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Kämpfe im Norden IraksIslamisten erobern Mossul

Sunnitische Extremisten haben die zweitgrößte Stadt im Irak unter ihre Kontrolle gebracht. Für die Regierung in Bagdad ist das ein Debakel.

Irakischer Soldat auf Wache an einem Kontrollpunkt. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Nach vier Tagen teils schwerer Kämpfe haben Armee und Polizei die zweitgrößte Stadt im Irak dem Schicksal von sunnitischen Extremisten überlassen. Kämpfer des Islamischen Staats im Irak und Syrien (Isis) hatten in der Nacht auf Dienstag Teile von Mossul und den Sitz der Provinzregierung in ihre Gewalt gebracht. Dabei gelang es den Extremisten offenbar große Mengen an Waffen zu erbeuten.

Nach der Einnahme der Stadt öffnete der Isis die Tore der Gefängnisse und befreite fast 3.000 Häftlinge, unter ihnen auch Hunderte von Radikalen. Am Dienstag nahm der Isis auch den Flughafen ein, wo sich das regionale Hauptquartier der Armee befindet. Dabei sollen ihnen auch Helikopter in die Hände gefallen sein.

Mossul sei komplett gefallen, sagte Parlamentspräsident Osama Nujaifi. Die gesamte Provinz Ninive befinde sich unter Kontrolle des Isis. Nujaifi forderte internationale Hilfe, um die Stadt zurückzuerobern. „Dass diese Terrorgruppe eine Stadt im Herzen des Irak kontrolliert, ist nicht nur eine Gefahr für den Irak, sondern die ganze Region.“

Sein Bruder Athil Nujaifi, der Gouverneur von Mossul, rief die „Männer von Mossul“ auf, ihre Viertel gegen die fremden Eindringlinge zu verteidigen. Ihm selbst gelang es, in den angrenzenden kurdischen Teilstaat zu fliehen.

Zehntausende Zivilisten sind vor der Gewalt geflohen. Viele von ihnen suchen ebenfalls Schutz in Kurdistan. Die kurdischen Sicherheitskräfte lassen sie aber nur in die Region, wenn sie Angehörige haben oder einen kurdischen Bürgen vorweisen können, wie die UNO-Vertretung im Irak über Twitter bestätigte.

Im Norden des Landes liegt die umkämpfte Stadt.

Der Fall von Mossul erinnert stark an die Eroberung von Ramadi im Westirak vor gut sechs Monaten. Zwar hat die Regierung die Provinzhauptstadt von Anbar teilweise wieder unter ihrer Kontrolle. Doch zahlreiche ländliche Gebiete und vor allem die Stadt Falludscha befinden sich weiterhin in den Händen von Extremisten und Aufständischen.

Am Donnerstag vergangener Woche startete der Isis mit einem Angriff auf Samarra nördlich von Bagdad eine neue Offensive, tags darauf folgte der Angriff auf Mossul. Am Dienstag stießen Extremisten von dort in Richtung Süden nach Salahaddin um Tikrit – die Heimatstadt des ehemaligen Diktators Saddam Hussein – vor. Die Einnahme von Mossul zeigt, wie schlagkräftig der Isis ist.

Die Terrorgruppe ging aus der irakischen al-Qaida hervor und operiert auch in Syrien, wo sie zahlreiche Gebiete an der irakischen Grenze kontrolliert. Mossul war seit dem Sturz von Saddam Hussein eine Hochburg von sunnitischen Aufständischen. Dazu trugen wie in vielen sunnitischen Landesteilen die Fehler der Amerikaner bei, aber auch der Konflikt zwischen den sunnitischen Arabern, die in der Provinz die Mehrheit bilden, und den Kurden, die den Ostteil der Stadt am Tigris für ihren Teilstaat reklamieren.

Abzug der Amerikaner

Im November 2004 fiel Mossul an sunnitische Kämpfer, nachdem – ähnlich wie heute – ein Großteil der Sicherheitskräfte desertierte. Erst nach langem zähen Kampf gelang es den amerikanischen Truppen, irakischen Spezialeinheiten und kurdischen Peshmerga die Stadt zurückzuerobern.

Nach dem Abzug der Amerikaner spielte ihnen dabei auch die Politik von Regierungschef Nuri al-Maliki in die Hände. Zum einen honorierte Maliki, ein Schiit, die Abkehr der Sunniten von der al-Qaida nicht, sondern bestärkte mit Massenverhaftungen und Ämterbesetzungen ihr Gefühl, von den Schiiten erniedrigt zu werden. Gleichzeitig erpressten Isis-Kämpfer im großen Stil Geschäftsleute und füllten so ihre Kriegskassen.

Maliki forderte am Dienstag das Parlament auf, den Notstand im Irak auszurufen. Wie er so die Kontrolle über die verlorenen Gebiete erlangen will, ist freilich ein Rätsel. Im Notstand befindet sich der Irak schon lange.

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5 Kommentare

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  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Es sind Irrsinnsfehler des Westens. Syrien war seit spätestens 2007 im Wandel Richtung Westen inkl Setzen auf NGOs (hinter all den Dingen steckte Aswa al Assad) mit Betonung des Aufbaus einer Zivilgesellschaft. Der Prozess lief noch mitten im so genannten arab spring. Die Kontakte hinter all den Prozessen zeigten vielmehr auf Brasilien usw, das alles wurde gefetzt, heute gratuliert Nord Korea Assad zu den Wahlen, das sind die falschen Freunde. Alle verhalten sich dort wahnwitzig. Hinter allen Kulissen ist Brasilien auf den Mikroebenen immer noch Vorbild, nicht Nord Korea. Da war Wandel bottom up geplant, nicht top down. Nord Korea ist das Gegenteil von bottom up. Dieses bottom up hätte nebenbei den Islamisten den Zulauf begrenzt, es zielt die Bedingungen der Armen zu verbessern und dann noch über NGO Ebenen, ergo Zivilität - es wurde mit ab 2011 alles gefetzt. Niemand der Staaten dort hatte (und hat noch) solche Projekte. Den ISIS wird man nur mit syrischer Hilfe los und umgekehrt.

  • Es bestätigt sich einmal mehr, der Überfall der US-Amerikaner war und ist ein Verbrechen. Soviel Leid und Tod hat nicht einmal Saddam Hussein über dieses geschundene Volk gebracht. Dank "Amerika" und allen Befürworter dieses "Freiheitskampfes"!

    • D
      D.J.
      @Pit:

      Ich teile zwar Ihre prinzipielle Einschätzung, dass der Irakkrieg ein riesiger Fehler oder gar ein Verbrechen war. Aber Sie haben schon irgendwie mitbekommen, dass es derzeit nicht die Amerikaner sind, die in Mossul und andernorts Schiiten, Christen und weniger fanatische Sunniten abschlachten?

      • @D.J.:

        na, da sind wir uns ja im wesentlichen einig. Jetzt gehts nur noch darum, dass Gewalt immer neue Gewalt erzeugt. Insofern hat der Überfall der US-Amerikaner wieder neue Gewalt erzeugt. (diesmal von den Religionsfaschsiten). Ich habe schon mein Kind so "erzogen", dass Gewalt niemals Probleme löst. Aber die USA sind eine Gesellschaft, die Probleme mit der Knarre löst. Ekelhaft.

      • @D.J.:

        Nur wurden die durch amerikanische "Fehler" oder besser durch ziehen der "Grünen Karte" ermöglich -Politik ist nicht für Menschen mit "Kurzzeitgedächtnis" sie ist eine Kette von Aktionen und Reaktionen - und Roadmaps von Thinktanks