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Kommentar Umgang mit EbolaDas Virus und der Verstand

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die internationale Hilfe gegen die Epidemie lief viel zu spät an. Die Reichen pflegen ihre irrationalen Ängste, doch ihr Geld allein hilft noch lange nicht.

Mitarbeiter der US-Küstenwache überprüfen einen Mann aus Sierra Leone. Bild: ap

K napp 10.000 Menschen haben sich in Westafrika bisher mit dem Ebola-Virus infiziert. In kürzester Zeit, damit rechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO, könnten 10.000 Neuinfektionen dazukommen – jede Woche. Wenn es einmal so weit ist, brauchen die betroffenen Länder jede Woche so viel Hilfe, wie sie bisher in den vergangenen sechs Monaten erhalten haben, und dennoch dürften jeden Tag rund 1.000 Menschen an Ebola sterben – ein kaum vorstellbares Katastrophenszenario.

Nicht nur deshalb ist die Mahnung erfahrener Helfer, dass 1 Euro Hilfe zur Bekämpfung von Ebola jetzt so viel wert sei wie 2 Euro in zwei Wochen und wie 10 Euro am Ende des Jahres, ernst zu nehmen. Es besteht inzwischen Konsens, dass die Hilfe für Liberia, Sierra Leone und Guinea viel zu spät anlief und in viel zu kleinem Maßstab. Auch die WHO ist daran nicht unschuldig, denn sie rief erst vor zehn Wochen den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Aber was folgt aus dieser Einsicht?

Mit der Zusage immer größerer Geldbeträge ist es nicht getan, und das wird immer deutlicher und peinlicher. Von den versprochenen gigantischen Hilfsapparaten aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland ist nur ein kleiner Teil überhaupt vor Ort.

Einen Monat ist es her, dass die Bundesregierung begann, um Freiwillige zur Ebola-Bekämpfung zu werben – erst diese Woche beginnt überhaupt die Ausbildung der wenigen Tauglichen unter den Tausenden, die gern etwas tun würden. Und es wird noch einmal einen Monat dauern, bis sie im Krisengebiet im Einsatz sind.

In den anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Bevor die Entsendung von Personal in großem Stil beginnt, scheint der medizinische Rückflug eventuell Ebola-infizierter Helfer europäische Bürokraten vor schier unlösbare logistische und konzeptionelle Probleme zu stellen. Derweil greifen gerade in den reichsten Ländern der Welt irrationale Ängste vor Ebola um sich und lassen an der gleichmäßigen globalen Verteilung des gesunden Menschenverstandes Zweifel aufkommen.

Die reichen Länder der Welt rufen gern die ärmsten dazu auf, ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen und mit Selbsthilfe und Eigenverantwortung den eigenen Weg aus dem Elend zu finden. So langsam ahnt man, dass hinter diesem Appell an die Armen ganz einfach die Unfähigkeit der Reichen steht.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • 1G
    1074 (Profil gelöscht)

    Leichensäcke fehlen!

     

    Diesen taz-Bericht an anderer Stelle fand ich besonders schockierend und beschämend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass angeblich ein 10er Pack € 135.- kostet.

     

    Hier muss man auch NGOs, wie dem Roten Kreuz einen Vorwurf machen. Es kann doch nicht so schwer sein, wenn z.B. jede Landesorganisation in der EU 1000 Säcke spendiert. Hier brauchen sie nicht einmal zu einer Spendenaktion aufrufen.

     

    Höchsten Respekt zolle ich den Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen. Diese Organisation geht übrigens auch sehr transparent mit den Spendengeltern um.

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Ein Land aus der armen Region der Karibik hat keine Probleme zu helfen. https://amerika21.de/2014/10/108555/fidel-castro-usa-ebola

    • @3641 (Profil gelöscht):

      Unsere Entwicklungshilfe besteht aus Waffenlieferungen für lokale Diktatoren und das auch nur, wenn sich diese Investitionen lohnen bzw. wenn es dort etwas zu holen gibt. Das die Behandlung der Ebola-Infizierten nicht Optimal durchgeführt wird, z.B. werden einige Medikamente Oral verabreicht und sind so weit weniger Wirksam als wenn die Patienten Infusionen bekommen würden, spricht Bände. Ein gutes Interview von Jens Berger mit Jochen Moninger, Landesdirektor der Deutschen Welthungerhilfe in Sierra Leone in den NachDenkSeiten: "Ebola ist eine Krankheit der Armen" http://www.spiegelfechter.com/wordpress/130850/ebola-ist-eine-krankheit-der-armen

       

      Das Fidel den USA seine Hilfe angeboten hat zeigt deutlich, das es in Kuba ein funktionierendes Gesundheitssystem gibt von dem der überwiegende Teil der US-Bevölkerung nur träumen kann.

  • Nett. Den Beitrag kann man auf einen Satz kürzen: "Es gibt nicht genug Personal".

    • @Oliver-Michael Schilcher:

      Ich fürchte die Existenz von Ebola überhaupt erst einmal anzuerkennen, stösst hier in Deutschland und weltweit auf ähnliche psychologische Hürden wie früher in Liberia.

       

      Ich fand es gut, dass Frau von der Leyen das Thema früh aufgegriffen hat, bedauerlicherweise hat sie eine Woche darauf relativ im Alleingang 2 weitere Bundeswehrmissionen starten wollen, wodurch dann natürlich auch die Ebola-Hilfsmission ein wenig ins Zwielicht geriet. Sehr bedauerlich, da hätte sie sich etwas klüger anstellen können.

       

      Im Behördenapparat scheint es auch gewisse Widerstände zu geben, einerseits das man sich auf eine derartig riskante Hilfsmission nicht so gerne einlassen würde, andererseits wird gleichzeitig vielleicht sogar gepokert, ab wann der Zeitpunkt eintritt, an dem eine Ebola-Hilfsmission nicht mehr sinnvoll ist.

       

      Also aus Deutschland wird etwas Hilfe wohl kommen, aber sie wird spät kommen.