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Die NPD hat’s gern ramschig und deutsch

Leipziger Stadtentwickler wollen ein Problemviertel auch mit Hilfe von Mittelständlern nichtdeutscher Herkunft zum „internationalen Quartier“ aufwerten. Die NPD hetzt gegen „Chinatown“ und beschwört Unruhen wie in Frankreich herauf

AUS LEIPZIG MICHAEL BARTSCH

Erstaunlicherweise bekommt man an der Eisenbahnstraße, eine der wichtigsten Ausfallstraßen im Osten Leipzigs, sofort einen Parkplatz. Nur wenige Fenster sind am Abend erleuchtet. Jede dritte Wohnung steht leer und viele Läden im Erdgeschoss auch. Wo nicht, da wechseln Otto-Bestellshop, Sportwettannahme, Döner-Pizza und Ramschläden ab. Das Internet-Café ist arabisch beschriftet. 13 Prozent der Menschen im Viertel sind Ausländer, für eine ostdeutsche Stadt ein hoher Anteil, das Doppelte des Leipziger Durchschnitts. Aber auch Studenten zieht es wegen der günstigen Mieten in das Gründerzeitviertel des Ortsteils Volkmarsdorf.

Mitte Dezember regnete es hier plötzlich 50.000 Flugblätter. „Frankreich mahnt: Kein Chinatown in Leipzig!“ Dazu ein Foto mit Autowracks. Der unverkennbare Klang macht das NPD-Logo darunter eigentlich überflüssig. „Ganz gezielt sollen Krisenherde geschaffen werden, um im Sinne der Globalisten Völker aufeinander zu hetzen!“, heißt es weiter. Umseitig warnt der sächsische NPD-Landesvorsitzende: „Leipzig muss eine deutsche Stadt bleiben!“

Der Ruf Volkmarsdorfs, ein Kriminellenviertel zu sein, ist in der Polizeistatistik nicht belegt. Der Bevölkerungsschwund ist zunächst gestoppt. Jedoch besitzt der Stadtteil tatsächlich eine schwache, lokal geprägte Wirtschaftsstruktur. „Unser Ziel ist die Aufwertung eines wirtschaftlichen und sozialen Problemgebiets“, sagt Leipzigs Amtsleiter für Stadtentwicklung Karsten Gerken. Bisher gibt es keine Mittelständler und keine anspruchsvollere Handelsangebote. Trading-down-Effekt heißt das in der Fachsprache, oder, wie Gerken formuliert: „Das Viertel wird immer ramschiger.“ Weil viele Menschen von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld leben, fehlt die Kaufkraft.

Dem setzt die Stadtverwaltung mehrere Projektideen entgegen, die Mitte November konkretisiert wurden. Kernstück ist ein „Internationales Quartier Ost“. Mit Durchgängen und Passagen soll eine den Handelszonen der Innenstadt vergleichbare Atmosphäre geschaffen werden. Vorhandene Läden sollen aufgewertet und neue ausgebaut werden. Lebendig machen sollen die Gegend eben auch ausländische Klein- und Mittelständler, um die man wahrscheinlich per Ausschreibung werben will. Kernstück wird ein nur wenige Hektar großes Häusergeviert mit dem Arbeitstitel „Block 99“. Das Projekt befindet sich noch in der Papier- und Diskussionsphase.

In diese Diskussion einbezogen werden beispielsweise die Hauseigentümer, das Forum Leipzig Ost e.V. und die Händlervereinigung „Lockmeile e.V.“. Gebaut und investiert werden soll zu Beginn der neuen EU-Förderperiode 2007, wenn neue Fördermittel in Aussicht stehen. Ziel ist, so erklärt Stadtentwicklungs-Chef Gerken nochmals, das Negativimage des Viertels abzustreifen und es sowohl für einheimische als auch zugewanderte Kunden attraktiv zu machen. „Wir müssen aktiv etwas tun, sonst überrollt uns ein Problem!“

Das hätte die NPD offenbar zu gern. Denn sie tut so, als hätte sie das Entwicklungskonzept nicht gelesen, und verkehrt dessen Absicht ins Gegenteil. Sie zettelte sogar eine Landtagsdebatte zum „Block 99“ an, in der Fraktionschef Holger Apfel ein „ordinäres Getto“ heraufbeschwor, in dem die Anarchie einer „Gegengesellschaft“ herrsche und in das sich die Polizei nicht mehr hineintraue. Nun bekam die NPD bei der Landtagswahl 2004 in diesem Stadtteil zwar die meisten Stimmen in Leipzig. Zugleich räumte der bisherige Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) aber ab. Amtsleiter Gerken wertet das als Zustimmung zur Stadtentwicklungspolitik.

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