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Antisemitismus in DeutschlandVerbale Brutalität

Juden sind keine Deutschen und Deutsche sind Leidtragende: Beobachtungen aus einer Politikstunde an einer westdeutschen Berufsschule.

Geschichte zum Nachempfinden: Nachbildung des Tagebuchs der Anne Frank in der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Bild: dpa

Ist der Lehrer der Einzige, der nichts hört? Er sitzt am Pult und lässt sich nichts anmerken. Es kommt mir vor, als beugten sich meine Mitschüler besonders tief über ihre Zeichenbretter. Wir sind Tischlerlehrlinge im dritten Lehrjahr. Zwei in der hinteren Bank ereifern sich halblaut: „Arschgefickte Juden … sind an allem schuld.“

„Jude“ ist ein gebräuchliches Schimpfwort an der Berufsschule in Westdeutschland. Ein 19-Jähriger erklärt mir, Juden seien Wucherer. Sie trieben Menschen in den Ruin.

Ich staune, wie offen im Unterricht Bemerkungen fallen wie „Schufa, alles Juden“. Als einmal ein Schüler ruft: „Aldi gehört den Juden“, reagiert der Lehrer: „Dazu könnte ich jetzt etwas sagen. Aber?“ Er lässt es. Ich bin Mitte fünfzig, fast so alt wie er. Und rund fünfunddreißig Jahre älter als meine Mitschüler.

Inzwischen hetzen die beiden Hinterbänkler weiter gegen „Drecksjuden“. Ein Mitschüler warnt sie leise: Wegen so etwas sei er schon mal fast von der Schule geflogen. Erst als ich die beiden laut anspreche – „Man muss nicht jeden Dreck, den man im Kopf hat, rauslassen!“ –, schweigen sie.

Demo gegen Judenhass

Was: Für Sonntag, 14. September, 15 Uhr, ruft der Zentralrat der Juden zu einer Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin auf. Die Veranstaltung findet am Brandenburger Tor statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf der Demo sprechen ebenso wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, und der EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider.

Warum: Zentralratspräsident Dieter Graumann ruft angesichts der "unfassbaren und schockierenden Hassparolen auf deutschen Straßen" Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft dazu auf, ein deutliches Zeichen gegen Judenhass in der Bundesrepublik und in Europa zu setzen.

Kritik: Für die Demo haben sich auch jüdische Deutsche und Israelis angekündigt, die sich vom Zentralrat und von der Politik des israelischen Staats distanzieren. Sie kritisieren die einseitige Unterstützung Israels und die ihrer Ansicht nach stattfindende Gleichsetzung von Israelkritik mit Antisemitismus. (gsh)

Nun bestellt der Lehrer die Provokateure zu sich. Mir erklärt er, den jungen Leuten fehlten Grundlagen. Das will er in der nächsten Politikstunde ändern.

Deutschland? Autos!

Er schreibt „Deutschland“ an die Tafel. Die Schüler assoziieren Autos, Merkel, fehlende Autarkie bei der Energieversorgung, Wurst und Bier. Schließlich nennt einer Nazis. Eine Schülerin ergänzt: „Weiße Rose“.

Wofür dieser Name steht, weiß sie nicht. Ein Schüler ist auf eine nach den Geschwistern Scholl benannte Schule gegangen und gibt Informationen. Der Lehrer nimmt das Stichwort „Nazis“ auf: Wir hätten ein Problem mit Neonazis in den neuen Ländern. Dort habe es keine Vergangenheitsbewältigung gegeben.

Dann bemängelt er, dass niemand den Begriff Demokratie genannt habe. Sie erscheine offenbar so normal, dass keinem mehr auffalle, wie wichtig sie sei. Es sei aber nicht selbstverständlich, dass man sich sicher auf der Straße bewegen könne. Dieser Bewusstseinsmangel sei die Ursache für das fehlende gesellschaftliche Engagement der heutigen Jugend.

Mich reizt es, seinen Monolog zu unterbrechen. Doch meine Wortmeldung könnte leicht zum Dialog ausufern. Ich war Fernsehjournalist, mache die Lehre, weil ich nicht mehr konnte. Wie ich inzwischen weiß, litt ich seit Jahren an Morbus Parkinson.

Film statt Lehrer

Die weitere Argumentation überlässt der Pädagoge einem Film. Für einige Gelegenheit zum Abschalten mit dem Kopf auf der Bank. Sie sehen nicht einmal auf, als Joseph Goebbels brüllt: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Die Menge im Berliner Sportpalast tobt, Bomben fallen auf deutsche Städte. Eine Totale zeigt Ruinen soweit das Auge reicht. Die Deutschen hungern. In den Konzentrationslagern stapeln sich ausgemergelte Leichen. „Gotteskinder“ raunt der Kommentar zum Gesicht eines Toten in Nahaufnahme. Kinder in KZ-Kitteln zeigen ihre tätowierten Unterarme: „Sie haben ihren Namen vergessen.“

Eine Schülerin greint: „Die armen Kinder. Haben ihre Namen vergessen.“ Will sie provozieren oder drückt sie ihr Unbehagen aus? Der Lehrer hakt nicht nach. Er erklärt nicht, wie Kinder im KZ von Eltern getrennt und von da an mit ihrer eintätowierten Häftlingsnummer angesprochen wurden. Die Autoren des Films wollen Mitgefühl erzeugen. Nichts eignet sich dazu besser als leidende Kinder. Doch ohne Informationen wirkt das Vergessen des Namens banal gegen die Not in den Ruinenstädten. Der Lehrer bleibt abstrakt. Das Vergessen sei womöglich „Folge von Traumatisierung“. Ob der Begriff den Schüler etwas sagt, will er nicht wissen. Die meisten haben Haupt- oder Realschulabschluss, einige Fachabitur.

Die Schüler wissen nichts

In den Pausen äußern einige Mitschüler ihren Unmut. Auch dort sind sie vorsichtig. Widerwillig erklären sie, das alles schon so oft gehört zu haben. Aber sie wissen nichts.

Mir lässt die Stunde keine Ruhe. Die Juden geschundene „Gotteskinder“ zu nennen schließt sie aus dem Kreis normaler Menschen aus. Ich fürchte, dass am Ende die Bilder siegen. Sie zeigen die Juden, wie die Nationalsozialisten sie sehen wollten: als verlauste, ausgemergelte, elend krepierte Gestalten – Opfer ohne Vorgeschichte. Auch „Opfer“ ist eine gebräuchliche Beleidigung unter Jugendlichen.

Ich bitte den Ethiklehrer um zwei Unterrichtseinheiten. Und informiere die Klasse über die massive Gewalt, mit der die Nazis die deutschen Juden aus der Gesellschaft ausgrenzten. Erkläre, dass sie Mitbürger, Kollegen und Nachbarn waren – Deutsche. Die Wortmeldungen zeigen, woher viele Schüler ihr Wissen haben: von ihren Großeltern.

Ein Schüler verteidigt die Wehrmacht gegen den Vorwurf, sie habe einen verbrecherischen Krieg geführt. Sein Großvater habe ihm erzählt, wie es wirklich war. In dieser familiären Geschichte sind offenbar die Deutschen die Leidtragenden. Und Juden keine richtigen Deutschen.

Auch die beiden Nachkommen türkischer Einwanderer tun sich mit antisemitischen Sprüchen hervor. Sie müssen sich ihrerseits von Mitschülern fragen lassen, was der Unterschied zwischen Juden und Türken sei. Antwort: „Die Juden haben es hinter sich.“ Was mir als unerträglicher Affront erscheint, nehmen die beiden äußerlich ungerührt hin.

Für meine Mitschüler geht das alles zusammen: Sie beleidigen sich und lachen sich an. Ich erlebe sie als sensibel und sozial eingestellt; zugleich als regellos bis zur verbalen Brutalität. Es ist kaum herauszufinden, wann sie provozieren und was sie ernst meinen.

Und die fehlenden Grundlagen? Die schreibt der Lehrer am Ende der Stunde an die Tafel: den Tag der Kapitulation der Wehrmacht, die ersten Tagungen des Parlamentarischen Rates und der Volkskammer: „Wichtig, bitte merken für die Gesellenprüfung“. Wir schreiben alles ab.

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37 Kommentare

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  • ne wilde mischung, dachte ich mir beim lesen im print, aus rassismus, sexismus und klassismus.

    aber um es auf rassismus zu fokussieren: wer bei "Sie müssen sich ihrerseits von Mitschülern fragen lassen, was der Unterschied zwischen Juden und Türken sei. Antwort: „Die Juden haben es hinter sich.“ Was mir als unerträglicher Affront erscheint, nehmen die beiden äußerlich ungerührt hin." immer noch nicht begriffen hat, dass die antwort auf rassismus nur eines sein kann, nämlich: ne touche pas mon pot/ma pute

    der hat garnichts begriffen.

    der glaubt immer noch, es gäbe mehr oder weniger schuldige/verdächtige stoffteile und findet es völlig richtig, dass einer, der in schöneberg zusammengeschlagen wurde, neu-kölln zur no-go-area erklärt.

     

    und mädchen/frauen können sowieso nur greinen....

     

    da frag ich mich: was ist der unterschied zwischen teilnehmender beobachtung und einem sich als beoachtend ausgebenden bericht in denunziatorischer absicht.

  • DER ANTISEMITISMUS GEHÖRT ZU DEUTSCHLAND

     

    so als Überschrift auf www.achgut.de

    zu einem ZDF Video, das dies dokumentiert

    Als wichtigsten Satz daraus würde ich unterstreichen:

    "Der Antisemitismus ist unabhängig von jüdischem Verhalten"

     

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2235380/Antisemitismus-im-Netz#/beitrag/video/2235380/Antisemitismus-im-Netz

  • Wie soll man heute über den Antisemitismus während der Nazizeit , die Judenverfolgung und ihre ultimative Folge – den Holocaust, unterrichten?

    Ich denke, mit dieser Frage wird man sich flächendenkend im deutschen Schulwesen AUF NEUE WEISE beschäftigen müssen.

    Wie hier bereits beschrieben , können Jugendliche mit dem overflow des Grauens der Vernichtungslager allein nichts anfangen, denn dort, wie schon vom Autor des Artikels beschrieben, wird ein Bild der Juden weitergegeben " wie die Nationalsozialisten sie sehen wollten: als verlauste, ausgemergelte, elend krepierte Gestalten – Opfer ohne Vorgeschichte"

     

    Vielmehr fehlt heute eine Betrachtung, wie es war, als deutsche Mitbürger jüdischen Glaubens, die seit dem Mittelalter das Leben in Deutschland mitgestalteten, auf einen Schlag ausgegrenzt wurden, dann verfolgt und letztendlich vernichtet wurden.

    Es geht auch um den von Götz Aly beschriebenen RAUBMORD an den Juden.

    Es fehlt die Vermittlung, dass es sich bei den Juden in Deutschland nicht um Fremde oder Zugereiste handelte, womit das Thema "Fremdenhass" hier auch nicht zutrifft, sondern UM DEUTSCHE BÜRGER, die das Gebiet, das sich irgendmal Deutschland nannte, schon mit den Römern besiedelt hatten und eigentlich schon vor den "Deutschen" hier waren.

    Erst wenn dies begriffen wird, vielleicht durch einen pädagogisch gut aufgebauten Film und dem anschliessenden Lehrmaterial, das jedem Lehrer die eigene Vorstellung abnimmt, " wie dies zu meistern sei", können wir hoffen, dass junge Menschen das Thema so verinnerlichen, dass es auch ihr Bewusstsein und damit die Sprache positiv beeinflusst.

    • 1G
      1393 (Profil gelöscht)
      @Mal Mel:

      Sie verlangen eine ganz natürliche Erkenntnis, wenn Sie anmahnen

       

      "sondern UM DEUTSCHE BÜRGER, die das Gebiet, das sich irgendmal Deutschland nannte, schon mit den Römern besiedelt hatten und eigentlich schon vor den "Deutschen" hier waren. "

       

      Leider vermisse ich bei fast allen Unterstützern der Israelischen Entvölkerung Palästinas eigentlich die fast gleiche Erkenntnis. Durch die Existenz der Palästinenser in Palästina und der ehemaligen ethnischen Säuberung von Palästinensern im Mandat Palästina und aktuell durch die Annektionsbestrebungen Israels in Palästina OHNE die dort ansässige Bevölkerung gegeben ist.

       

      Darum gilt auch hier:

       

      "Erst wenn dies begriffen wird, vielleicht durch einen pädagogisch gut aufgebauten Film und dem anschliessenden Lehrmaterial, das jedem Lehrer die eigene Vorstellung abnimmt, " wie dies zu meistern sei", können wir hoffen, dass "junge" Menschen das Thema so verinnerlichen, dass es auch ihr Bewusstsein und damit die Sprache positiv beeinflusst."

       

      Was aber auch gilt, ist dass es als amassende Belehrung aufgefasst wird, wenn Besatzungsunterstützer sich selber dieser Erkenntnis bzgl. Israel verweigern, dennoch aber hier als Lehrmeister geben, auch wenn es völlig richtig ist, einen Rassismus gegen die Bürger der ursprünglichen Region in solcher Härte zu verurteilen.

    • @Mal Mel:

      kleine anmerkung:

      auch die sinti+roma+, die sozialdemokraten bis kommunistinnen, die bibelforscher+bekennenden christinnen, die schwulen und 'unsittlichen' frauen, ja auch die sog. schwerkriminellen waren keine fremden. und was die polen und fremdarbeiterinnen und kriegsgefangenen anbelangt - die mögen zwar anderer nationalität gewesen sein, aber das waren in obhut gegebene.

      solange das nicht begriffen ist, hat die erziehung nach auschwitz noch sehr viel zu tun.

  • D
    D.J.

    Hat bei Ihnen was zwanghaftes, stets den Antisemitismus zu relativieren und Israel ins Spiel zu bringen, nicht?

    Meine erste Begegnung mit Antisemitismus im Westen unmittelaber nach meinem Umzug zum Studium nach Bochum 1990: Ein mir gegenüber sehr hilfsbereiter, intelligenter Türkischdeutscher, der mich belehrte, dass die deutschen Medien alle in jüdischer Hand wären. Wenige Monate später trug er (ehem. Linker) übrigens einen langen Bart, Turban und gekürzte Hosen. Ich traf ihn nochmals nach seienem Studienaufenthalt in Saudi-Arabien (Theologie natürlich).

    • D
      D.J.
      @D.J.:

      gehörte eigentlich zu @Erol Bulut

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @D.J.:

        Es ist wohl sicher "zwanghaft" von mir, Gegebenheiten anhand anderer gleichartiger Gegebenheiten relativ zu betrachten. Schließlich hat das was mit Bildung und der Methode zu tun, Gegebenheiten besser verstehen zu können. Ist ja wissenschaftliches Prinzip, nicht nur in der Medizin, anhand von Kontrollgruppen Auswirkungen mit einem Maß zu behaften.

         

        Eine andere Art Zwanghaftigkeit stellt es dar, vermeintlichen oder echten Antisemitismus, gänzlich ohne Relativierung zu anderem Rassismus sehen zu wollen.

         

        Und wenn man den Vorwurf gegen Menschen richtet, Juden nich mehr als "Opfer" wahrnehmen zu können, sollte man sich auch fragen, wieso die das tun sollten. Vielleicht können sie mir aufzeigen, wo Juden in Deutschland mehr benachteiligt werden, als die von mir genannten anderen Gruppen?

         

        Und wenn man die Frage aufwirft, warum Juden der Gegenwart nicht mehr als Opfer wahrgenommen werden, hat leider die Politik der rechtsnationalen "jüdisch israelischen" (so der Anspruch d. Isr. Reg. betitelt zu werden) Regierung kombiniert mit der von vielen Deutschen Juden praktizierten Unterstützung dieser vom IGH als Verbrechen erklärten Politik zu tun. Jüdische "Opfer" sind da schwerlich zu erkennen, auch wenn es derer genug gibt. Nämlich die Juden, die nicht die Verbrechen Israels unterstützen und die von anderen Juden dafür verurteilt werden und dweren Meinung hier weitestgehend diskriminiert wird. So wie jene Holocaustopfer hier:

        http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/008686.html

         

        Aber auch interessant, wenn Opfer des Holocaust nun Opfer von Philosemitismus werden.

         

        Hmmmm, ob das was damit zu tun haben könnte, dass ihr von Linken zum mutmaßlichen Islamisten mutierter Türkdeutsche die Deutsche Presse in jüdischer Hand wähnt, weil solche offene Briefe in Deutschland nicht Gegenstand der Presse werden?

  • Was daran "feige" sein soll, am Beispiel von Tischlerlehrlingen eine Politikstunde einer Berufsschule darzustellen, ist mir schleierhaft, es ist ein typischer Beruf, genausogut können es Maurer, Verkäufer, Metallbauer, Frisöre, usw. sein, mehr oder weniger latenten Rassismus findet man überall, die Jugendlichen mit denen ich zu tun hatte, sind teils heute bereits erwachsen, haben vermutlich selbst bereits Kinder, an die sie ihre Einstellungen weitergeben, die Großeltern als Träger rechten Gedankenguts, die angeblich soviel Einfluß auf Kinder und Enkel haben, sind größtenteils wegen hohen Alters bereits verstorben. Vielleicht sollte es also besser werden, ich kenne auch engagierte Berufschullehrer, die "Welle" lief gestern wieder mal am TV, den ausgebrannten Pauker aus dem Artikel soll man in Pension schicken. Das Bild des kleinen Mädchens ist sicherlich "interessant" (http://all-that-is-interesting.com), aber das... ist eine ganz andere Baustelle.

  • "Wir hätten ein Problem mit Neonazis in den neuen Ländern. Dort habe es keine Vergangenheitsbewältigung gegeben."

     

    Knaller!

    • @friedjoch:

      Sehr differenzierte Antwort! Was war/ist denn Ihrer Meinung nach der Grund für ein, im Vergleich mit dem Westen, stärkeres Grundressentiment gegenüber Ausländern im Osten?

      Der Klassenwiderspruch war dort doch überwunden, in der Propaganda war ständig von Frieden und Solidarität der Völker die Rede.

      • @Acolmiztli:

        Dass die DDR in weiten Teilen ein autoritäteres Denunziantensystem war mag im Nachhinein zur offensichtlichen Ausländerfeindlichkeit in einigen Landstrichen dort beigetragen haben.

         

        Wesentliche Faktoren sind allerdings die Ost-West-Wanderung der gebildeten Jugend (v.a. Frauen) nach der Wende, das wirtschaftliche Gefälle (im Westen gibts vermutlich noch mehr Nazis, nur haben die dortn Job und sind daher artig) und das Nichtintervenieren gewisser Regierungsparteien.

         

        Dass es in DDR keine Aufarbeitung gegeben hätte, ist ein schlechter Witz. Das war Tagesordnung. Im Gegensatz zu Westdeutschland, wo die Altnazis schön wohlhabend und alt werden konnten, am Besten noch als Ehrenmitglieder in der Union. Viele Ostnazis sind nachm Krieg rübergemacht, um im Westen ein unbeschwertes Leben zu führen.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Dass Berufsschüler nicht mit Geschichtskenntnissen glänzen, und Juden nicht als die Opfer wahnehmen können, die Juden mal in der Verhgangenheit waren, ist zwar auch bedauerlich, aber nicht das wahre Problem.

     

    Problem ist eher den gegenwärtigen Antisemitismus dramatischer als deutschen Antiziganismus oder Islamophobie darstellen zu wollen.

     

    Sicher gibt es Antisemitismus in Deutschland, der natürlich auch zu verurteilen ist. Aber dass Juden in Deutschland in Ausübung von Beruf und in ihrer Ausbildung benachteiligt oder sonst diskriminiert werden, ist eben im Gegensatz zu dem anderen in Deutschland gegebenen Rassismus nicht der Fall.

     

    Ob die laut Artikel von den "normalen" Menschen ausgeschlossenen Schüler nicht die Normalen sind, wenn sie Juden nicht mehr als Opfer sehen können, die diese mal waren, und die sich "normal" wähnenden Menschen, die Juden manisch immer noch in der Gegenwart als "Opfer" wahrnehmen, eine gesunde Wahrnehmung haben, darüber lässt sich debattieren.

     

    Die Juden haben in ihrer Historie viele grausame rassistische Verbrechen erdulden müssen, wobei der Holocaust ganz oben steht.

     

    Aber in der Gegenwart ungebildeten Menschen abzuverlangen, Juden zwanghaft als "Opfer" zu sehen, obwohl andere und wahrscheinlich die Schüler selber echte(!) Ausgrenzungsopfer der Gesellschaft sind, ist eher realitätsfremd.

     

    Realität ist aber, dass wenn Israel wieder mal in seiner Völkerrecht-&Menschenrecht brechenden Besatzung besonders grausam gegen seine Besatzungsopfer ist, diese den Deutschen Antisemitismus dramatisierenden Artikel öfter zu lesen sind.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      "Aber in der Gegenwart ungebildeten Menschen abzuverlangen, Juden zwanghaft als "Opfer" zu sehen, obwohl andere und wahrscheinlich die Schüler selber echte(!) Ausgrenzungsopfer der Gesellschaft sind, ist eher realitätsfremd."

       

      Darum geht es nicht. Der Artikel zeigt lediglich auf, dass die antisemitische Saat in diesem Land fruchtbar ist und der Nahostkonflikt nur als Steigbügel genutzt wird, um die Ressentiments poliltisch korrekt auszuleben.

  • In einer nicht-solidarischen, sondern hauptsächlich sozialdarwinistisch funktionierenden Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft lässt sich die Diskriminierung von Minderheiten, Frauen und besonders Ausländern nicht vermeiden. Die Schwachen bauen dadurch ihr Ego auf. Die Jugendlichen können damit provozieren. Und die Starken versuchen sich so mögliche Konkurrenten oder Gefährdungen ihres Wohlstands vom Hals zu halten. Da hilft auch kein Unterricht, sondern vielleicht nur ein tatsächlich solidarisches Verhalten im privaten, beruflichen und öffentlichen Umfeld.

  • Danke Herr Moes für diesen Bericht.

    Es gibt ja auch einen Film

    Am Ende kommen Touristen von Robert Thalheim: ein 19jähriger macht Zivildienst in der Auschwitz-Gedenkstätte und soll den Überlebenden Stanisław Krzemiński betreuen, der eigensinnig die Koffer restaurieren möchte.

    Mit angereisten Azubis kommt es zum Konflikt:

    einer von ihnen sagt:

    "Arbeit macht frei" - ist doch so, oder?

    und die Bedeutung zwischen "Hauptsache Job" und "damals war es richtig" verschwimmt.

  • Die Folgen der in vielen Familien teilweise über Generationen weitergegebenen primären Defizite bzgl. Sicherheit, Selbstwertgefühl und Selbstachtsamkeit lassen sich durch reine Vermittlung von Fakten leider nicht wieder ausbügeln. Wer gekränkt ist, Angst hat und hassen will/muss, der tuts. Zunehmender Druck und das Gefühl, mit mehr oder weniger hoher Wahrscheinlichkeit nicht gebraucht zu werden, machen die Sache nicht besser. Was Sie in solchen Fällen maximal erreichen können ist die Einsicht, dass die eigene Denke fehlerbehaftet ist. Liegen die oben genannten Defizite nicht vor, zeigt das u.U. sofort Wirkung. Ansonsten kommen Sie ohne therapeutische Ansätze wahrscheinlich kaum weiter. Oder wie erklären Sie sich, dass Fanatiker gegen Logik immun sind? Oder dass die haarsträubensten Ansichten auch in den "besten Kreisen" zu finden sind? Mich würde ein direkter Vergleich mit dem Klima in Schulklassen der letzten drei oder vier Jahrzehnte interessieren. Waren die Schüler da so viel besser informiert? Hat ein autoritäres Regime in den Klassen einfach die entsprechenden Äußerungen unterbunden? Waren die Schüler optimistischer bzgl. Ihrer Zukunftsaussichten eingestellt? Haben die ganzen jungen Neonazis in der Schule etwa bloß gepennt? Lesen Sie Hetzschriften und Verschwörungstheorien anschließend nur deshalb, weil die fetziger formuliert sind? Aber die Formel wäre ja ganz praktisch: Neonazis, Hater, Rassisten, Sexisten, Satanisten, Evangelikale... Alles nur wegen inkompetenter Lehrer.

    • @Tomboytunte:

      Du bringst es auf den Punkt. Hyperautoritäre Erziehung im Elternhaus hat die autoritären Charakter hervorgebracht. So mancher in der Klasse hätte das Zeug bspw. zum Ingenieuer/ Holztechnk gehabt, doch so schlägt Angst vor Ablehnung in Rassenhass und Gruppenzwang aus.

      Der Berufsschullehrer hat resigniert und ist dabei das geringste Übel.

  • Die Moderation: Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema und halten sich an die Netiquette.
    • @Ute:

      natürlich nicht. man ist ja davon nicht betroffen.

  • Duetschland? Korrekturlesen!

  • So wächst alle paar Generationen eine heran, die die Fehler der Großeltern zu wiederholen bereit ist, auf dass ihre Kinder an den Folgen leiden wir ihre Eltern und ihre Enkelkinder wiederum ihre Fehler zu wiederholen bereit sind. Und wem nützt's?

     

    Einigen wenigen. Wie gut für diese, dass sich die Vielen weiterhin, nach Jahrtausenden dieses Spiels, wunderbar einfach mittels Gruppenidentifikation teilen und damit beherrschen lassen. Auf dass sich die Menschheit niemals weiterentwickelt.

    • @Regenwetter:

      Und wieder einmal cui bono.

      Die Eliten sind's gewesen und der kleine Mann auf der Strasse war letzlich doch immer nur Opfer.

      Mit dieser Haltung allerdings wird sich die Menschheit niemals weiterentwickeln.

      • @Acolmiztli:

        An keiner Stelle weise ich Ihrem "kleinen Mann" eine Opferrolle und Ihren "Eliten" eine Täterrolle zu. Projizieren Sie Ihre Gedankenwelt bitte anderweitig.

         

        Was ich MENSCHEN zuweise, das ist die VERANTWORTUNG, in dem Maße reflektiert zu sein, sich nicht mittels Scheinidentitäten in Konflikte zu begeben. So galt meine Kritik der Gruppenidentifikation, verklärt zur Identität, als Ausgangspunkt gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

         

        Dies ist leider der gegenwärtige Rückwärts-Trend. Mittels religionistischer Strömungen einerseits, verklärt zur islamischen Kultur, und ökonomistischer Strömungen andererseits, verklärt zur westlichen Kultur, begeben sich Menschen in Konflikte. Offenbar benötigen diese weiterhin die Illusion der Identifikation. Üblicherweise in Krisenzeiten mehr noch als sonst. Warum wohl?

         

        Es ist die Illusion der Sicherheit, die Gruppenidentifikation verspricht. Tatsächlich bringt sie das exakte Gegenteil in die Welt, wenn sie durch Zuordnung automatisch Ab- und Ausgrenzung erzeugt. So ist es die Wahrheit der Unsicherheit, die das Sein des Menschen bestimmt, solange er sich nicht als solches erkennt. Solange verfällt er dem Schein und lässt sich sagen, wer er ist: nicht Mensch, sondern diese Nationalität und jene Religiosität, um ihn von Menschen anderer Nationalität und Religiosität zu scheiden.

         

        Nun, wie steht es um Ihre Weiterentwicklung? Oder tragen Sie noch den geistigen Schleier, den Sie als kulturelles Erbe bewahren, gar verteidigen wollen? Dann also auf in den nächsten Krieg! Ihre Kinder werden stolz auf Sie sein.

         

        Vielleicht braucht es solange Kriege, bis nicht nur Völker am Abgrund stehen, sondern die ganze Menschheit, damit sie endlich einsieht, das ewige Wiederholen einstellt und sich entwickelt. Vielleicht werden diese Kinder ihre Eltern für die geistige Verirrung bedauern, der sie verfielen, weil sie durch den Schein vermeintlicher Identität geblendet waren.

         

        Man muss es hoffen. Sonst ist alles umsonst.

    • @Regenwetter:

      Es nutzt immer einigen wenigen Dynastien, könnte man sagen, ja!

      Und ich würde ich mich soweit aus dem Fenster lehnen wollen, zu unterstellen, dass die überwiegende Mehrheit aller Konflikte nicht enfach so entstehen, sondern gemacht und gelenkt werden. Palästina/Israel dürfte da ein gutes Beispiel sein. Es ist kaum vorstellbar, dass die Mehrheit der Menschen dort auf beiden Seiten diesen Konflikt nicht längst beendet hätten, würde man sie lassen.

      Es macht dabei immer Sinn zu schauen, wer profitiert eigentlich?

      Durch diesen Konflikt aber auch andere Entwicklungen wird Antisemitismus wieder salonfähig - auch wenn ich den Artikel hier nicht für representativ halte.

      Auf der einen Seite haben wir ein Heer von Tugendwächtern, welche keine Gelegenheit der political correctnes Diffamierung auslassen. Auf der anderen Seite sehen wir immer mehr Radikalisierungen, überall. Eine sehr bedenkswerte und auch gefährliche Entwicklung.

      • @BleibKritisch:

        Totally agree - und noch ein Zusatz: das wird sich, wie @Regenwetter bereits mutmaßt, wohl niemals ändern.

         

        Denn es gibt immer Profiteure oder "Hetzer", wie alleine in diesem Kommentar-Forum zu beobachten ist.

         

        Die Macht dieser beiden Arten von Meinungsmachern ist ungebrochen und giftig, wie man leider weiß.

    • @Regenwetter:

      Vielleicht sind die „Fehler der Großeltern“ kontinuierlich fortgesetzt worden, nur unter anderen Herrschaftsbedingungen?

       

      Man passt sich eben von Zeit zu Zeit so an, wenn es die Umstände verlangen, und wer ist denn tatsächlich nach 1945 von der Gestaltung der Gesellschaft ausgeschlossen oder hinweggefegt worden?

       

      Die Großeltern, die vor und nach 1918, vor und nach 1945 anderes wollten, die und ihre Ideen hatten hingegen allen Widerstand zu verzeichnen – und dies hat sich bis zum heutigen Tag fortgesetzt.

  • Nun ja,

     

    dass mit den deutschen „Eliten“ so im Großen und Ganzen immer alles in Ordnung gewesen wäre,

    und nicht ein grundlegendes Aufräumen nach 1945 angesagt gewesen wäre, ist eine bis heute aufrechterhaltenes, eben auch fortgesetztes und materiell kontinuierlich weitervererbtes Bild.

     

    Da aber die Frage, ob die BRD wirklich ein sozialer Rechtsstaat ist, kaum in solch einem Unterricht behandelt wird, der auch die Frage beantworten sollte, warum jemand Tischler wird und andere hingegen ins Studium mit den Aussichten auf ein anderes Leben gehen, problematisiert wird,

     

    so kann es nicht verwundern, dass auch hier wieder von der Haupt- auf Nebensachen und Scheinerklärungen ausgewichen wird, wenn eine Protest- und Ausweichhaltung ausgelebt werden will.

    Ob dieser Hintergrund es aber erklärt, solch einen Artikel zu schreiben (mal angenomme, es stimme so alles wie für diese Unterrichtsstunde vorgetragen),

    wo gerade zufällig die Kanzlerin und auch Bild-Chef Kai Diekmann sich als Teilnehmer einer Prostest und Solidaritätskundgebung angekündigt haben, ist die eine Sache, ob der Autor die Sachverhalte wirklich erfasst hat, die andere.

     

    Beim letzten Gazafeldzug ging es auch weniger um „verbale Brutalität“.

    Protest der Kanzlerin habe ich daz nicht vernommen und die "Bild" soll sich besonders um das Andenken an die dabei gefallenen israelischen Soldaten bemüht gezeigt haben.

  • Wem hier offenbar sämtliche Grundlagen fehlen, ist der Lehrer. Allerdings fügen sich dessen pädagogische und inhaltlihce Defizite wunderbar in den strukturellen Rassismus, Chauvinismus und Ethnozentrismus ein, wie er vom Bildungsministerium vorgegeben wird, es wäre damit unklug, allein die Person des Lehrers für einen derart mißratenen Geschichtsunterricht verantwortlich zu machen, er führt nur das aus, was wohl allgemein gängig ist. Außerdem: Kinder und Jugendliche merken nun mal, ob der erklärte Wille zur Vergangenheitsaufarbeitung ehrlich oder aufgesetzt ist.

  • Dazu fällt mir nicht viel mehr ein als "..., denn Sie wissen nicht was Sie tun!"

     

    Es ist erschreckend, welcher "Wissensstand" die Zukunft unseres Landes dazu verleitet, verblendete und unbestritten blödsinnige Ansichten zu streuen.

     

    Der Lehrer (aus dem Artikel) gehört suspendiert, bis er seine Befähigung beweist, sein Lehramt weiter auszuführen und als Pädagoge seiner damit verbundenen Aufgabe UND Verpflichtung nachzukommen vermag.

    • @Beatbox Racker:

      Ach der Lehrer ist jetzt der Sündenbock?! Dessen Aufgabe ist es eine Tischlerlehre zu begleiten, nicht zurechtzubiegen was drei Generationen an Gesellschaft versäumt haben. Dieser Wissensstand ist eben das Ergebnis einer Bildung die nur darauf zielt wirtschaftlich verwertbares Humankapital heranzuzüchten.

      • @Matthias Haider:

        Um Ihre Frage adäquat zu beantworten: Nein, der Lehrer ist kein Sündenbock, er ist der VERANTWORTLICHE und gehört zur Rechenschaft gezogen. Punkt.

         

        Wer es versäumt, in seinem Unterricht derlei Schwachsinn zu dulden und dem rechten Dreck damit Vorschub zu ermöglichen, der ist dort fehl am Platz.

         

        Und das gilt dort wie hier: ich würde es mir als Redaktion verbitten, antisemitisch denkenden Leuten hier noch ein Forum zu bieten. Pfui!

    • @Beatbox Racker:

      Eigentlich werden

       

      "Tischlerlehrlinge im dritten Lehrjahr"

       

      selten als "die Zukunft unseres Landes" ausgewiesen.

       

      Aber einen "Dummen", den man anklagen kann, braucht man halt immer.

      • @Ute:

        Auch Tischler-Lehrlinge sind Jugendliche und somit die vermeintliche Zukunft unseres Landes und unserer Gesellschaft.

         

        Den Rest Ihrer Antwort habe ich nicht ganz verstanden; aber ich habe grundsätzliche ein Problem, rechtsgerichtete Gedankengänge zu verstehen.

         

        Das wird man mir nachsehen müssen.

        • @Beatbox Racker:

          Mein "Nachsehen" ist leider nach oben gerutscht.

           

          Sie finden es beginnend mit der Zeile:

           

          "Ich finde es recht feige, hier „Tischlerlehrlinge“ als Träger eines Antisemitismus vorzuführen...."

          • @Ute:

            Danke für den Hinweis - jedoch: ob oben oder unten: ich teile weder derlei antisemitische (wenn auch mehr recht als schlecht verdeckt) Meinungen, noch interessiert mich großartig deren Inhalt (Inhalt, denn Inhaltswert ist per se nicht gegeben).

            • @Beatbox Racker: Die Moderation: Kommentar entfernt.