CCC-Sprecherin über NSA-Skandal: „Es geht um Wirtschaftsspionage“
Viele Unternehmer seien aufgewacht, sagt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Sie hätten längst begriffen, was Snowdens Enthüllungen bedeuten.
taz: Frau Kurz, Sie waren bei der Preisverleihung dabei. Die Stimmung im Saal vermittelte den Eindruck, dass in einer breiten Bevölkerung ankommt, welche Gefahren von den Machenschaften der Geheimdienste ausgehen.
Constanze Kurz: Es mag so sein, dass die Spitzenpolitik eine Art Aussitzen-Taktik betreibt. Aber genau wie bei der Friedensgala am Sonntag erlebe ich in den letzten Monaten überall in Deutschland volle Veranstaltungen, wenn es um Aufklärung und Diskussion der Snowden-Enthüllungen geht. Gerade weil wir zwar nun wissen, was hinter unseren Rücken geschieht, die Überwachungsprogramme aber ungerührt weiterlaufen, ist die Empörung nach wie vor groß.
Wacht Deutschland auf?
Es formt sich gesellschaftlicher Protest, vor allem technischer und juristischer Widerstand. Es gibt zwar viele, die sich machtlos fühlen oder gleichgültig sind. Davon darf man sich aber nicht beirren lassen. Längst aufgewacht sind Unternehmer, die begriffen haben, dass die Snowden-Enthüllungen im Kern ein Wirtschaftsspionageskandal sind.
Ist diesbezüglich etwas von dem NSA-Untersuchungsausschuss zu erwarten?
Er wird sich schon mangels Auskünften der britischen und amerikanischen Geheimdienste auf den BND fokussieren müssen. Da ist noch jede Menge aufzuklären, wenn es um die klandestine Zusammenarbeit der Dienste geht. Gemessen wird der Ausschuss aber wohl daran, welche grundlegenden Änderungen er dem Parlament vorschlagen wird.
Was heißt das konkret?
Als Erstes müsste eine tatsächliche Geheimdienstkontrolle etabliert werden, personell, technisch und was die rechtlichen Schranken betrifft. Das gesamte Gesetzeswerk um die Geheimdienste muss erneuert werden mit dem Ziel, dem Fernmeldegeheimnis wieder den Stellenwert zu geben, den es verdient. Angesicht der technischen Selbstermächtigung der Dienste muss das langfristige Ziel sein, den Geheimdienstkomplex abzurüsten und auf ein halbwegs erträgliches Maß zurückzuführen.
Die 40-jährige Informatikerin ist Sprecherin des Chaos Computer Clubs. Der 1981 gegründete Verein ist Europas Zusammenschluss von Hackern.
Was sollte in Deutschland passieren und was auf europäischer Ebene?
In Europa sollte die Europäische Menschenrechtskonvention zum Maßstab genommen werden, die auch die Briten ratifiziert haben. Die Parlamente in Europa müssen sich emanzipieren von Geheimdiensten, die sich nicht mehr kontrollieren lassen. Deutschland muss da – schon angesichts seiner Geschichte – Vorreiter sein.
Aber ist da wirklich etwas in naher Zeit zu erwarten?
Die Opposition hat das Problem, vor einer übermächtigen und übergroßen Koalition zu stehen. Die Regierung kommt bisher mit ihrer Stillhaltetaktik und andauerndem Nichtkommentieren der Skandale durch.
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