: Schwarz-Gelb schiebt weiter ab
ASYL Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium warnen, dass Syrien abgeschobene Asylbewerber inhaftiert. Opposition will Abschiebestopp, doch CDU und FDP zieren sich
VON CHRISTIAN JAKOB
Dreimal verschwanden Flüchtlinge nach ihrer Abschiebung in syrischen Gefängnissen. Heute debattiert der Bundestagsinnenausschuss deshalb einen Antrag der Grünen: Die wollen das Rücknahmeabkommen mit dem Assad-Regime in Damaskus sofort aussetzen.
Exinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte den Vertrag mit der syrischen Regierung ausgehandelt, um 7.000 Geduldete nach Syrien abschieben zu können. Als die Ausländerbehörden begannen, von der Regelung Gebrauch zu machen, hatte dies bei einigen jedoch fatale Folgen. Zwischen August und Oktober wurden ein junger Kurde, eine schwangere 25-Jährige und eine Witwe mit vier Kindern nach ihrer Ankunft in Damaskus verhaftet. Das Regime wirft ihnen „Beschädigung des Ansehens Syriens im Ausland vor – wohl wegen der Gründe, die die Flüchtlinge in ihren abgelehnten Asylanträgen vorgebracht hatten.
In einem sogenannten Ad-Hoc-Lagebericht bestätigt das Auswärtige Amt die Verhaftungen und klagt darüber, dass die Syrer selbst deutsche Diplomaten auflaufen lassen. In allen drei Fällen hatte das Auswärtige Amt die Behörden um Auskunft gebeten, doch die syrische Seite reagierte nicht. So blieb der Botschaft nach Angaben des Auswärtigen Amts nur, sich zu bemühen, „den Sachverhalt durch zivilgesellschaftliche Kontakte aufzuklären“. Es sei „realistisch zu erwarten, dass die Angeklagten zwei bis drei Jahre ins Gefängnis kommen“, heißt es weiter. Freisprüche seien jedenfalls nach solchen Anklagen bisher „nicht bekannt geworden“.
An anderer Stelle nennt das Amt die Menschenrechtslage in Syrien „unbefriedigend“, es gebe Folter, Misshandlung von Gefangenen und Verschwindenlassen. Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker (GbV) wird „schon für kleine kritische Bemerkungen über das Regime systematische, grausame Folter angewendet“. Fünf Menschen seien allein 2008 in syrischen Gefängnissen gestorben.
Am 22. Dezember hatte das Bundesinnenministerium in einem Rundschreiben die Länder gebeten, vorerst nicht mehr nach Syrien abzuschieben, weil dies derzeit „problematisch“ sei. Das Bundesamt für Flucht und Migration wurde zudem gebeten, Asylanträge aus Syrien zunächst zurückzustellen oder nicht als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnen.
Niedersachsen beeindruckte diese Bitte nicht: Am 5. Januar versuchte der Landkreis Wesermarsch den seit 2001 dort lebenden Kurden Abdeloehab Hussein abzuschieben. Ein Anwalt des Flüchtlingsrats konnte die Abschiebung erst stoppen, als der 48-Jährige schon am Frankfurter Flughafen war. „Es kann nicht sein, dass jede Ausländerbehörde das Spiel so weit treiben kann, wie sie will“, beklagte Bernd Mesovic von ProAsyl.
Ob der Grünen-Antrag durchgeht, ist fraglich. Im Innenausschuss hat Schwarz-Gelb die Mehrheit. Eine Mitarbeiterin des Ausschussmitglieds Hans-Peter Uhl (CSU) räumt zwar ein, dass die Lage in Syrien „problematisch“ sei. Dass dies zu einer Kündigung des Abkommens führe, sei aber „unwahrscheinlich“. Stattdessen sollten „Abschiebungen im Einzelfall geprüft werden“. Das FDP-Ausschussmitglied Hartfrid Wolff hält die Lage in Syrien gar für „tatsächlich besonders besorgniserregend“. Die Kündigung des Abkommens will er deshalb auch „als Ultima Ratio für die Zukunft“ nicht ausschließen. Doch fürs Erste teilt er die Linie der Union: „Erst müssen wir klären, ob es nicht die beste Lösung ist, wenn die Ausländerbehörden vor Abschiebungen konkrete Gefährdungen prüfen“, sagt Wolff. Niedersachsen sei dabei mit „mangelnder Sensibilität“ vorgegangen.
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