Debatte Pegida: Fehler der Konservativen
Pegida antwortet mit einer Lüge auf Verlogenheit. Denn kein Islamist und kein Flüchtling hat die Sozialsysteme geschrumpft.
D ie Pegida-Demonstrationen in Dresden sind ein Indiz für die innere Kündigung gegenüber dem politischen System. Und sie sind Ausdruck eines Kulturkampfes von rechts.
Dem Gedanken der Gleichheit aller – unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung und Geschlecht – wird durch Pegida, AfD und Co. der Kampf angesagt.
Pegida bemüht den Gestus des Empörten: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ Als ob Mut dazu gehören würde, rassistische Vorurteile zu bedienen! Als ob die Abschottung Europas nicht längst Politik einer ganz großen Koalition in Europa wäre! Wer sich nun, wie Angela Merkel und Stanislav Tillich, hinstellt und von Weltoffenheit redet, während gleichzeitig eine Mauer um Europa gebaut wird, dem ist Heuchelei vorzuwerfen.
Kein Angriff auf die Mächtigen
Der Hass jedoch, den Pegida verbreitet, trifft nicht die Mächtigen, sondern Flüchtlinge, die sich montags kaum noch auf die Straße getrauen. Und perspektivisch auch alle, die nicht ins nordische Raster passen.
ist seit 2012 gemeinsam mit Bernd Riexinger Bundesvorsitzende der Partei Die Linke und Mitglied des Deutschen Bundestags. Von 1999 bis 2003 gehörte die gebürtige Dresdnerin dem dortigen Stadtrat an.
Der Mob fragt nicht nach Kreditkarten, wenn er wüten will. Wer nach unten tritt, wie Pegida, ist nicht mutig, sondern feige. Mutig wäre es, eine Politik anzugreifen, die mit Waffenexporten, Stellvertreterkriegen und der weltweiten Ausbeutung von Menschen und Ressourcen jenes Elend produziert, das die Menschen zu Flüchtlingen macht.
Auf die Verlogenheit der Regierung, Deutschland ginge es gut, ist zu antworten, dass dies eben nicht für alle zutrifft. Den Eindruck zu erwecken, schuld daran seien die Flüchtlinge, ist wiederum eine Lüge.
Mit dem Zulauf zu Pegida hat sich auch das Publikum verändert. Hatte man es zu Beginn überwiegend mit rechtsoffenen Teilen des Dresdner Sportfanmilieus zu tun, erwiesen sich die Berichte über die Grausamkeiten des IS als Volltreffer für die Rekrutierung verunsicherter Menschen ganz verschiedenen Schlages. Und die brachten ihre restlichen – und oftmals völlig berechtigten – Sorgen über den Zustand der Gesellschaft gleich mit. Bachmann & Co. – wer genau das alles wirklich ist, wird wohl die Zukunft noch zeigen – reagierten clever: Sie bauten die gesellschaftskritischen Ansätze flugs in ihr Portfolio ein.
Und so taucht bei den Debatten um Pegida auch die Frage auf: Gibt es nicht berechtigte Sorgen, die die Politik aufgreifen sollte? Nun, es gibt berechtigte Sorgen. Die soziale Spaltung nimmt zu. Immer mehr sind von Altersarmut bedroht. Existenzangst greift um sich. Und wo Existenzangst zunimmt, verschärft sich das gesellschaftliche Klima. Es wird nach unten getreten, nicht nach oben.
Schrumpfung der Renten
An der Demontage der Rentenversicherung durch Förderung der Riesterrente, die einher ging mit einer neuen Rentenformel, waren viele beteiligt. Zum Beispiel die damalige rot-grüne Regierung und viele Versicherungslobbyisten. Ganz bestimmt nicht daran beteiligt waren Flüchtlinge. Das Gleiche gilt für die Zwangsfrühverrentung und das Hartz-IV-Sanktionssystem. Auch diese wurden nicht von islamischen Predigern oder Bürgerkriegsflüchtlingen eingeführt.
Und hier ist die herrschende Politik in einem Dilemma. Außer der Linkspartei war jede Partei in Deutschland an den neoliberalen Dreistigkeiten beteiligt. Dass die sächsische CDU nunmehr versucht, Verständnis für Pegida aufzubringen, ohne sich selbst und die Politik, die man 25 Jahre lang gemacht hat, infrage zu stellen, ist besonders dreist.
Insofern ist der glücklose Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, vor allem zu bemitleiden. Was die CDU jahrelang versäumt hatte – sich mit Kritik auseinanderzusetzen, statt sie abzubügeln –, sollte er nun richten. Und machte prompt genau das Falsche, indem er mit Lutz Bachmann und Kathrin Oertel eben jenen ein Podium gab, die die Ängste der Menschen nutzen, um den Kulturkampf der AfD von rechts zu führen.
Auf die Frage zum Dialog mit Pegida gibt es für mich nur eine Antwort: Wer beraten möchte, was gegen die zunehmende Altersarmut getan werden kann, ist willkommen zu einem Gespräch. Wer beraten möchte, was getan werden kann, um zu verdeutlichen, dass es Frieden in Europa nur mit aber nicht gegen Russland geben wird, ist willkommen.
„Viehzeuch“ und „Gelumpe“
Wer jedoch, wie die Organisatoren von Pegida, gegen Flüchtlinge hetzt, mit dem kann es keinen Dialog geben. Wer meint, mit den Pegida-Organisatoren sei ein Gespräch möglich, dem sei ein Blick auf die menschenverachtenden Facebook-Einträge vom Pegida-Gründer Lutz Bachmann empfohlen. Darin werden Migrant_innen als „Viehzeuch“ und „Gelumpe“ bezeichnet. Diesem Pegida-Gründer mangelt es an jeglichem Respekt vor Menschen. Die Verharmlosung der Pegida-Organisatoren, indem man sie zu normalen Dialogpartnern macht, hilft nicht weiter. Im Gegenteil.
Hilfreich und notwendig ist hingegen, sich folgenden drei Aufgaben zu stellen: Erstens brauchen wir gelebte Willkommenskultur für Flüchtlinge. Sei es, indem Kleingartenanlagen freie Sparten dem nächstliegenden Flüchtlingsheim anbieten, sei es beim Begleiten von Flüchtlingen bei Ämtergängen, sei es durch das Angebot von Sprachkursen. Jeder Mensch, der nach solchen Begegnungen in seinem Umfeld davon berichtet, leistet wichtige Maulwurfsarbeit gegen Rassismus. Denn: So werden die vermeintlich Fremden plötzlich zu Menschen mit Gesichtern und Geschichten.
Zweitens heißt es, dem Rassismus und der Demokratieverachtung durch Aufklärungsarbeit und breite Bündnisse entgegenzutreten. Drittens muss endlich eine Entwicklung eingeleitet werden, die zu einer Gesellschaft führt, die frei von Existenzängsten ist. Auch die schlimmste Armut ist keine Entschuldigung für Rassismus.
Fakt ist jedoch, die zunehmende soziale Unsicherheit befördert Abstiegsängste und führt zu einer Verrohung des gesellschaftlichen Klimas. Auch um dem entgegenzuwirken, heißt das Gebot der Stunde: Ausbau von sozialen Rechten und universeller Schutz vor Armut. Das mindert auch Abstiegsängste und gräbt Rassisten das Wasser ab.
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