piwik no script img

Neurechte FriedensbewegungTausend Mal berührt

Seit vier Monaten läuft der Friedenswinter, Schulter an Schulter mit der Querfront. Am Samstag treffen sich alte und neue Kriegsgegner in Frankfurt.

Lars Mährholz und Dieter Dehm (Linke) am 13.12.2014 bei einer Demonstration vor dem Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin Bild: imago

BERLIN taz | Die Worte, die Friedensaktivist Reiner Braun wählte, ließen keine Klarheit vermissen: „Wir sagen Nein zu Antisemitismus, neuen Rechten, Reichsbürgern, Rassismus, Nationalismus und Faschismus.“ Diesen Satz verlas Braun am 13. Dezember vor dem Amtssitz von Bundespräsident Gauck. Die Demo dort war der bisherige Höhepunkt des Friedenswinters – jener Kampagne, für die sich die alte und die sogenannte neue Friedensbewegung zusammengetan hatten: traditionelle, respektable Organisationen wie Pax Christi oder die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) im Schulterschluss mit den nicht einmal ein Jahr alten, umstrittenen Montagsmahnwachen.

Seit vier Monaten läuft der Friedenswinter nun und es zeigt sich, dass Brauns Beteuerung nicht eingelöst wurde. „Es beteiligen sich Leute, die klar antisemitische und verschwörungsideologische Positionen vertreten. Der Friedenswinter ist ein Querfront-Projekt“, sagt Patrick Rupprecht – ein Versuch rechter Gruppen, das linke Lager zu übernehmen.

Eine Initiative um Rupprecht hat früher vor allem zur ostdeutschen Naziszene recherchiert. Seit dem vergangenen Frühjahr verfolgt sie das Treiben der Montagsmahnwachen und deren Führungsclique um den Gründer Lars Mährholz und den einstigen Radiomoderator Ken Jebsen, besser bekannt als „Ken FM“. Beide sind zentrale Figuren des Friedenswinters.

Mehrfach distanzierte Mährholz sich von rechtem Gedankengut. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, im Januar dem ehemaligen Leipziger Professor Michael Vogt ein Interview zu geben. Der hat 2012 Rudolf Heß zum „Helden“ erklärt, das Video steht bis heute im Netz. Mährholz besuchte den von Vogt organisierten „Querdenken“-Kongress im November.

Auch Ken Jebsen, nach antisemitischen Äußerungen beim Sender RBB rausgeflogen, deklamiert sich immer wieder als frei von rechtem Gedankengut. Doch am 16. Februar bestritt er beim Interview mit dem Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten Willy Wimmer die „Alleinschuld der Deutschen für den Ersten Weltkrieg, für den Zweiten sowieso“. Kurz darauf verlinkte er einen Text der Israelgegnerin Evelyn Hecht-Galinski, Titel: „Nicht die Kippa ist das Problem, sondern der Kopf darunter!“

Zweifelhafte Gestalten

Nach Recherchen der Gruppe um Rupprecht nahm eine ganze Reihe zweifelhafter Gestalten an den Aktionen des Friedenswinters teil. Erschienen sei etwa der „Reichsbürger“ Christoph Kastius. Der hatte unter anderem am 8. September 2014 eine Rede vor dem Berliner Reichstag gehalten und dabei erklärt, „wir“ seien „1945 entmachtet“ worden.

Zum Friedenswinter kam auch der Berliner Rechte Carsten Halter, der ebenfalls vor der Berliner Synagoge in der Oranienburger Straße unter dem Motto „Zionismus ist Faschismus“ gegen Israel demonstriert hat. Auf Veranstaltungen von Carsten Halter redete auch Honecker-Neffe Peter Feist. Im Oktober war der aufgefallen, weil er bei einer Montagsmahnwache „Nationalen Sozialismus“ und „Knast für Journalisten“ gefordert hatte.

Sie befinden sich in Gesellschaft des sogenannten „Arbeitskreises Berlin“, der nicht nur zum Friedenswinter kam, sondern auch zu den rechten „Hooligans gegen Salafisten“, der antiamerikanischen „Endgame“-Demo und immer wieder zu Nazi-Aufmärschen gegen Flüchtlingsheime im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

Tragen Organisatoren Verantwortung?

Die Liste alter und neuer Rechter beim Friedenswinter ließe sich fortsetzen, sagt Rupprecht. Allerdings: Gesprochen haben diese Leute dort nicht. Tragen die Organisatoren überhaupt eine Verantwortung dafür, wer zu ihren Demos kommt? Rupprecht meint: Ja.

Dass dies nicht aus bloßer Unachtsamkeit geschehe, sondern Teil des politischen Programms sei – das würden Äußerungen aus den Reihen der traditionellen Friedensbewegung belegen. So erklärte der Hamburger Ostermarsch- und Friedenswinter-Aktivist Andreas Grünwald, er träume davon, „einfach mal die Zwänge fallen zu lassen“ und sich „mit Konservativen und Rechten mit Nato und EU anzulegen“.

Seine friedensbewegte Hamburger Mitstreiterin Katrin McClean wandte sich im Februar auf der Mahnwachen-Webseite explizit gegen die Abgrenzung nach rechts: „Wer meint, die Distanzierung von anderen Protestgruppen und deren Blockierung sei wichtiger als der Protest gegen den militanten Kurs der Regierung, der hat den Kampf schon verloren“, so McClean auf der Hamburger Mahnwachen-Webseite.

Verkürzte Kapitalismuskritik

Charakteristisch für die Mahnwachen-Szene und ihren Friedensdiskurs sei eine „verkürzte Kapitalismuskritik und eine autoritäre Führerfixiertheit, sagt Rupprecht. Die neuen Friedensfreunde würden sich vor allem von den Medien übergangen fühlen, „obwohl die angesprochenen Themen ständig vorkommen. Aber wenn ihnen der Tenor nicht passt, glauben sie immer gleich, die Medien seien von der Nato gesteuert.“

An diesem Samstag treffen sich alte und neue Kriegsgegner zur Aktionskonferenz des Friedenswinters in Frankfurt. Wie mit den Bündnispartnern umzugehen ist, ist in der traditionelle Friedensbewegung umstritten. Der Antimilitarist Monty Schädel etwa knüpfte seine Teilnahme an die Bedingung, dass die Hamburgerin McClean nicht, wie zunächst geplant, einen Workshop moderieren dürfe. Der Workshop wurde daraufhin abgesagt.

Im April wollte der Friedenswinter beim Protest gegen die G-7-Außenministerkonferenz in Lübeck mitmischen. Doch die übrigen Veranstalter mochten Jebsen und Co nicht in ihren Reihen haben. Jetzt plant der Friedenswinter seine eigene Anti-G-7-Demo.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • ... Und tausendmal ist nichts passier gegen die Querfrontler in der eigenen Partei, der "Die Linke"

  • Bedingungen zur Zusammenarbeit (mit neuen Gruppen):

    mal zwei Beispiele:

    - Wer das Verhalten des Kreml in der Ukraine als gerecht, Opfer, defensiv darstellt und Putin auf nem Plakat um Hilfe vor der Sklaverei des Westens bittet, zerstört die Sprache (was ist Sklaverei?!) drischt Phrasen, die taub machen und kann gar nichts erreichen außer Betäubung.

    Der Kreml lässt in der Ukraine einmarschieren, nicht umgekehrt.

    Wer das nicht wahrnehmen kann, hat schwere Identitätsprobleme.

    Eine Kritik daran , die unabhängig von den Westlichen Regierungen bleibt, ist doch nicht so schwer.

     

    - eine Diskussion über Zinsen und Geld bei attac-Workshops: da trafen sich mal Klaus Kopp und Elmar Altvater und stellten ihre Geldtheorien vor.

    Mitschnitt. Gut zum zuhören. Geht doch.

    Wenn es um die Sache geht.

  • Danke für die Recherche.

    Natürlich könnte das immer wieder noch durch weitere Recherchen aus anderen Orten ergänzt werden.

    Patrick Rupprecht also nicht als einziger Kronzeuge.

     

    Wichtig ist, dass es seit Jahrzehnten schon lange in den politischen Strömungen Haltungen, Meinungen gibt, die irgendwann dann auch mit dem früher bekämpften Lager zusammenpassen und sich schon vor langer Zeit als Zitat ähnlich anhörten.

    Hauptgegner USA, NATO, Israel, und ein Verständnis von Herrschaft, dass der CIA und die Think Tanks den Nahen Osten, deren Staaten zerschlagen würden.

    Das können sich sehr leicht auch Rechtsradikale, Verschwörungsgläubige und Nazis aneignen.

     

    Bei einer der Bremer "Mahnwachen" redete der Holocaustleugner Jo Conrad, aus dem Umland, hatte natürlich auf nice gemacht, die Kreide schaute aus seinem Maul heraus.

    • @nzuli sana:

      Ja, das ist er auch nicht, dieser Patrick Rupprecht. Er saß nur eben grad in der Nähe.

       

      Recherche-Gruppen gibt es genug und das ist auch gut so. Die Reflexe derer die mit Kritik nicht umgehen können sind ja auch bekannt und auf diversen Plattformen gerade wieder erkennbar.

       

      Ein brauner Sumpf eben.

  • Man muss in der Tat nicht immer die RBB/Broder Geschichte als Argument gegen Jebsen aus der Schublade ziehen...Allerdings:

    Mir ist völlig unbegreiflich, dass es noch Leute gibt, die Jebsen als Linken sehen. Nach Dehm kann Jebsen ja kein Antisemit sein. Aber er ist ein Lügner. Er schämt sich nicht, seine krusen Thesen mit Lügen untermauern zu wollen.

     

    Dabei hat er mit vielen Worten nichts Neues gesagt: die Juden sind an ihrer Vernichtung selbst schuld, Amerikas Politik ist von Juden unterwandert und Teil einer jüdischen Weltverschwörung um ein Großreich Israel zu schaffen.

     

    Wer sich mit Jebsen in eine Reihe stellt, muss sich wohl gefallen lassen, dass man annimmt, dass er gleiche Positionen bezieht.

     

    Originalton Jebsen:

    "Das grausame Schicksal der Überlebenden der europäischen Juden hat die Nachfahren stumpf gemacht gegenüber dem Leid anderer Menschen. Ihr Grausamkeitslevel verläuft auf einer vom Holocaust gefrästen Vernichtungskurve. Diese ist und war in all ihren Aspekten pervers und taugt nicht als Orientierung für eine humanere Welt. Wenn man heute an jedem Punkt Palästinas, an dem ein palästinensischer Zivilist durch einen israelischen Besatzungssoldat umgekommen ist, einen solchen Stolperstein einschlagen würde, wäre der Boden Palästinas aus dem Orbit zu erkennen. Er würde flächendeckend messingfarben Unrecht reflektieren"

    (im Rahmen der Shoa wurden rund 6 Millionen Juden ermordet und zu deren Erinnerung etwa 43.500 Stolpersteine verlegt. Seit 1948 wurden rund 15.000 Palästinenser von Israelis getötet.)

     

    Gefährlich wird es wenn Fachismusdefinitonen anpepasst und reltativiert werden...siehe Diether Dehm...

    und wenn man sich mal die Argumente dieser Apostel einer Friedensdemagogie zu Gemüte führt und dann mal vergleicht mit der Rede von Hitler vor Borsigarbeitern über die "sogenannte Demokratie"

    https://youtu.be/bxpskSxGVA8

  • Wer immer noch einem Menschen Antisemitismus anklebt mit Hilfe der Bemerkung "nach antisemitischen Äußerungen beim Sender RBB rausgeflogen", obwohl er längst - jetzt seit mehreren Jahren - hätte nachprüfen können, wie das damalige Antisemitismus Missverständnis zustande kam, bzw. von H. M. Broder fabriziert wurde, wer also nach so langer Zeit einen immer noch mit der in 5 Minuten recherchierbaren Sache anzuschwärzen versucht - der ist ein Intrigant und als Informationsquelle völlig nutzlos.

    • @Bernhard Meyer:

      Wenn er doch nur nicht dauernd so aggressiv gegen Israel hetzen würde wie in seinem Machwerk "Zionistischer Rassismus" oder Sachen wie den Kippa-Spruch von Hecht-Galinski verlinken würde, könnte man Ihnen ja vielleicht noch zustimmen. Oder halten Sie die Beschreibung des amerikanischen Bankenwesens mit "radikale Zionisten mit US-Paß, deren Hobby Israel ist und deren Lieblingssport im Schlachten von Arabern besteht" für eine legitime Israel-/Kapitalismuskritik?

      • @Summa summarum:

        Ich verurteile die Politik, die Israel gegenüber den Palästinensern seit 67 Jahren betreibt. Sie ist menschenverachtend und völkerrechtswidrig. Amerika deckt das seit ca. 40 Jahren, wirft aber anderen, wenn es nützlich ist, mit großem Getöse Völkerrechtsverletzungen vor. Das alles kann einen sehr wütend machen - weil es ungerecht und weil es gefährlich ist und gemein gegenüber vielen Menschen. Diese Meinung hat mit keinem Anti-Etikett zu tun. Ich würde mich anders ausdrücken als Jebsen, ich würde versuchen weniger Angriffsfläche zu bieten als er. Man kann ihn unangenehm aggressiv nennen und im Ton vergreifend - aber das Totschlagetikett "antisemitisch" ist einfach falsch. Es ist aber der Hebel, mit dem andere Interessenten die Friedensbewegung (und bei Bedarf auch andere Protestgruppen) zu spalten versuchen.

  • Hallo Herr Jakob, sie gehören zu denen, die Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichsetzen. Ebenfalls würde man sie politisch in die Richtung der „Antideutschen“ rücken können. Antideutsche Positionen sind bei Ihnen kritiklose Solidarität mit Israel und Zionisten, alternativloser Proamerikanismus.

     

    Zuerst (wikipedia) Evelyn Hecht-Galinski ist eine deutsche Publizistin und Gründerin der deutschen Abteilung der Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Sie ist die Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ihre Auseinandersetzungen mit der Zentralratsspitze und ein Rechtsstreit über Antisemitismusvorwürfe gegen sie fanden vor allem in Deutschland Beachtung.

     

    Auch Ken Jebsen generell Antisemitismus zu unterstellen, ist unqualifiziert und zeugt von einer Verdrehung der Tatsachen.

     

    Sie werfen hier oberflächlich verschiedenste Richtungen in einen Topf, um damit gegen den Friedenswinter zu argumentieren. Den Friedenswinter mit Antisemitismus in Verbindung zu bringen, ihn am liebsten gleich als antisemitisch zu diffamieren, spielt zur Zeit nur denen zu, die an einer stärkeren Militarisierung, höheren Rüstungsausgaben, mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr und den Konflikt mir Russland interessiert sind.

    • @Julianne:

      Nein, Kritik an Israel wird nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt, aber eine extreme Dämonisierung Israels, wie sie Jebsen und Co. vornimmt, ist es. Einfach mal mit eingeschaltetem Kopf seine Sendung "Zionistischer Rassismus" anhören, bitte.

      Im Übrigen hat Jebsen gesagt, die Politik der USA werde insgeheim durch "die jüdische Lobby" gelenkt, die Geschicke der Welt durch die USA. Also lenkt die jüdische Lobby insgeheim die Geschicke der Welt. Was ist das denn anderes als antisemitisch?

  • Und bitte nicht schon wieder in die "Schubladen"-Falle tappen.

    - Israelkritiker sind nicht automatisch Antisemiten.

    - Medienkritiker sind nicht automatisch "Lügenpresse" schreiende Pegidisten

    - USA-Kritiker und NATO-Skeptiker sind nicht automatisch Putinversteher

    - und selbst wenn: Putin verstehen heißt nicht automatisch gutheißen

    - ach ja, und wer über die "Alleinschuld der Deutschen" im damaligen historischen Kontext kritisch nachdenkt, ist nicht automatisch ein rechtsgerichteter Revisionist/Relativist....

    • @Da Hias:

      Na zum Glück ist in diesem Artikel niemand in diese Schublade getappt.

      • @Summa summarum:

        war vor allem in Hinblick auf möglicherweise zu erwartende Kommentare gemeint.....

        • @Da Hias:

          Aber ja, mit dem Originalartikel bin ich auch nicht so ganz glücklich. Nur weil bestimmte Argumente von bestimmten, sagen wir mal schillernden Gestalten vorgebracht werden, sind sie nicht per se allein deshalb völlig des Teufels. Aber das ist ja der Mist. Vertrete was Du willst, wenn sich irgendein anerkannter Ar*** daneben stellt und zustimmt, schon gilt Dein Argument nix mehr, weil es auch der Ar*** sagt und Du Dich umgehend zu distanzieren hast....

          Bewährt sich immer wieder, um jede mögliche Bewegung für oder gegen etwas "am Stück" zu diskreditieren.