: ap

D ie Aufregung in Teheran war groß: In dem verlassenen und verfallenen Gebäude der ehemaligen US-Botschaft wurde gewerkelt und renoviert. Der Reformer Mohammed Chatami war an der Macht, die Kopftücher rutschten überall nach hinten, die Hoffnung auf Veränderung wuchs. Das war vor 13 Jahren.

Mehr als zwei Jahrzehnte nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen rechnete man mit einer Versöhnung. Die amerikanischen Unternehmen bereiteten sich auf eine Rückkehr vor. Die deutschen Wirtschaftsvertreter klagten sogar schon über die Konkurrenz aus den USA, die ihnen bald die glänzenden Geschäfte im Iran versauen würde. Es herrschte Aufbruchstimmung und Sehnsucht nach Coca-Cola.

Doch stattdessen trat das genaue Gegenteil ein. Chatamis Annäherung an den Westen wurde permanent torpediert von den Hardlinern rund um den obersten geistlichen Führer. Die Beziehungen zu den USA wurden zum Spielball im Machtkampf zwischen Reformern und Erzkonservativen.

Neue Atomgespräche

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat am Freitag die Gespräche mit dem Iran über sein umstrittenes Atomprogramm als „sehr konstruktiv“ bezeichnet. Beide Seiten hätten vereinbart, sich am 28. Oktober erneut zu treffen. Es war das erste Treffen zwischen dem Iran und der IAEA seit der Wahl des moderaten Klerikers Hassan Ruhani zum iranischen Präsidenten im Juni.

Die IAEA will mit dem Iran eine Einigung über weitere Kontrollen seiner Atomanlagen erreichen. Dabei geht es vor allem um eine Inspektion des Militärstützpunkts Partschin bei Teheran, auf dem verdächtige Sprengstofftests durchgeführt worden sein sollen. Die Organisation betont seit langem, dass sie ohne freien Zugang zu den iranischen Atomanlagen, Dokumenten und Experten nicht in der Lage ist zu bestätigen, dass das Programm tatsächlich allein friedlichen Zwecken dient.

Und dann kam 2003 auch noch heraus, dass der Iran beim Atomprogramm die internationale Gemeinschaft belogen und betrogen hatte. Direkte Gespräche zwischen den USA und Iran? Undenkbar! Sogar bei einer wichtigen Afghanistan-Konferenz konnten „der große Satan“ und der „Schurkenstaat“ es kaum in einem Raum aushalten. Die Beziehungen im Kalten Krieg waren fast schon herzlich im Vergleich.

Die Rolle Chameneis

Doch bei der jüngsten Charmeoffensive des neuen iranischen Präsidenten ist vieles anders. Mit Hassan Rohani hat nicht nur wieder ein moderater Politiker die Regierung übernommen. Erstmals steht zudem der geistliche Führer und eigentliche Staatschef selbst, Ali Chamenei, hinter dem Präsidenten bei seinem Versuch, sich den USA anzunähern und eine diplomatische Lösung für den brandgefährlichen Atomkonflikt zu suchen.

Gleichzeitig ist Obama in seiner zweiten Amtszeit. Er muss keine Rücksicht mehr nehmen und will ein Vermächtnis hinterlassen. Diese Konstellation eröffnet eine historische Chance auf Versöhnung – zum ersten Mal seit vielen Jahren.

Die Hoffnung auf eine Annäherung ist im Iran ungebrochen. Als Obama Präsident wurde, schrieben viele seinen Namen auf Persisch nicht in einem Wort, sondern in einzelnen Silben: u ba ma – er mit uns. Entgegen der offiziellen Politik ist die Bevölkerung in keinem anderem Land der Region so amerikafreundlich wie im Iran. Die Iraner wollen nicht länger isoliert sein.

Umgekehrt ist eine Eskalation des Konflikts mit dem Iran und seinem Atomprogramm das Letzte, was der Westen jetzt noch brauchen könnte. Der Iran ist zwar eine religiöse Diktatur mit ein paar demokratischen Elementen, aber das Land ist auch einer der wenigen Ruhepole in der Region.

Ruhepol Iran

Der östliche Nachbar Afghanistan ist so unruhig und von den Taliban bedroht wie vor dem Einmarsch der internationalen Truppen. Der westliche Nachbar Irak quält sich von einer Anschlagserie zur nächsten. Das südöstliche Pakistan ist ein scheiternder Staat. Im Libanon, wo der Iran die radikalislamische Schiitenmiliz Hisbollah unterstützt, droht der Bürgerkrieg zurückzukehren. Und der Verbündete Syrien ist bereits implodiert.

Selbst wenn es zu einer historischen Versöhnung mit den USA nicht kommt, lohnt sich eine Annäherung allein schon deshalb, weil Iran neben Russland wichtigster Verbündeter des syrischen Regimes ist. Schon vergangene Woche distanzierte sich Teheran von Damaskus sachte. Man könne auch ohne Assad leben, signalisierte Teheran. Der Einsatz von Sarin gegen die eigene Bevölkerung hat viele entsetzt. Die Iraner sind noch heute traumatisiert von dem Giftgas, das Saddam Hussein gegen sie verwandte.

Iran ist bisher eine Regionalmacht, die negativen Einfluss in der gesamten Nachbarschaft ausübt, von Gaza bis Syrien. Es wäre schon viel gewonnen für die Stabilität, wenn dieser Einfluss sich verringern würde und eine punktuelle Zusammenarbeit möglich wäre – etwa bei Afghanistan.

Die größten Hoffnungen des Westens richten sich allerdings darauf, was Amerika und Europa selbst am meisten betrifft: den Atomkonflikt. Tagelang berichten die Nachrichtenagenturen und viele andere Medien über eine Neuigkeit, die keine ist: Rohani versicherte, der Iran strebe keine Atomwaffen an und sei zu zeitlich limitierten Verhandlungen bereit. Genau das hat auch sein krawalliger Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad immer wieder gesagt. Chamenei hat sogar eine Fatwa verfasst, in der er Massenvernichtungswaffen verurteilt. Nur geglaubt hat es niemand.

Israel zu Recht skeptisch

Man kann Israel nicht verdenken, dass es bei solchen Nicht-News skeptisch bleibt, zumal auch bei Rohani eine klare Anerkennung der Singularität des Holocaust ausgeblieben ist. Chamenei selbst vergleicht den Versuch, auf die USA zuzugehen, mit dem taktischen Nachgeben eines Ringers. Aber würde der Ringer seinen Gegner nicht bei nächster Gelegenheit flachlegen?

Kurzum: Iran bleibt auch unter Rohani eine islamische Republik. Er gehört zum System. Am grundsätzlichen Kurs in der Atompolitik wird sich nicht viel ändern – außer dem Ton. Unerheblich ist das nicht, denn vor allem an gegenseitigem Vertrauen und Transparenz hat es bisher gefehlt.

Die Sanktionen allein werden zu nichts führen. Trotz der rigiden Strafmaßnahmen hat der Iran in den vergangenen zehn Jahren sein Atomprogramm weiter ausgebaut. Deshalb braucht der Westen jetzt trotz Rohani ein neues Konzept und neue Ideen. Wer nicht bombardieren will, wird in einem gewissen Umfang das iranische Atomprogramm akzeptieren müssen. Und auch Chamenei und seine fundamentalistische Gefolgschaft wissen, dass sie ihre Macht gefährden, wenn sie so weitermachen wie bisher.

Vertrauen und ein vernünftiges Maß an Versöhnung mit den USA – etwa die Aufnahme diplomatischer Beziehungen – können Iran mäßigen. Nach 34 Jahren Eiszeit ist schon ein erster Händedruck ein großer Schritt und eine Chance für einen Neuanfang. Es kann ohnehin nur besser werden.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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13 Kommentare

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  • D
    D.J.

    @Paulibahn,

     

    O.K., Frau Mertins hat sich etwas undeutlich ausgedrückt. Aber ich verstehe Ihr Problem nicht:

    Wenn Sie zwischen o (wâw) und b sowie zwischen Alif und m eine größere Lücke lassen, werden die drei Silben halt wie drei Wörter gelesen.

  • K
    Kidrontal

    Das muss korrigiert oder beim Presserat gemeldet werden:

    Iran hat hinsichtlich des Atomprogrammes nie gelogen

    oder betrogen. Iran hat 2003 nicht alle Informationen

    gleich rausgerückt, ja, aber bei Aufforderung auch nicht

    gezögert und mit SIcherheit nicht gelogen. Tatsächlich

    hat sich Iran sogar an alle völkerrechtlich bindenden

    Verträge gehalten. Ich frage mich im Übrigen, ob der Autor

    auch über Israel oder andere Länder so enthusiastisch schreiben würde,wie das Land die internationale Gemeinschaft belogen und betrogen

    hat und wenn nicht, dann fragt sich nur warum?

     

    Und es ist unglaublich, dass ein Land, dessen Atomprogramm von 118 Staaten unterstützt wird, das alle 120 NAM Mitgliedsstaaten zu Gast hatte, mit 169 Ländern wirtschaftliche Beziehungen pflegt und eine führende Rolle im Erdölkartell OPEC ist, als "isoliert"

    bezeichnet wird. Das ist Propaganda pur!

     

    Und Iran distanzierte sich nicht von Syrien, sie haben schon immer gesagt, dass jegliche neue Führung akzeptabel ist, selbst Ahmadinedschad sagte das. Iran steht weiterhin hinter Srien.

     

    Und es ist lustig, wie der Autor meint, dass Iran einen "negativen Einfluss" in der gesamten Nachbarschaft ausübt und nur zwei Absätze zuvor schön umschreibt, wie die USA beide Nachbarn, Irak und Afghanistan, zerstört haben und wie nach Pakistans Kooperation

    mit den USA der Terrorismus dort wortwörtlich mehr boomt denn je.

     

    Der Autor erwähnt zumindest die Fatwa, der seiner Meinung nach niemand glaube. Seit 20 Jahren heißt es, dass Iran "in wenigen Monaten" die Atombombe haben wird. Scheinbar nimmt der Iran seine Religion und seine Fatwa viel ernster, als unsere Regierungen und Partner die internationalen Abkommen ernst nehmen. Der NPT wird durch das Beharren auf die Entrechtung Irans entwertet und gegen die UN-Charta wurde ohnehin bereits verstoßen.

  • NR
    Nafar-e rumi

    Seltsam.

    So weit ich das augenblicklich sehen kann, ist Coca Cola hier an jeder Ecke erwerbbar. Und die Kopftuecher sitzen beileibe nicht immer da, wo sie mancher Konservative gerne haette. Und das ganz ohne Chatami.

  • "Als Obama Präsident wurde, schrieben viele seinen Namen auf Persisch nicht in einem Wort, sondern in einzelnen Silben: u ba ma"

    frau mertins, lernen sie mal persisch bevor sie so nen quatsch verzapfen. den namen obama kann man auf persisch nur als u-ba-ma schreiben. geht gar nicht anders.

    • K
      kerle
      @paulibahn:

      Interessant!

       

      Nichts desto trotz sind nach meiner erfahrung insbesondere viele Großstadtbewohner dem Westen gegenüber fast schon verklärt positiv eingestellt.

       

      Coca-Cola gibts übrigens. Steht sogar Original drauf. ;)

  • MA
    Mal anders

    Der Iran hat den Holocaust nie geleugnet. Das Leid der Juden ist fester Bestandteil des iranischen Schulunterrichts, Frau Mertins kann das gerne überprüfen. Im Auftrag des Staates wurde sogar 2007 eine sehr erfolgreiche TV-Serie gedreht, die die Judenverfolgung thematisiert:

    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kulturinterview/675911/

    Ahmadinedschad war eine Knalltüte, dessen berühmte Rede muss man aber komplett lesen um den Inhalt zu verstehen. Ahmadineschad ging es nicht um die Leugnung des Holocausts sondern um die Instrumentalisierung desselben als politisches Druckmittel. Ob diese Instrumentalisierung tatsächlich so stattfindet will ich als Deutscher nicht bewerten. Der Iran hat einen jüdischen Sitz im Parlament und eine lange jüdische Tradition. Die jüdische Religion wird nicht nur geduldet sondern geachtet. Hier ein schöner Artikel aus dem österreichischen Standart, der bestimmt alles andere als ein linkes Propagandablatt ist und die Intentionen des Iran aufzeigt:

    http://derstandard.at/1378248357887/Der-Iran-und-die-Juden-Stilwechsel

    Ich will niemand etwas unterstellen, aber bedenken Sie bitte die Berichterstattung. Prüfen Sie Ihre Vorstellungen. Schreiben Sie nicht einfach was hin, was Ihnen irgendwo zu Ohren kam. All die unkritischen Berichte tragen nicht zu einer Befriedung der Konflikte bei und rücken ganze Staaten in das Licht des Bösen.

  • Spekulationen ueber den radikalen Iran. Koennen wir uns nicht mal darauf einigfen, dass alles Staaten gleich sind und auch ein gleiches Recht auf Atombomben haben? Israel hat den NTP nicht unterzeichnet und Iran kann jederzeit mit 1 Jahr Kuendigungsfrist austreten. Wer ist da der Buhmann? Warum Iran?

    • @fritz:

      Keiner hat ein Recht auf Atombomben.

  • Singularität des Holocaust?

     

    Da dann ist ja alles gut! Wenns einmalig war, dann hats nie zuvor einen anderen Genozid gegeben und wirds auch nie wieder geben, und Frieden herrscht auf Erden immerdar.

     

    Leider glaube ich noch nicht so ganz daran, und daran erkenne auch ich die o.g. Singularität nicht an.

    • @Alex von der Mark:

      Made in Germany ist schon ziemlich einmalig. Made in Germany, die Power des Exportweltmeisters.

  • D
    D.J.

    Der "Westen" (inklusive Israel), Russland, Iran, teils auch China haben einen gemeinsamen grausamen Feind, der sich weigert, sich auch nur im Geringsten an irgendwelche zivilisatorischen Spielregeln zu halten: Den sunnitischen Dschihadismus. Hier ist Zusammenarbeit dringendst nötig und auch möglich, wenn der Iran eine gemäßigtere Politk vertritt (übrigens kennt der schiitische Islam anders als der sunnitische nicht bzw. nicht mehr das Konzept des Offensiv-Dschihad). Es braucht insgesamt ein geopolitisches Umdenken: Isolation der Unterstützerregime des Dschihadismus bzw. ultrareaktionärster Islamismen in den westlichen Staaten, somit also Isolation von Saudi-Arabien und ggf. auch anderer Golfregime.

    • @D.J.:

      Sunniten gleich Extremisten und Schiiten gemäßigt ?

      Es gibt kein "Konzept" des Dschihad.

      Dschihad bedarf in beiden Richtungen der Zustimmung aller Islam-Völker.

      Das sunnitische Diktatoren eher zu kriegerischen Auseinandersetzungen unter dem Mantel des Dschihad neigen, mag mit der nicht blutsverwandschaftlich abhängigen Nachfolge Mohameds zusammenhängen, die so manchen Diktator dazu "verführt", er wäre der rechtmäßige Retter des Islam. Das lässt sich nicht einfach auf den ganzen sunnitischen Islam übertragen und wird auch von dieser nicht getragen.

      • D
        D.J.
        @lions:

        1. Die Rede war von sunnitischem Dschihadismus.

        2. Selbstverständlich gibt es auch schiitischen Extremismus. Aber nochmals: Die Schia kennt nicht das Konzept des offensiven Dschihad, seit der 12. Imam als verborgen gilt.

        3. Sie irren. Alle trad. sunnitischen Rechtsschulen kennen das Konzept des offensiven Dschihad. Deutlich ausgearbeitet im 8./9. Jh. (Waffenstillstände dürfen nur zeitlich begrenzt sein). Angeordnet werden kann er von der islamischen Obrigkeit. Aber: Wenn sie es versäumt bzw. nicht vorhanden ist, müsse er auch ohne dies geführt werden.

         

        Gibt genügend islamwissenschafliche Literatur dazu. Sie können natürlich auch die Quellen selbst lesen. Sind großteils übersetzt, z.B. Shaybani (8. Jh.) ins Englische.

         

        Dass die meisten Muslime (zum Glück) mit dem Konzept heute nichts anfangen können, steht auf einem anderen Blatt. Ich rede hier vom trad. islamischen Recht, das für die sunnitischen Exremisten entscheidend ist.