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„Schwul & Schwuler“ klagen über Fettleibigkeit. Absurd. Die eigentlichen Opfer produziert die Schönheitsindustrie, die Frauen vorschreibt, sich schön zu finden.

Die meisten Frauen gehen durch die „Average“-Tür. Bild: www.youtube.com/watch?v=DS1kqfAIXbc

W er über Fettleibigkeit klagt, obwohl er so schmuck aussieht wie die Herren Schwul und Schwuler, ist tatsächlich ein talentiertes Opfer. Und zwar seiner Selbstwahrnehmung. Während Adipositas nämlich eine richtige, echte Krankheit ist, sind ein paar gefühlte Kilo zu viel maximal ein Luxusproblem

Gute Ideen, wie man zwei Kilo in zwei Tagen los wird, gibt es übrigens auf gutefrage.net: Haare entfernen. Arm abschneiden. Einfach das Gehirn so lange ablegen. Ich für meinen Teil habe gestern Abend ja gekotzt. Allerdings nur, weil das Essen verdorben war. Bei Interesse gebe ich aber gerne die Anschrift des Schnellimbisses weiter. Eine Magen-Darm-Grippe ist meistens schwieriger aufzutreiben.

Jedenfalls ist es immer noch besser, ein Opfer der Schönheitsindustrie zu sein, als für sie zu arbeiten. Womit wir bei der Pflegemarke Dove wären. Der total uneigennützigen Unilever-Tochter geht es ja hauptsächlich darum, dass alle Frauen ihre wahre Schönheit erkennen. Sogar die dicken und alten. Das findet auch die Brigitte ganz toll, die längst wieder Profi-Models anstatt normaler Frauen engagiert, aber nur, weil die Leserinnen sich im Vergleich mit den normalen Frauen noch schlechter fühlen als sonst.

Gerade kursiert jedenfalls ein Video im Netz, mit dem Dove seine neue Aktion promotet. Darin gehen Frauen durch Türen und kommen auf der anderen Seite wieder raus. Welchen der beiden Eingänge sie benutzen, lässt Rückschlüsse auf ihr Selbstwertgefühl zu: Über dem linken steht „Beautiful“, über dem rechten „Average“.

Die Idee

Franziska Seyboldt antwortet hier auf die Kolumen des Autorenteams Schwul & Schwuler. Für die längste taz-Kolumne aller Zeiten wechseln sich sechs AutorInnen täglich ab. Bisher erschienen: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7

Dass die meisten durch die rechte Tür gehen und sich demnach als durchschnittlich empfinden, untermauert ganz wunderbar die Ergebnisse der hauseigenen Studie. Die besagt, dass sich nur 2 Prozent der deutschen Frauen als schön bezeichnen würden. Auf die restlichen 98 Prozent will Dove aber keinesfalls verzichten, denn das sind ja alles kaufkräftige Kundinnen.

Los, findet euch schön!, flüstert die Bodylotion. Gebt euch nicht auf!, raunt das Körperöl. Dafür braucht ihr aber mich, ruft die Creme, nur ich zeichne eure Haut so weich wie die Kamera im Video.

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Abgesehen davon, dass eine dritte Tür mit der Aufschrift „Ugly“ interessant gewesen wäre, fühle ich mich von der Aufforderung „Choose Beautiful“ unter Druck gesetzt. Entschuldigung, aber ich kann mich wirklich nicht immer schön finden. Das ist doch viel zu anstrengend. Außerdem hat es mit der Tagesform zu tun, wie gut oder schlecht ich mich fühle. Wenn früh aufstehen mit fettigen Haaren und PMS zusammenfällt, dann will ich verdammt noch mal durch die hässliche Tür gehen!

Einfach, weil ich es kann. Und weil ich mir an diesem speziellen Tag ausnahmsweise mal keine Gedanken um mein Aussehen machen möchte. Vielleicht konzentriere ich mich stattdessen auf die Gefühle, die nichts mit meinem Körper zu tun haben. Ja, doch, die gibt’s auch. Oder auf mein Gehirn. Es sei denn, ich habe es gerade abgelegt, weil ich zwei Kilo abnehmen will.

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).
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