piwik no script img

Homophobie in AfrikaDer einsame Kampf der Alice Nkom

Wer Homosexuelle verteidigt, wie Alice Nkom, steht in Afrika im gesellschaftlichen Abseits. Amnesty International ehrt sie mit dem Menschenrechtspreis.

Alice Nkom, Rechtsanwältin und Trägerin des Menschenrechtspreises. Bild: Toby Binder/Amnesty International

BERLIN taz | Am Tag nachdem Ugandas Präsident Yoweri Museveni das umstrittene Gesetz gegen Homosexualität in seinem Land unterzeichnete, bestätigte das ugandische Revolverblatt Red Pepper alle Vorurteile. „Aufgedeckt! Ugandas 200 Oberhomos benannt!“, brüllte das Blatt auf seiner Titelseite. Drinnen wurden dann die bekanntesten Schwulen und Lesben Ugandas vorgeführt.

An erster Stelle: Craig Kadoda, TV-Reporter, „der die schockierende Entscheidung traf, im Fernsehen zu sagen, er sei schwul“. Er habe inzwischen in London seinen Freund geheiratet und sei schwanger. Es folgen Aktivisten, bekannte Popstars, verurteilte Pädophile.

Wer das gesunde afrikanische Volksempfinden in Sachen Homosexualität kennenlernen will, braucht nur diese Seiten im Red Pepper vom 25. Februar zu lesen: Schwule und Lesben sind Reiche, Mächtige und Trendige, die ihren Status ausnutzen, um normale Menschen sexuell zu korrumpieren. Sie stehen nach eigenem Empfinden über der Moral und über dem Gesetz, sie halten sich für etwas Besseres.

Es gibt nach dieser Lesart keine einvernehmliche homosexuelle Beziehung. Homosexuelle Akte sind sexuelle Gewalt, Homosexualität ist eine Abart der Pädophilie. Direkt im Anschluss an seine Homo-Liste brachte Red Pepper eine Enthüllungsstory: „Beichte: Wie Pastor K. mit riesigem Penis meinen Arsch zerriss“. Darin erzählt der Teenager Moses Muwanguzi, wie ein Pfarrer ihn brutal vergewaltigte, als er zehn Jahre alt war. Nachdem er Zuflucht bei seiner Tante fand, sei er entführt und später verhaftet worden. Beamte hätten ihn erneut dem Pfarrer zugeführt, der ihm eine Musikkarriere in Aussicht stellte; als er das ausschlug, hätten ihn die Polizisten verprügelt und wegen Verleumdung vor Gericht gestellt.

Die Moral von der Geschichte: Korrupte Polizisten und mächtige Schwule stecken unter einer Decke, einfache Bürger sind dem machtlos ausgeliefert. Aus dieser Sicht ähnelt der Kampf gegen Homosexualität dem Kampf gegen Pädophilie; das neue Gesetz in Uganda ist somit eine willkommene Stärkung der Kinder- und Bürgerrechte.

Schamlose Bereicherung

Noch weiter als Uganda geht Nigeria, das im Januar 2014 sogar die Todesstrafe für Homosexualität einführte. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas befindet sich damit in Gesellschaft mit Mauretanien, Sudan, Somalia, den Komoren und Sao Tomé. In Nigeria paart sich eine extrem konservative Variante des Islam mit dem Aufblühen christlicher Pfingst- und Erweckungskirchen, deren Führer als charismatische Heilsbringer auftreten und sich schamlos an ihren Jüngern bereichern.

Nigerias TV-Prediger, die stundenlang über die Hölle, das Paradies und die Bibel predigen können, haben ein Millionenpublikum nicht nur im eigenen Land, sondern in halb Afrika. Von Lagos bis Kinshasa ist die Verheißung eines Allheilmittels, das dem Einzelnen einen eindeutigen, individuell handhabbaren Ausweg aus dem Elend bietet, ungeheuer zugkräftig. Die ugandische und nigerianische Presse ist jeden Tag voller Horrorgeschichten, gegen die Streit um Sexualität wirkt wie ein Luxusproblem. Dieser Tage wird aus Uganda berichtet, mittellose Familien hätten ihre Töchter für umgerechnet 20 Euro als Bräute verkauft; in Nigeria wurde ein Restaurant geschlossen, das angeblich Menschenfleisch servierte.

Gegen Uganda und Nigeria hat das EU-Parlament vergangene Woche Sanktionen wegen ihrer Antihomosexualitätsgesetzgebung empfohlen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten ihre Entwicklungszusammenarbeit mit diesen beiden Ländern „überdenken“ und politische Konsultationen einleiten, die zum Ausschluss aus den europäischen Märkten führen könnten.

Es sind auch Einreiseverbote im Gespräch. In Uganda würde das David Bahati treffen, den regierungstreuen Abgeordneten, der das ugandische Gesetz 2009 auf den Weg gebracht hatte, damals noch mit Todesstrafe für Homosexuelle. Bahati gehört zu christlichen Zirkeln mit besten Beziehungen zu US-Pfingstkirchen, die in Uganda für mehr Intoleranz werben. Er ist das lebende Beispiel für das, was die Verteidiger von Homosexuellenrechten immer wieder vergeblich vorbringen: Es sind außerafrikanische Religionsführer, die in Afrika die schärfsten Moralpredigten halten – christliche und islamische Fundamentalisten, die Netzwerke von Schulen, Krankenhäusern, Waisenhäusern und anderen wohltätigen Einrichtungen aufbauen und damit an Einfluss gewinnen.

Populistische Gesten

Aber je mehr ehemalige Kolonialmächte jetzt ihre Zusammenarbeit mit Afrika an die Rechtslage von Homosexuellen knüpfen, desto tiefer werden die Fronten im sich anbahnenden europäisch-afrikanischen Kulturkampf. Kein Politiker, der die Abkehr von moralischen Gewissheiten predigt, kann heute in Afrika bestehen. Ugandas Präsident Museveni erklärt sein Gesetz zum Akt des Widerstandes gegen Geldgeber – eine populistische Geste.

Es gibt erstaunlich viele Länder in Afrika, in denen Homosexualität noch legal ist, darunter die Mehrheit der ehemaligen französischen Kolonien, auch Südafrika, Ruanda und die Demokratische Republik Kongo. Dort hat jetzt ein Linksoppositioneller einen Gesetzentwurf zum Verbot von Homosexualität ins Parlament eingebracht: Steve Mbikayi, Gründer der „Kongolesischen Arbeiterpartei“ und Abgeordneter für ein Slumviertel der Hauptstadt Kinshasa. In einem Interview vor einer Woche argumentierte Mbikayi, Afrika versuche nicht, in Europa die Ächtung der Polygamie zu kippen, also dürfe Europa auch nicht die Ächtung der Homosexualität in Afrika in Frage stellen. „Die Entscheider der Welt gehören satanischen Logen an“, sagte er. „Der Westen will uns tiefer stellen als Tiere.“

Das Ausmaß der Bedrohung von Homosexuellen in afrikanischen Ländern korrespondiert aber nicht unbedingt mit der jeweiligen Gesetzeslage. In Südafrika, das als liberalstes Land Afrikas gilt, gibt es „corrective rape“, gezielte Vergewaltigung von Lesben, um sie von ihrer „Verirrung“ zu „heilen“. Am meisten offene Verfolgung wird aus Kamerun gemeldet, das nicht zu den Scharfmachern auf gesetzlicher Ebene gehört. Im Juli 2013 wurde der Aktivist Eric Lembembe von Unbekannten zu Tode gefoltert.

Nicht besser als Apartheid

Berühmt wurde in Kamerun zuletzt der Fall des Studenten Roger Mbede: Er wurde im März 2011 verhaftet, nachdem er einem Mann eine SMS mit „Ich liebe dich“ geschickt hatte, und zu drei Jahren Haft verurteilt. Nachdem er Haftverschonung aus gesundheitlichen Gründen erhielt, tauchte er unter. Er starb am 10. Januar 2014 an Hodenkrebs – kurz bevor Kameruns Verfassungsgericht seine Klage gegen das Homosexualitätsverbot behandeln sollte.

Vertreten wurde Mbede vor Gericht von Alice Nkom, jener couragierten Rechtsanwältin, die am Dienstag in Berlin den Menschenrechtspreis von Amnesty International erhält. In einem Interview zu ihrer Preisverleihung weist die 69-jährige achtfache Großmutter auf den zentralen Widerspruch der afrikanischen Debatte hin: Einerseits heißt es, Homosexualität sei „unafrikanisch“; andererseits richten Staaten „Waffen, die Polizei und den gesamten Rechts- und Strafvollzugsapparat gegen einen Teil ihrer Bevölkerung“.

Unterdrückung von Homosexuellen sei nicht besser als Apartheid, sagt Nkom. Auch in Uganda reichten jetzt Aktivisten Verfassungsklage gegen das Homosexualitätsgesetz ein. Pfarrer Stephen Langa, Direktor des homophoben „Uganda Family Life Network“, rief in Reaktion zu einer Großkundgebung auf. In seinem Aufruf warnt er: „In unseren Gebeten müssen wir die Natur und das Ausmaß der Herausforderung vor uns begreifen. Homosexualität ist bloß der Ausdruck davon. Dies ist ein Konflikt zwischen dem Reich Satans und dem Reich Gottes.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es gibt weder auf den Komoren noch auf Sao Tomé & Principé die Todesstrafe für Homosexualität. In Sao Tomé ist Homosexualität seit 2012 sogar legal, wenngleich nach wie vor stark tabuisiert. Die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Sex gibt es außer in Mauretanien und Nigeria noch im Sudan und Somalia.