Sabine Lisicki im Tennis-Viertelfinale: Alle Antennen auf Sieg ausgerichtet
Die oft unter Selbstzweifeln leidende Lisicki ist in der Form ihres Lebens. Das Viertelfinale in Miami gegen Serena Williams kommt ihr gelegen.
MIAMI taz | Allmählich kommt einem die Sache unheimlich vor. So, als habe es keine Niederlagen und keine Zweifel zu Beginn dieses Jahres gegeben, und so, als läge der Rasen von Wimbledon auf einmal überall, sprintet Sabine Lisicki dieser Tage von einem Sieg zum nächsten. Die Art, wie sie Sara Errani anfangs der Woche über den Platz scheuchte (6:1, 6:2), war ziemlich eindrucksvoll, um das Mindeste zu sagen.
Es ist nicht mehr zu übersehen, dass sie in ihrer Karriere außer im All England Club über längere Zeit nie besser in Form war als im März 2015 auf den Hartplätzen von Indian Wells und Miami.
Nach dem Schlüsselspiel in Kalifornien mit dem Sieg – nach drei abgewehrten Matchbällen – gegen Flavia Pennetta aus Italien und drei überzeugenden Auftritten in Miami scheinen Spielfreude und Zuversicht auf einem verlässlich hohen Niveau gelandet zu sein.
Früher hatte ihr auf Hartplätzen oft das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gefehlt, jetzt, unter der ebenso zugewandten wie fordernden Leitung des neuen Coaches und ehemaligen Mixed-Partners Christopher Kas, sieht es so aus, als sei die Blockade gelöst. „In Indian Wells kamen die ersten Ansätze durch, und jetzt kommt es in vollen Zügen. Das macht einfach Spaß“, sagt sie.
In dieser Situation könnte es keinen besseren Test als ein Spiel gegen Serena Williams geben, die Nummer eins im Frauentennis. Von bisher drei Spielen gegen die Amerikanerin gewann Lisicki eines, aber die Erinnerung daran ist noch nicht verblasst. Im Viertelfinale in Wimbledon vor zwei Jahren – Williams hatte kurz zuvor bei den French Open ihren 16. Grand-Slam-Titel gewonnen und galt als große Favoritin – setzte sich die Berlinerin in drei sturmumtosten Sätzen durch. Und das, obwohl Williams im dritten Satz 3:1 geführt und einen Spielball zum 4:1 gehabt hatte.
Wie sinnvoll ist es, sich in der Vorbereitung auf die Partie am Mittwoch an die Vergangenheit zu erinnern? Natürlich sei das noch im Hinterkopf, sagt Lisicki, vor allem die Tatsache, dass immer alles offen sei, selbst wenn man 1:3 im dritten hinten liege. „Aber das ist fast zwei Jahre her, und jetzt werden die Karten neu gemischt.“
Die Frage ist, wie es um die Form der mächtigen Konkurrentin bestellt ist. In Miami war bisher nichts von den Folgen jener Knieverletzung zu sehen, die zuvor in Kalifornien zu Williams’ Rückzug unmittelbar vor dem Halbfinale geführt hatte.
Sie sagt, sie sei selbst überrascht, wie problemlos sie die Spiele in dieser Woche durchgestanden habe. Ein bisschen mysteriös kommt einem die Sache schon vor, aber mangels Beweisen des Gegenteils sollte man annehmen, dass sie sich in Indian Wells tatsächlich nicht in der Lage gesehen hatte, im Halbfinale zu spielen.
„Ich weiß gar nichts“, sagt Lisicki, „ich hab von ihr bisher hier nichts gesehen, aber man muss davon ausgehen, dass sie in Form ist. Sie hat das Turnier ein paar Mal gewonnen, sie wohnt nicht weit weg, und sie spielt hier gern.“
„Dieses Match wollte ich von Anfang an“
Andrea Petkovic, die beim Sieg gegen Jekaterina Makarowa (6:1, 7:5) einen der besten Sätze ihrer Karriere gezeigt hatte und die danach am Dienstag im Viertelfinale gegen die junge Tschechin Karolina Pliskova spielte, ist sicher eine gute Adresse, wenn es um die Einschätzung der Partie zwischen Williams und Lisicki geht. „Serena hatte bisher noch keinen richtigen Test, und wenn dann jemand kommt, der dagegenhält, dann wird das sehr, sehr interessant.“
Aus der Geschichte mit Williams’ Aufgabe in Kalifornien ist Petkovic auch nicht recht schlau geworden, und deshalb kommen bei der in Zahlen ausgedrückten Einschätzung der Chancen von Sabine Lisicki im großen Spiel gegen die Beste des Frauentennis auch unterschiedliche Werte heraus.
„Wenn mit dem Knie alles in Ordnung ist, würde ich sagen: 55:45 für Serena. Falls nicht, 50:50.“ Sabine Lisicki hat keine Zahlen zu dieser Angelegenheit im Kopf. Sie meint selbstbewusst, wenn sie gut spiele, sei bekanntlich alles möglich. Dieses „bekanntlich“ hätte sie sich vor ein paar Wochen vielleicht noch verkniffen.
Aber wie es um ihr Selbstbewusstsein dieser Tage bestellt ist, zeigt auch eine andere Antwort. Gefragt, was sie von der Aussicht hält, gegen Williams zu spielen, meinte sie ohne zu zögern: „Dieses Match wollte ich von Anfang an, als ich aufs Tableau geschaut habe.“ So was sagt man nur, wenn alle Antennen auf Sieg ausgerichtet sind.
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