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Neue Pläne des InvestorsBewegung am Schulterblatt

Eigentümer des Gebäudes stellt Bauantrag für Veranstaltungszentrum und Konzerthalle. Den Bebauungsplan, der den Ist-Zustand absichern soll, ficht er an.

Eine alte Warnung der Altonaer Bezirks-CDU an die Fassade gehängt: Transparent der Rote-Flora-AktivistInnen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Für die AktivistInnen bestätigt sich, was sie seit Längerem befürchtet haben: Der Consulting-Manager Gert Baer sei die „Schlüsselfigur von Investorenplänen, die den Fortbestand der Roten Flora infrage stellen wollen“, heißt es in einer Erklärung, die sie am Samstag herausgaben.

Baer agiert seit einigen Monaten im Umfeld des derzeitigen Flora-Eigentümers Klausmartin Kretschmer. Als im Februar ein anderes von dessen Objekten zwangsversteigert werden sollte, der Brandshof unweit der Elbbrücken, trat Baer als Kretschmers Rechtsvertreter in Erscheinung.

Aus Sicht der RotfloristInnen ist nun die Katze aus dem Sack: Nach eigenen Angaben mit einer US-Investmentfirma im Rücken hat Baer beim Bezirksamt Altona einen Vorbescheid für eine Baugenehmigung beantragt – für ein sechsstöckiges Veranstaltungszentrum mit Konzerthalle für bis zu 2.500 Besucher. Gleichzeitig gab Baer bekannt, er habe den Bebauungsplan „Schulterblatt 7“ angefochten. Durch diesen Plan wollten alle Bezirksfraktionen die Rote Flora in ihrer jetzigen Form erhalten.

„Eine geschichtsvergessene und groteske Wiederauflage des ’Phantom der Oper‘-Projektes von 1987“, schreiben die AktivistInnen. So wie einst der Investor Friedrich Kurz mit seinen Musical-Ambitionen scheiterte, würden auch Baer „und die hinter ihm stehenden Investoren Schiffbruch erleiden“. Die Flora stehe „nicht im Ansatz zur Disposition“. Gleichwohl: Der Baer’sche Vorstoß bestätigt die Auffassung, dass der Status der Roten Flora juristisch keineswegs als gesichert gelten kann.

Betont gelassen reagierte der baupolitische Sprecher der SPD-Bezirksfraktion in Altona, Mark Classen, auf das „Säbelrasseln“ Baers und Kretschmers. Bei dem Bebauungsplan, der zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, handele es sich um einen Sanierungssicherungsplan, der die Sanierungsziele für das Gebiet Eifflerstraße/Schulterblatt festschreibe. Kretschmers Vorbescheidsantrag hält der Bezirkspolitiker „für nicht genehmigungsfähig“.

Funktionsschutz

Es gibt drei Maßnahmen, um die Rote Flora als autonom besetztes Stadtteilzentrum abzusichern:

Der Kaufvertrag, mit dem Klausmartin Kretschmer 2001 die Rote Flora von der Stadt erwarb, enthält eine Klausel, nach der das Gebäude auch nach einem Verkauf nur als Stadtteilkulturzentrum genutzt werden darf.

Der Status als Sanierungsgebiet ist auch deshalb verlängert worden, um das Gebäude als Kulturzentrum zu erhalten.

Der Bebauungsplan "Sternschanze 7" enthält eine Veränderungssperre, die die Nutzung des Gebäudes als Kultur- und Stadtteilzentrum vorsieht.

Den derzeitigen NutzerInnen hat Baer „eine Zusammenarbeit“ angeboten, ebenso „günstige“ Räumlichkeiten in dem zu errichtenden Komplex. Das sei „selbstverständlich ernst gemeint“, sagt er auf taz-Anfrage. Die AktivistInnen sprechen indes von einem „totalen Realitätsverlust“ des Bauherrn in spe.

„Da wir versuchen werden, auch den Florabunker im Florapark vom Bund zu kaufen, wäre auch ein Umzug in Teilflächen des Bunkers möglich“, sagt Baer weiter. Er hoffe, „dass die Rotfloristen unser Entgegenkommen positiv sehen und es zu konstruktiven Gesprächen kommen kann“.

Baer ist zudem bemüht, unter den betroffenen Anwohnern um Sympathien zu werben: Sie sollen Ideen zur „neuen Entwickung“ äußern können. Aus Sicht von Classen wäre Baer gut beraten, zur Zukunft am Schulterblatt ein Bürgerbegehren zu initiieren. Und wünscht für dessen Ausgang: „Viel Spaß dabei.“

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1 Kommentar

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  • Früher, vor 10 Jahren, war die "Rote Flora" eine Ansammlung völlig versiffter und vermüllter Räume, vor denen sich in lauen Sommernächten runtergekommene Typen 12-35, nebst einigen heruntergekommenen Älteren, trafen, um außerhalb ihrer meist tollen und supergünstigen und zentralen Altbauwohnungen zu ratschen, weil ihnen langweilig war und sie Geselligkeit suchten, laut und schäbig, viele Köter, ein Drecknest. Ein Schmuddel-Stammtisch im Szeneviertel, die linke Open-air-Variante der Stammkneipe und stadtbekannter Umschlagsplatz für weiche Drogen und Hehlerware.

     

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