Berliner NS-Bad saniert: Zu viel Geld für Hitlers Wanne
Das Schwimmbad in der Finckensteinallee wird am Sonntag nach Sanierung wieder eröffnet - ein reichlich teures Vergnügen.
Abreißen und neu bauen wäre vielleicht billiger gewesen. Zumindest mittelfristig, denn das Schwimmbad in der Finckensteinallee in Lichterfelde ist der Gegenentwurf zu einem energiesparenden Gebäude. Eine ohne Not (den Sprungturm gibt es nicht mehr) 15 Meter hohe Halle, eine aus Denkmalschutzgründen bescheidene Wärmedämmung – worin hier angeblich gut zwölf Millionen Euro öffentlicher Gelder geflossen sind, hat nicht gerade Vorbildcharakter.
Aber natürlich hat es etwas, sich in einer so großen, aufgehübschten Halle zu bewegen und dort seine Bahnen zu ziehen, was ab Sonntag möglich sein soll (www.bbb.de). Doch das denkmalpflegerisch zu bewahrende Erbe ist zweifelhaft. In der Nazi-Zeit wurde der Bau zum Bad für die „Leibstandarte Adolf Hitler“ der SS ausgebaut. Auch wenn nach dem 2. Weltkrieg die US Army das Gelände übernahm und es quasi schwimmenderweise entnazifizierte – so viel Geld in Steine mit solcher Vergangenheit zu stecken, ist grenzwertig. Was andernorts gar keine Frage sein darf, nämlich denkmalgerecht zu sanieren, etwa in den historischen Stadtbädern in Neukölln und Charlottenburg – in der Finckensteinallee grenzt es an Verpulverung.
Wenn die Bäderbetriebe Eintrittspreise drastisch erhöhen und die Personalkosten drücken wollen, um bei den Ausgaben zu sparen, und zugleich überdimensional viele Millionen in ein einzelnes Bad stecken, passt das nicht zusammen. Vereinssportlern und neuerdings auch anderen Schwimmern – das Bad war bis 2006 Vereinen vorbehalten – hätte es mehr gebracht, in ein zügig errichtetes energieeffizientes Bad zu springen. Stattdessen wurde saniert, und immer wieder verzögert.
Denkmalschutz an zentraler Stelle – keine Frage. Aber in einem reinen Sportbad am Stadtrand? Wegen der Atmosphäre? Am Beispiel des knapp vier Kilometer entfernten, vor rund dreieinhalb Jahren wieder eröffneten Bads am Hüttenweg zeigt sich, was sich auch mit viel weniger Geld machen lässt.
Unterm Strich bleibt immerhin positiv, dass Vereine und sonstige Besucher im Südwesten endlich wieder einigermaßen mit Hallenbädern versorgt sind – denn über Jahre hatten sie nach Abriss der früheren Halle in Zehlendorf und Schließung des Bads in der Finckensteinallee schlicht null öffentliches Angebot an Schwimmfläche. STEFAN ALBERTI
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