Länderbericht der Staatengemeinschaft: OECD kritisiert deutsche Steuerpolitik
Widerstandsfähig ist sie, die deutsche Wirtschaft. Das erkennt die OECD an. Krisiert aber den Niedriglohnsektor und falsche Steuervergünstigungen.
BERLIN taz | Es ist ein sehr gemischtes Zeugnis, das die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Bundesregierung ausgestellt hat. Die deutsche Wirtschaft habe sich angesichts der jüngsten Krisen als „bemerkenswert widerstandsfähig“ erwiesen, schreibt die Organisation in ihrem Länderbericht, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Doch dieser Aufschwung geht laut OECD an den sozial Schwächsten vorbei: Die Regierung müsse mehr dafür tun, dass sich ein „ausgewogeneres, sozial inklusives und umweltfreundliches langfristiges Wachstum“ entwickle.
Ausdrücklich kritisiert die OECD, die in der Vergangenheit einen eher neoliberalen Kurs gefahren hat, nun den „stark angewachsenen Niedriglohnsektor“ und den „hohen Anteil von Menschen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen“ in Deutschland. Die gesunkene Arbeitslosigkeit habe sich nicht positiv auf das Armutsrisiko im Land ausgewirkt, heißt es im Bericht. Im Gegenteil: „Die Aufwärtsmobilität von einkommensschwachen Arbeitskräften und Geringverdienern hat effektiv abgenommen.“ Um sie zu entlasten, seien geringere Sozialabgaben nötig. Stattdessen müssten mehr Leistungen über Steuern finanziert werden. Lob fand OECD-Generalsekretär Angel Gurría hingegen für dem Plan der Bundesregierung, einen Mindestlohn einzuführen.
Deutliche Kritik kommt auch an der deutschen Steuerpolitik – vor allem im Bereich Umwelt. So sollten „Steuervergünstigungen für umweltschädliche Aktivitäten“ abgeschafft und Mehreinnahmen durch „wirkungsvollere Umweltsteuern“ erzielt werden. Die Einnahmen aus Umweltsteuern liegen in Deutschland mittlerweile unter dem Durchschnitt der 34 OECD-Staaten. Grund für den Rückgang ist, dass viele Steuern etwa auf Energie nicht prozentual, sondern in absoluten Werten erhoben werden, die lange nicht an die Preissteigerungen angepasst wurden.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der den Bericht von Gurría entgegennahm, bemühte sich nach Kräften, ihn eher als Lob und Ermunterung denn als Kritik darzustellen. „Vieles davon ist angelegt in der Politik der Großen Koalition“, sagte er. „Aber manches fehlt noch.“
Auch die kritischen Anmerkungen zu Subventionen und Steuern im Umweltbereich bezog Gabriel nicht auf sich, sondern reichte sie an CDU und CSU weiter. So sei es tatsächlich ein Problem, dass auch umweltschädliche Dienstwagen steuerlich gefördert werden: „Da müssen wir ran, das mit dem Koalitionspartner zu diskutieren“, sagte der SPD-Minister. Auf die Forderung nach höheren und effektiveren Umweltsteuern ging er nicht ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!