Verfassungsgericht zu Hartz-IV: Leverkusen verliert mal wieder
Es bleibt dabei: Nur ein Viertel der Städte und Kreise darf Hartz-IV-Bezieher allein betreuen. 15 Landkreise und Kommunen scheitern mit ihrer Klage.
KARLSRUHE taz | Sie wollten Arbeitslose allein betreuen, dürfen es aber nicht. 14 Landkreise und die Stadt Leverkusen scheiterten nun auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Ihre kommunalen Rechte seien nicht verletzt, entschieden die Richter.
Üblicherweise werden die Jobcenter für Hartz-IV-Bezieher von Kommunen und Arbeitsagentur gemeinsam getragen. Viele Kommunen glauben aber, dass sie die Aufgabe ohne Abstimmung mit der Arbeitsagentur besser erledigen können. Das Gesetz sieht vor, dass maximal ein Viertel der 440 Städte und Kreise als sogenannte „Optionskommunen“ Hartz-IV-Bezieher allein betreuen dürfen. Das Interesse war jedoch größer. 33 Kommunen gingen leer aus, 15 von ihnen klagten in Karlsruhe.
Doch sie hatten keinen Erfolg. Die Hartz-IV-Verwaltung sei keine „örtliche“ Angelegenheit und daher nicht als kommunale Selbstverwaltung im Grundgesetz garantiert, erklärten die Richter. Das Grundgesetz schreibe nur vor, dass die Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagentur bei der Grundsicherung die „Regel“ ist (Artikel 91e). Der Bundestag konnte daher politisch festlegen, wie viele Optionskommunen es geben soll: Es hätten etwas mehr als 25 Prozent sein können, aber auch weniger. Leverkusen und die Landkreise müssen also weiter mit der ungeliebten Arbeitsagentur zusammenarbeiten.
Erfolg hatte nur der bayerische Landkreis Roth. Er war nicht zum Zuge gekommen, weil im dortigen Kreistag lediglich eine einfache Mehrheit für die Bewerbung als Optionskommune votiert hatte. Das Gesetz verlangt jedoch eine Zweidrittelmehrheit, um Stabilität sicherzustellen.
Diese Vorschrift ist verfassungswidrig, entschied nun der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Der Bund darf den Kommunen nicht vorschreiben, wie sie ihre Entscheidungen zu treffen haben. Das dürften nur die Bundesländer, deren Angelegenheit das Kommunalrecht sei.
Das Zulassungsverfahren für die maximal 110 Optionskommunen muss nun aber nicht wiederholt werden, obwohl neben dem Landkreis Roth noch rund zwanzig andere Städte und Kreise an der Zweidrittelhürde scheiterten. Die Richter werteten die Rechtssicherheit höher, auch um Chaos für die Hartz-IV-Bezieher zu verhindern. Selbst der Landkreis Roth wurde zunächst nicht als Optionskommune zugelassen, sondern muss einen neuen Antrag stellen, wenn ein Platz frei wird. (Az. 2 BvR 164/11)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!