Doping in Russland: Besuch beim Gehermacher
Das olympische Feuer kommt auf dem Weg nach Sotschi durch Saransk. Dort arbeitet Trainer Viktor Tschegin mit umstrittenen Methoden.
Die Olympischen Spiele von Sotschi haben begonnen. Die Sportler müssen zwar noch bis zum 7. Februar auf die Eröffnungfeier warten, das Heer der 37.000 Sicherheitskräfte, die in den Olympiaorten am Schwarzen Meer und im Kaukasus stationiert worden sind, ist dagegen schon seit Dienstag in Alarmbereitschaft.
Für Fahrzeuge, die nicht in Sotschi registriert sind, ist die Region ab sofort Sperrgebiet. Urlauber und Geschäftsreisende müssen sich unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sotschi registrieren lassen.
Nichts, schon gar kein Terroranschlag kaukasischer Unabhängigkeitskrieger, soll den Olympiafrieden, den Russlands Präsident Wladimir Putin versprochen hat, stören. Während dieser das orthodoxe Weihnachtsfest am Montag in einer nagelneuen Kirche am Eingang zum Olympiagelände gefeiert hat, machte das olympische Feuer, das seit Oktober durch ganz Russland getragen wird, Station in Nischni Nowgorod, der viertgrößten Stadt des Landes.
Morgen wird der unter anderem von Coca-Cola und Volkswagen gesponserte Fackellauf, der die russische Bevölkerung für die Putin’sche Großshow entflammen soll, Saransk erreichen. Dort soll Jelena Laschmanowa die Fackel ein paar Meter tragen. Sie ist 2012 in London Olympiasiegerin im Gehen über die 20-Kilometer-Distanz geworden und derzeit das Aushängeschild der Saransker Geher-Schule.
Die Methoden des Trainers sind umstritten
Um dieser Einrichtung des russischen Elitesports ein wenig Ehre zu erweisen, wurde Saransk als Etappenort für die Fackelstafette ausgewählt. In der Tat wurden in der gut 600 Kilometer südöstlich von Moskau gelegenen Stadt zahlreiche Weltklassegeher ausgebildet. Die Methoden der Medaillenschmiede von Trainer Viktor Tschegin, nach dem das Trainingszentrum benannt ist, sind indes alles andere als unumstritten. Immer wieder wurden Geher aus Saransk positiv getestet.
Weltmeister wie Wladimir Kanaikin waren unter den Überführten, ebenso Weltrekordhalter wie Sergej Morosow. Die wurden schon vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking aus dem Verkehr gezogen, weil sie mit dem Bultdopingmittel Epo erwischt wurden, genauso wie ihre Kollegen Igor Jerochin, Wiktor Burajew, Anatoli Kukuschkin. Seitdem wurden elf Geher und Geherinnen aus dem Tschegin-Camp wegen Verstößen gegen Dopingregularien gesperrt.
Im vergangenen Jahr traf es kurz vor der Leichtathletik-WM in Moskau die Juniorenweltmeisterin Jekaterina Medwedjewa. Als Igor Jerochin, der nach abgesessener Zweijahressperre in London Olympiafünfter geworden ist, im vergangenen Jahr wegen Unregelmäßigkeiten in seinem Blutprofil suspendiert worden war, fing sogar der russische Sportminister Witali Mutko an, sich Gedanken über das Gehercamp von Saransk zu machen.
An die gesperrten Leichtathleten denkt kaum jamend
Er stellte es unter staatliche Aufsicht und kündigte an, das ganze Jahr über regelmäßig Dopingkontrollen bei den Gehern durchführen zu lassen. Ob es ihm wirklich ernst ist, darf dabei durchaus bezweifelt werden. Denn Viktor Tschegin durfte seinen Posten als Cheftrainer des Camps behalten. Der Mann, der seit beinahe zwei Jahrzehnten als Medaillenschmied gilt, ist unantastbar in Russland, seit er 1995 die 18-jährige Irina Stankina zur jüngsten Geher-Weltmeisterin aller Zeiten gemacht hat. Auch er soll gefeiert werden, wenn der olympische Fackellauf durch Saransk führt.
An die 48 wegen Dopingdelikten gesperrten russischen Leichtathleten, die die aktuelle Liste des Internationalen Leichtathletikverbands IAAF aufführt, wird wohl kaum einer denken, wenn Tschegins derzeitige Vorzeigegeherin Jelena Laschmanowa die Fackel durch ihre Heimatstadt trägt.
Vielleicht erinnert sich ja am Donnerstag jemand an eine andere Frau, die Saransk 2013 zu weltweiter Berühmtheit verholfen hat – an Nadeschda Tolokonnikowa. Die Bilder der damals inhaftierten Aktionskünstlerin der russischen Punkband Pussy Riot hinter Gitterstäben, die im Juli 2013 um die Welt gingen, sie wurden während einer Berufungsverhandlung im Gerichtssaal von Saransk aufgenommen.
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