Israelische Militäraktion im Westjordanland: Eine dritte Intifada droht
Fünf Tote bei der Suche nach drei Entführten: Der palästinensische Widerstand dagegen wächst. Auch die eigene Führung wird kritisiert.
JERUSALEM taz | Fünf tote Palästinenser und Dutzende Verletzte sind die vorläufige Bilanz der israelischen Militäroperation im Westjordanland. Seit zehn Tagen suchen die Soldaten nach den drei entführten Religionsschülern, ohne dass die Nachrichtendienste eine erkennbaren Spur folgen. Auf beiden Seiten liegen die Nerven blank.
Mit jedem weiteren Tag von Ausgangssperren, Häuserzerstörungen, Verhafteten und weiteren Toten wächst die Bereitschaft zum Widerstand gegen die groß angelegten Razzien im Westjordanland. „Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Intifada“, fürchtet der unabhängige palästinensische Politiker und Menschenrechtler Mustafa Barghuti. Die Palästinenser würden indes nicht mit Gewehren und Bomben kämpfen, wie während der Zweiten Intifada, sondern sich „wieder dem Volksaufstand“ zuwenden.
Der Protest einiger aufgebrachter Palästinenser richtete sich am Wochenende auch gegen die eigene Führung, weil sie mit Israels Sicherheitsapparat kooperiert. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hält weiter daran fest, dass islamistische Hamas hinter der Entführung steht. Neben den Verhaftungen auch von politischen Köpfen der Hamas im Westjordanland griff die Luftwaffe wiederholt Ziele im Gazastreifen an. Außerdem verschärften die Gefängnisbehörden die Haftbedingungen für Hamas-Aktivisten. Die Männer dürfen während der WM-Spiele nicht in die Fernsehräume, und die Besuche ihrer Familien wurden reduziert oder komplett gestrichen.
Mustafa Barghuti spricht von einer „Kollektivstrafe, nicht nur gegen die Hamas, sondern gegen das gesamte palästinensische Volk“. Die Zahl der Verhafteten, so sagt er, übersteige bisher bereits die Zahl von 430 Palästinensern. Mehr als 2.200 Häuser seien durchsucht worden und „fünf Universitäten, zwei davon zweimal“. Barghuti hegt keine Zweifel daran, dass Israel das „politische Ziel verfolgt, die palästinensische Einheit [von Hamas und Fatah] zu brechen“. Er appelliert an die eigene Führung, die Sicherheitskooperation mit Israel zu beenden. Es ginge nicht an, dass „die israelischen Soldaten in unsere Städte einmarschieren und die palästinensische Polizei komplett verschwindet“. Präsident Mahmud Abbas zeigte sich angesichts des bevorstehenden Ramadans ebenfalls besorgt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen