Rekommunalisierung: Stromnetz wieder öffentlich
Städtische Gesellschaft erhält für 20 Jahre die Konzession. Damit ist der Volksentscheid vom Vorjahr zu einem Drittel umgesetzt. Gasnetz soll bald folgen
Die vollständige Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze ist einen bedeutenden Schritt nähergerückt. Am Mittwoch wurden die Konzessionsverträge zwischen der Stadt und der städtischen Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) notariell beglaubigt. Ab 1. Januar 2015 wird somit das gesamte Stromnetz, wie vom Volksentscheid im September vorigen Jahres gefordert (siehe Kasten), wieder vollständig in städtischer Hand sein.
Für die Nutzung öffentlicher Wege und Flächen für ihre Leitungen zahlt SNH eine Konzessionsabgabe an die Stadt. Diese betrage „zwischen 90 und 96 Millionen Euro pro Jahr“, lautet die Prognose von Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD).
Für SNH-Geschäftsführer Dietrich Graf bildet „die Laufzeit von 20 Jahren technisch und wirtschaftlich die notwendige Stabilität und Planungssicherheit für uns als nunmehr wieder hundertprozentig öffentliches Unternehmen“.
Die vollständige Rekommunalisierung der drei Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme hatte die Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ mit dem erfolgreichen Volksentscheid durchgesetzt. Der SPD-Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz hatte einen städtischen Anteil von jeweils 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften für ausreichend gehalten.
Beim Volksentscheid am 22. September 2013 sprach sich eine Mehrheit von 50,9 Prozent der abstimmenden HamburgerInnen dafür aus, die drei Versorgungsnetze zu rekommunalisieren.
Das Stromnetz: Es ist rund 27.000 Kilometer lang. Angeschlossen sind 1,12 Millionen Zähler. Betreiber war Vattenfall.
Das Fernwärmenetz: Es ist rund 800 Kilometer lang und versorgt rund 450.000 Wohnungen mit Heizung und Warmwasser. Betreiber ist Vattenfall.
Das Gasnetz: Es ist rund 7.300 Kilometer lang und versorgt etwa 150.000 Haushalte mit Erdgas. Betreiber ist Eon Hanse.
Der Preis: Die Stadt hatte sich 2012 für 543,5 Millionen Euro zu jeweils 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften beteiligt. Der Wert der restlichen drei Viertel dürfte bei 1,6 Milliarden Euro liegen.
Beim Gasnetz könnten die Verhandlungen mit Betreiber Eon „noch in diesem Jahr abgeschlossen werden“, sagte Blankau. Bei der Fernwärme soll der Rückkauf erst mit dem Auslaufen der Konzession 2019 umgesetzt werden.
„Einen klaren Erfolg des Volksentscheids im Strombereich“ sieht auch Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer der Umweltorganisation BUND und Vertrauensmann der Netz-Initiative. Jetzt müsse es beim Gasnetz und auch bei der Fernwärme mit gleicher Stoßrichtung vorangehen. Besonders erfreulich sei, dass SNH sich dem Klimaschutz verpflichte und im besonderen Maße die Integration erneuerbarer Energien in das Hamburger Stromnetz fördern wolle, sagte Braasch.
In der Tat kündigte Graf am Mittwoch an, in den nächsten zehn Jahren rund zwei Milliarden Euro in den Netzausbau investieren zu wollen. Dazu gehöre schwerpunktmäßig die Modernisierung der Umspannwerke Mitte, Jenfeld und Altenwerder, um diese effektiver und umweltfreundlicher zu machen.
Zugleich sollen die Netznutzungsgebühren der Stromerzeuger um etwa vier Prozent gesenkt werden. Ob dieser Preisnachlass an die Endkunden weitergegeben werde, sei jedoch Sache des jeweiligen Versorgers. Privatkunden sei jedoch zu empfehlen, darauf sorgsam zu achten.
Ein großer Teil der Investitionen soll zudem den Anteil an erneuerbaren Energien – vor allem Wind, Sonne und Kraft-Wärme-Kopplung – erhöhen und den Ausstoß von Kohlendioxid in Hamburg verringern. Dazu werde SNH unter anderem das Stadtgebiet flächendeckend mit Ladestationen für Elektroautos überziehen.
Letztlich sei es das Ziel von Stadt und Stromnetzgesellschaft, „eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltgerechte Energieversorgung“ in Hamburg zu gewährleisten: Also eigentlich alles, was Manfred Braasch und die Netz-Initiative sich erträumten.
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