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Deutsches Verhör in GuantánamoKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Niedrige Erwartungen sind nicht leicht zu enttäuschen. Kaum jemand hatte zu hoffen gewagt, dass gestern im Bundestag und in den Parlamentsausschüssen alle offenen Fragen hinsichtlich geheimer CIA-Flüge, der Entführung und mutmaßlicher Folterung eines deutschen Staatsbürgers, möglicher ähnlicher Fälle und der Rolle der abgewählten Bundesregierung zufriedenstellend beantwortet werden würden. Das ist denn auch wahrhaftig nicht der Fall. Dennoch gibt es in zweierlei Hinsicht Anlaß zu vorsichtiger Genugtuung.

Zum einen hat das öffentliche Aufsehen wenigstens bewirkt, dass das Thema noch nicht zu den Akten gelegt, sondern weiter in den zuständigen Ausschüssen behandelt wird. Zum anderen und vor allem aber haben sich Abgeordnete aller Fraktionen und auch der Außenminister unmißverständlich dazu bekannt, dass geltendes Recht und Menschenrechte eindeutig den Vorrang haben vor allen anderen Gesichtspunkten wie Bündnisverpflichtungen und Effizienz der Terrorismusbekämpfung.

Das mag man natürlich für kleine Münze halten. Man kann es auch zu Recht skandalös finden, dass eine Situation entstanden ist, die eine solche Erklärung überhaupt erforderlich macht. Belanglos aber ist das Bekenntnis nicht - gerade wegen der zahlreichen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Kooperation verschiedener Geheimdienste und weiteren Fällen möglicher Verschleppung und Folter, deren Einzelheiten noch fast völlig im Dunkeln liegen.

Das Parlament und die Regierung haben öffentlich den Maßstab definiert, an dem sie sich künftig messen lassen müssen. Dieser Maßstab gilt auch für das Verhör eines Häftlings im US-Sondergefängnis Guantánamo durch deutsche Sicherheitsbehörden sowie alle weiteren Informationen, die demnächst möglicherweise ans Licht kommen. Die jüngste Information von Innenminister Wolfgang Schäuble lässt befürchten, dass wir bisher erst die Spitze des Eisbergs zu sehen bekommen haben. Ob auch der Rest auftaucht, hängt wesentlich davon ab, wie groß das Aufklärungsinteresse der Fraktionen und insbesondere der Opposition tatsächlich ist.

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