: Mehr Propaganda als Aufklärung
Regierung sieht Vorwürfe gegen BND entkräftet. Geheimdienstkontrolleure von Linkspartei und Grünen widersprechen
BERLIN taz ■ Der Bundestag wird heute über „die Rolle von BND-Mitarbeitern vor und während des Irakkriegs“ debattieren. Außenminister Frank-Walter Steinmeier kehrt dafür extra vorzeitig von seiner Nahostreise zurück. Der SPD-Politiker war als Kanzleramtschef in der rot-grünen Regierung für die Geheimdienste zuständig. Steinmeier kündigte an, er werde seine Position „sehr selbstbewusst vertreten“.
Diese lautet: Viel Lärm um nichts! Steinmeier und die schwarz-rote Koalition versuchten mit allen Mitteln den Eindruck zu erwecken, sämtliche Vorwürfe deutscher Beihilfe zum US-Krieg gegen den Irak seien bereits entkräftet. Zahlreiche Regierungsvertreter erklärten, ein Untersuchungsausschuss sei überflüssig, ja sogar gefährlich. Wenn bei den Untersuchungen Einzelheiten von Geheimdienstaktivitäten publik würden, so der SPD-Politiker Olaf Scholz, würden befreundete Dienste anderer Länder etwa bei der Fußball-WM kaum noch Informationen über Gefährdungen an deutsche Kollegen weitergeben.
Die Debatte über die Tätigkeit des BND im Irak ist längst zu einem innenpolitischen Propagandakrieg zwischen den Parteien ausgeartet. Selten wurde dies so deutlich wie nach der geheimen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) am Mittwochabend in Berlin. Dabei sprachen Abgeordnete aller Fraktionen hinter verschlossenen Türen mit den zwei BND-Mitarbeitern, die während des Irakkriegs in Bagdad waren. „Ich glaube, dass sich die allermeisten Fragen nach dieser sechsstündigen Sitzung erledigt haben“, erklärte Steinmeier hinterher – von Kairo aus. Sein Parteifreund Scholz, der die SPD im Kontrollgremium vertritt, verkündete, die BND-Mitarbeiter hätten glaubhaft dargelegt, dass die Vorwürfe gegen sie nicht zuträfen. Scholz’ Bilanz hörte sich an wie ein Freispruch erster Klasse. Doch das wollten die Vertreter von Linkspartei und Grünen so nicht stehen lassen.
„Es gab lediglich etwas Entwarnung zu einem einzigen Vorfall“, sagte der Grüne Christian Ströbele der taz. Damit meinte er den für zwölf Zivilisten tödlichen Luftangriff auf ein Restaurant, in dem die USA Saddam Hussein vermutet hatten. In dem einstimmigen Beschluss des Kontrollgremiums heißt es dazu, die BND-Mitarbeiter hätten „glaubhaft bekundet, in keiner Weise – weder bei der Vorbereitung noch bei Planung oder Durchführung – an der Bombardierung des Restaurants im Stadtteil Mansur am 7. April 2003 mitgewirkt zu haben“. Aus dieser Erklärung dürfe man jedoch nicht schließen, dass die Unschuld der BND-Mitarbeiter zweifelsfrei geklärt sei, betonte der Linkspartei-Vertreter Wolfgang Neskovic im taz-Interview (siehe Seite 12). Schließlich habe man nur die Darstellung der BND-Mitarbeiter gehört, ihre Aussagen könnten durch andere Zeugen durchaus noch widerlegt werden, erklärte der Jurist. Schon gar nicht sei erwiesen, dass der BND den USA keinerlei Hilfestellung bei Angriffen geleistet habe, sagte Ströbele. „Unser Bericht ist eine Wiedergabe dessen, was uns berichtet wurde, keine Wertung, ob die Aussagen falsch oder richtig sind.“
Schon gestern gab es neue Berichte, wonach die BND-Agenten den USA Informationen über den Standort des irakischen Geheimdienstes geliefert haben – also über ein mögliches Angriffsziel. „Ich habe das gerade zum ersten Mal gehört“, sagte Ströbele gestern. „Das ist ein Teil der Informationslage, die aufgeklärt werden muss. Wir brauchen nach wie vor den Untersuchungsausschuss.“
Die FDP will dabei jedoch kaum noch über die Details der BND-Aktivitäten sprechen. Der BND stehe „nicht mehr im Mittelpunkt“, sagte ihr Vertreter Max Stadler der taz. Es müsse vielmehr vor allem um CIA-Gefangenentransporte, die Entführung des Deutschen Khaled al-Masri und die politische Handlungsweise der rot-grünen Regierung gehen. LUKAS WALLRAFF
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