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Wirtschaftlichkeit vor TierschutzNerze quälen bleibt erlaubt

Das Oberverwaltungsgericht von Schleswig-Holstein urteilt zugunsten einer Pelzfarm. Die darf Tausende Nerze weiter in zu kleine Käfige sperren.

Hat in Schleswig-Holstein auch weiter nur wenig Platz in seinem Käfig: einer von Tausenden Nerzen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Bis ihr Fell als flauschiger Bommel an einer Wintermütze hängt, leben tausende Nerze in Schleswig-Holsteins einziger Pelzfarm in Schlesen bei Plön in viel zu engen Käfigen. Ein Quadratmeter Fläche pro Tier ist seit 2011 vorgeschrieben, doch die Betreiber Nils und Carsten Sörnsen weigern sich, für die bessere Unterbringung Geld auszugeben – und kommen damit durch.

Die Tiere sind immer noch in nicht einmal halb so große Käfige eingepfercht. Schon im Dezember 2011 wollte der Kreis Plön den Betrieb dichtmachen, aber die Züchter klagten. Nun gab das Oberverwaltungsgericht den Sörnsens Recht – sie dürfen die Nerze trotz Verordnung weiter in zu kleine Volieren zwängen.

Die Forderung einer größeren Grundfläche für die Tiere käme einem faktischen Berufsverbot gleich, urteilten die Richter. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage der Betreiber im August 2012 noch abgewiesen. Die legten Berufung beim Oberlandesgericht ein und produzierten in der Zwischenzeit weiter Pelze.

Im aktuellen Verfahren kam ein Gerichtsgutachten zu dem Ergebnis, dass eine Nerzfarm angesichts der internationalen Marktpreise nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könne, wenn die Betreiber die neue Tierschutzverordnung umsetzten. Eine so weitgreifende und existenzbedrohende Regelung könne folglich nur durch ein Parlamentsgesetz und nicht durch eine Verordnung festgelegt werden, befand das Gericht.

Der Handel mit Pelzen

Nerze gehören zur Familie der Marder und werden wegen ihres dichten, wasserabweisenden Fells zur Pelzproduktion genutzt.

Größter europäischer Nerzfellproduzent ist Dänemark. Jährlich werden dort laut der Tierrechtsorganisation Peta 17 Millionen Nerze getötet.

Den In- und Export von Hunde- und Hauskatzenfellen verbietet die EU seit 2008.

Pelztierzucht gibt es in der Schweiz und Großbritannien seit den 90er Jahren nicht mehr. In Österreich ist die kommerzielle Nutzung seit 1998 verboten.

Weltweit ist China der größte Pelzproduzent, -verarbeiter und - händler. Fast 80 Prozent aller Pelze stammen aus dem Land.

Der Vorsitzende des Tierschutzbundes Schleswig-Holstein Holger Sauerzweig-Strey bezeichnet das Urteil als „eine große Klatsche für den Tierschutz“. Die Gerichtsbarkeit mache sich damit zum Gehilfen von aktiven Tierquälern, sagte er der taz. Viele Gutachten hätten bewiesen, dass die herkömmliche Haltung der Nerze tierquälerisch sei. Zudem sei das Urteil ein Freibrief, um Verordnungen zum Wohl von Tieren zu umgehen, befürchtet der Tierschützer. „Die Nerze dürfen jetzt offiziell weiter gequält werden.“

Ein Quadratmeter pro Tier

2006 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium Pelztiere in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen. In drei Etappen müssen seither die Haltungsbedingungen von Nerzen, Rot- und Polarfüchsen oder Sumpfbibern verbessert werden. Ziel ist eine tierschutzgerechte Pelzzucht.

Am 11. Dezember 2011 trat die zweite Stufe in Kraft. Sie vergrößert die Grundfläche der Käfige von bisher rund 0,27 Quadratmeter auf einen Quadratmeter pro Tier. Drei Quadratmeter Grundfläche muss jeder Käfig seither mindestens haben – egal wie viele Nerze darin leben. Ab 2016 sind zudem Schwimmbecken von mindestens einem Quadratmeter in den Ställen vorgeschrieben. Auch Material zum Klettern ist Pflicht.

Durch die hohen Hürden würde ein Verbot der Pelztierzucht „durch die Hintertür“ erreicht, kritisierte der Anwalt der Pelzfarmbetreiber, Ronald Steiling, im ersten Verfahren. Bei gleicher Fläche müssten seine Mandanten ihre Zucht von 2.700 weiblichen und 600 männlichen Nerzen auf 250 Fähen und entsprechend weniger Rüden reduzieren – oder zehn Millionen Euro in die Ställe investieren. Das gefährde die Existenz der Züchter.

Die Tierhalter hätten genug Zeit gehabt, um sich auf die neuen Regelungen einzustellen, findet hingegen Sauerzweig-Strey. „Die Verordnung sah lange Übergangsfristen vor.“ Die hätten die Farmbetreiber aber bewusst ignoriert.

„Es zeigt einmal mehr, dass die Pelzlobby insgesamt nicht an der Umsetzung von etwas mehr Tierschutz interessiert ist“, sagt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Helfen könne da nur ein konsequentes Verbot der Pelztierhaltung und der Boykott von Pelzmänteln und Mützen mit flauschigem Fellbommel.

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8 Kommentare

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  • Das darf doch wohl nicht wahr sein !!??

    Wenn also eine Verordnung nicht reicht, dann MUSS ein Gesetz her !!! Wieviel Profit machen die Betreiber denn jährlich auf Kosten der Tiere ?? Und wie hoch ist ihr Lebensstandard ?? Und müssten sie wirklich auf der Strasse leben, wenn sie Umbaumassnahmen ergreifen ?? Das ist doch lächerlich - wahrscheinlich war der Richter auch ein Pelzliebhaber ! Armes Deutschland !

  • und wo bleibt die regel der freien marktwirtschaft? der betrieb kann in deutschland im internationalen vergleich nicht mehr bestehen? ich wuerde mal sagen: pech gehabt!

  • gruselig..

  • Sorry aber das Urteil macht Sinn. Es geht ja um eine Verordnung und nicht um ein Gesetz. An letzeres wäre auch die Pelzfarm (das es sowas in Schland noch gibt) gebunden. Jetzt muss man eben dafür sorgen, dass es ein Gesetz wird.

  • "Die Forderung einer größeren Grundfläche für die Tiere käme einem faktischen Berufsverbot gleich, urteilten die Richter."

     

    Kleiner Vorgeschmack auf TTIP und den marktkonformen Rechtsstaat.

  • Gewinnmaximierung , ob Kinderarbeit oder Nerze,, es geht eben nur um den Profit !

  • Traurig, traurig.

    Haben die Nerze wohl kein Geld in die Hand genommen, um ihre Interessen zu verfolgen.

    Ach,- Nerze haben ja gar keine Hände, dafür die Justiz, um das Geld in Ihre Taschen zu stecken.

    FUCK this fucking SYSTEM

  • Was soll man dazu noch sagen?

     

    Ich schlage vor, die verantwortlichen Richter und Unternehmer von nun an in Büros und Wohnungen unterzubringen, die ebenfalls halb so groß sind wie das, was gerade noch menschenwürdig ist. Schließlich muss der Staat bzw. die entsprechenden Unternehmen augenscheinlich ebenfalls wirtschaftlicher arbeiten.