184. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Von Kongo war keiner da“

Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Straton Musoni widerspricht der Darstellung, man habe keine Demobilisierung gewollt.

Wir sehen euch, ihr uns aber nicht: UN-Patrouille in FDLR-Gebiet, 2005 Bild: reuters

STUTTGART/BERLIN taz | In Reaktion auf die jüngst eingeführten Einzelheiten darüber, wie die politische Führung der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Jahr 2009 aus Deutschland heraus eine kirchliche Initiative zur Demobilisierung der im Kongo kämpfenden Miliz verhinderte, hat FDLR-Vizepräsident Straton Musoni am 184. Verhandlungstag (9. Oktober) des Prozesses gegen ihn und FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka Stellung genommen.

Musoni, befragt von der eigenen Verteidigung, verwies auf die konkurrierende und ältere Demobilisierungsinitiative, die die italienische katholische Kirchengemeinde Sant‘Edigio 2005 eingefädelt hatte und die zur „Erklärung von Rom“ vom 31. März 2005 geführt hatte. Darin hatte Murwanashyaka das Ende des bewaffneten Kampfes der FDLR zugesagt und die „friedliche Rückkehr“ ihrer Kämpfer nach Ruanda zugesichert.

Aus dieser Erklärung war nichts geworden, weil die FDLR hinterher selbst daran gezweifelt hatte - unter anderem unter Verweis darauf, dass ihr eine organisierte kollektive Rückkehr nach Ruanda und eine freie politische Betätigung dort nicht möglich sei. Ruandas Regierung hatte ohne hinskeptisch reagiert.

Bis heute besteht die offizielle Position Ruandas darin, dass FDLR-Kämpfer, die dem Krieg abschwören, individuell in die Heimat zurückkehren und dort ins zivile Leben wiedereingegliedert werden können, ein Transfer der FDLR aus dem Kongo nach Ruanda als Organisation aber ausgeschlossen ist.

"Nicht reibungslos"

Vor der Rom-Initiative hatte es intensive Überlegungen auf internationaler Ebene gegeben, die FDLR mit internationalen Eingreiftruppen, beispielsweise von der Afrikanischen Union, zu bekämpfen - das war in der Anfangszeit ihres „Staates im Staate“ im Ostkongo.

Musoni erklärte nun vor Gericht, die Rom-Initiative sei nicht nur in Reaktion auf diesen zunehmenden äußeren Druck entstanden, sondern auch in Reaktion auf innere Probleme.

Die politischen Machtkämpfe in der FDLR 2004 erwähnte er dabei nicht. Musoni verwies auf den „Zusammenschluss der Armeen von Ost und West“ - also der Zusammenschluss der im Untergrund kämpfenden ruandischen Hutu-Milizionäre im Ostkongo mit den aus Kongos Regierungsarmee entlassenen, in den Ostkongo übergewechselten Hutu-Militäreinheiten 2003, unmittelbare Folge der Gründung der FDLR einige Jahre zuvor. Dies sei „nicht reibungslos“ verlaufen.

„Für uns war die einzige Lösung eine friedliche Lösung und ein Dialog zwischen FDLR und ruandischer Regierung“, so Musoni. „Wir brauchten eine Vermittlung, da wir nicht direkt mit der ruandischen Regierung reden konnten." Hauptpunkt sei die Sicherheit von Rückkehrern nach Ruanda gewesen. „Wir brauchen keine Armee, aber Sicherheit brauchen wir, da wir in der Vergangenheit viel erlebt hatten, wie die Massaker in den Flüchtlingslagern.“

In Rom seien schließlich sowohl politische als auch militärische Führer der FDLR dabei gewesen, nicht aber General Syvestre Mudacumura, Chef des militärischen Flügels FOCA. Es kam sein Vize, Batista.

FDLR war bereit, Kongo und UNO nicht

Musoni erwähnt auch die am 2. April 2005 von Murwanashyaka als „Begleitmaßnahmen“ veröffentlichten Bedingungen der FDLR für die Umsetzung der Rom-Erklärung, die sich auf die ruandische Innenpolitik bezogen.

„Sie sind keine Bedingung für die Umsetzung von Rom, sondern Begleitmaßnahmen, die ermöglichen sollen, die Erklärung durchzusetzen, dass ein Bürger die Möglichkeit hat, sich in seinem Land politisch zu betätigen“, erläutert er.

Es habe Folgemaßnahmen geben sollen, beispielsweise zum Beginn der Entwaffnung der FDLR-Einheiten im Ostkongo. Dafür hätte ein gemeinsamer Auwschuss von Kongos Regierung, FDLR und internationaler Gemeinschaft unter Vermittlung von Sant‘Egidio entstehen sollen.

„Unsere Männer waren bereit“, so Musoni. „Aber von Kongo war keiner da und Monuc (UN-Mission im Kongo) hat auch keinen geschickt... Nachdem Ruanda sagte, sie machen nicht mit, sagte Kongo: Ok, dann macht es keinen Sinn.“

Ruanda "nie" sicher

Weil auch später in Ruanda „die Sicherheit nicht garantiert“ gewesen sei - obwohl Tausende ruandische Hutu-Flüchtlinge und FDLR-Kämpfer aus dem Kongo im Rahmen des freiwilligen UN-Repatriierungsprogramms nach Ruanda zurückkehrten - hätten auch spätere Initiativen nichts gefruchtet. „Bisher gab es nie eine Situation, wo es sicher ist“, behauptet Musoni.

Die FDLR hätte, so der Vizepräsident, auch gern an der Friedenskonferenz von Goma teilgenommen, die Kongos Regierung im Januar 2008 mit allen bewaffneten Gruppen Ostkongos organisierte. Man habe sie aber nicht eingeladen.

„Wir wollten unbedingt mitmachen“, so Musoni. „Als Ruanda absagte, sagte die Vertretung der kongolesischen Regierung: Hätte sie das gewusst, hätte sie uns mitmachen lassen, da es Sinn macht.“

Nach Musonis Darlegungen klingt es so, als habe die FDLR immer dann an Friedensinitiativen mitmachen wollen, wenn sie nicht dazu geladen war - aber habe sich dann verweigert, wenn sie geladen war.

Musoni stellt das anders herum dar: „Man warf der FDLR vor, an Gesprächen nicht teilzunehmen, aber wenn es ernst ist, sagt man der FDLR, sie muss nicht teilnehmen, da sie kein ernstes Problem ist.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.