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Kunden für Werbevideos gefilmt

DATENSCHUTZ Zwei Handelsketten sind wegen illegaler Kameras ins Visier der Datenschützer geraten

Datenschützer vermissen Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit

Erneut sind zwei Einzelhandelsketten wegen illegaler Videoüberwachung ins Visier der Datenschützer geraten. Der Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsens ermittelt gegen die Osnabrücker Drogeriekette und Schlecker-Tochter „Ihr Platz“, der nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte nach einem Hinweis aus Hamburg gegen den weltweit agierenden Verlag Taschen in Köln, der auch eine Filiale in Hamburg betreibt. Gegenüber NDR Info gab eine Sprecherin des Taschen-Verlags merkwürdige Praktiken zu, sich offenbar keiner Schuld bewusst.

Ihren Angaben zufolge sind alle Filialen mit Webcams ausgestattet, die die Verkaufsräume und den Kassenbereich filmen. Die Bilder würden dann als Werbemaßnahme ins Internet übertragen, bestätigte die Taschen-Sprecherin NDR Info. „Unser erster Store in Paris wurde 2000 eröffnet und mit Webcams ausgestattet – wie alle anderen auch.“

„Um so schlimmer“, meint Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Zwar seien nach dem Bundesdatenschutzgesetz Videokameras zum Schutz vor Diebstahl zulässig, „aber nicht zum Zweck der Werbung“. Wenn jemand sich weltweit als Werbebeiwerk im Internet wiederfände, wie er sich ein Buch in der Filiale anguckt, sei das ein gravierender Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Caspar hofft, dass bei den Handelsketten wieder „mehr Bewusstsein für die Rechtsstaatlichkeit“ einkehre.

Ein Hinweis aus Berlin brachten Niedersachsens Datenschützer auf die Spur des Drogisten „Ihr Platz“, der bundesweit 700 Filialen betreibt. „Wir haben das Unternehmen aufgefordert, ein Datenschutzkonzept vorzulegen“, sagt Sprecher Michael Knaps. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz müsse eine Firma eine „Verfahrensbeschreibung“ erarbeiten, „bevor in den Geschäften Kameras aufgestellt werden“. Diese müsse Handlungsschritte enthalten, wie die Daten vor Unbefugten geschützt werden, wo Hinweisschilder aufzustellen oder wie die Kameras ausgestattet und ausgerichtet seien.

Diese Verfahrensbeschreibung müsse zwar nicht von seiner Behörde abgenickt werden, „jedoch jederzeit für Kunden einsehbar sein“, sagte Knaps. „Ein Ende des Verfahrens ist noch nicht abzusehen.“ KAI VON APPEN

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